Mitarbeiterumfragen

Weg von der Zufriedenheitsmessung hin zum Wertschöpfungsinstrument

Bei Zufriedenheitsbefragungen bleibt oft der Zusammenhang der Ergebnisse mit dem Unternehmenserfolg unklar. Als 
Steuergrösse sind solche Daten daher nur von begrenztem Wert. Aussagekräftiger sind Informationen, die Aufschluss über die Leistungsbereitschaft der Mitarbeitenden geben und sowohl Motivatoren als auch Leistungsbarrieren verdeutlichen.

Das HRM von Helsana hat 2006 in Zusammenarbeit mit der Ertragswerkstatt GmbH eine neue Form der Mitarbeiterumfrage eingeführt. Grundlage dafür war folgendes Modell (vgl. Abbildung1): Wir messen, wie leistungsbereit und engagiert unsere Mitarbeitenden sind und mit welchen Faktoren der Arbeitssituation dies zusammenhängt. Wir fragen also explizit nicht danach, wie zufrieden Mitarbeitende mit ihrer Situation sind, sondern lassen sie beurteilen, inwieweit an ihrem Arbeitsplatz bestimmte Kriterien erfüllt sind, von denen wir auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse und aus Studien wissen, dass sie erfolgsrelevant sind: Mitarbeitende, die ihre Arbeitssituation(1) als gut bewerten, sind leistungsbereiter(2) als Mitarbeitende, die ihre Arbeitssituation als schlecht erleben. Leistungsbereitere Mitarbeitende wiederum erzielen bessere wirtschaftliche Ergebnisse.

Die Mitarbeiterumfrage von Helsana zeigt den Führungskräften auf, welche Faktoren der Arbeitssituation in ihrem Team, ihrer Organisationseinheit oder ihrem Bereich förderlich oder hinderlich für eine hohe Leistungsbereitschaft sind, und gibt ihnen damit ein Instrument in die Hand, mit dem sie ihren Verantwortungsbereich weiterentwickeln und damit wertschöpfender gestalten können.

Die Umfrage dient nicht der allgemeinen Stimmungsabfrage, sondern sie wird als Instrument der Unternehmensführung verstanden und deshalb regelmässig durchgeführt. Nur so können Veränderungen aufgezeigt und zu den getätigten Massnahmen in Beziehung gesetzt werden.

Bilanzierungs- & Führungsinstrument

Bei Helsana wird die Umfrage einmal jährlich durchgeführt. Kerngrössen aus der Umfrage sind in die jährliche Unternehmensbewertung integriert, werden im Geschäftsbericht dargelegt und gehen in den Zielplanungsprozess ein. Die Umfrage ist damit zum einen Controlling- und Bilanzierungsinstrument für das Topmanagement geworden. Als zentrale Messgrösse aus der Umfrage verdeutlicht der Performance-Index wie effektiv das vorhandene Potenzial der Mitarbeitenden genutzt wird. Mit dieser Kennzahl konnte bei Helsana eine wichtige Messgrösse für die Mitarbeiterperspektive, neben «klassischen» wie etwa Fluktuation, in der Unternehmensführung verankert werden.

Zum anderen ist die Umfrage ein Instrument, das die Vorgesetzten in ihrer Führungsaufgabe unterstützt: ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem ihre Mitarbeitenden optimal arbeiten und wertschöpfend tätig sein können. Sie verdeutlicht, wo die gegenwärtigen Arbeitsbedingungen eine höhere Leistung verhindern oder hohe Leistung begünstigen, und liefert damit Ansatzpunkte für eine effektive Personal-, Team- und Organisationsentwicklung.

Explizites Ziel der Mitarbeiterumfrage bei Helsana ist es, die Wertschöpfung des Unternehmens zu steigern. Es stellt sich nun die Frage, ob sich Massnahmen, die aus den Ergebnissen abgeleitet werden, auch tatsächlich zu Fortschritten führen. Im Fragebogen gibt es deshalb zwei Items, mit denen die Mitarbeitenden die Umsetzung der Ergebnisse der vorangegangen Umfrage einschätzen konnten:

  • 
«In unserer Organisationseinheit haben wir gemeinsam mit unserem Vorgesetzten systematisch an den Ergebnissen der MAU 2008 gearbeitet.»
  • 
«Die gemeinsam mit meinem Vorgesetzten für unsere Organisationseinheit vereinbarten Massnahmen haben zu einer Verbesserung geführt.»

Die systematische Evaluation der Veränderungen anhand dieser beiden Fragen liefert dabei einige Erkenntnisse: Führungskräfte, die die Ergebnisse sinnvoll nutzen und mit ihren Mitarbeitenden Massnahmen entwickeln, die zu Verbesserungen führen, profitieren. Ihre Mitarbeitenden werden leistungsbereiter, bewerten den Führungsstil des Vorgesetzten und die Zusammenarbeit im Team besser. Dies zeigt der Vergleich der Auswertungen von 164 Teams, die bei der Messung 2009 denselben Vorgesetzten hatten wie bei der Messung 2008 (vgl. Abbildung 2).

Diejenigen zehn Prozent Teams, die die Umsetzungsfragen am besten bewerten, zeigen eine deutliche Erhöhung der Leistungsbereitschaft (gemessen via Performance-Index PI). Sie bewerten den Führungsstil ihres Vorgesetzten und das Teamklima deutlich besser. Der Effekt zeigt sich schon bei der Frage, ob überhaupt systematisch mit den Ergebnissen gearbeitet wurde. Richtig deutlich wird er aber erst dann, wenn etwas Sinnvolles aus den Ergebnissen gemacht worden ist. Führungskräfte, die das gleiche Team wie 2008 betreuen, haben also substanzielle Fortschritte erzielt, wenn sie die Ergebnisse der Mitarbeiterumfrage genutzt haben. In den Teams, in denen nicht an den Ergebnissen gearbeitet wurde, wird die Situation dagegen weniger gut beurteilt. Im Idealfall arbeiten Führungskräfte also gemeinsam mit ihren Mitarbeitenden und unter Nutzung von begleitenden HR-Angeboten an ihren Ergebnissen.

Wichtiges Tool für HR-Arbeit

Professionelle HR-Arbeit muss verdeutlichen, welchen Erfolg der Einsatz von Zeit und Ressourcen für HR-Themen hat. Durch eine kontinuierliche Messung können Fortschritte zu getätigten Massnahmen und Interventionen in Beziehung gesetzt werden. Leider stehen uns bisher keine betriebswirtschaftlichen Kennzahlen auf Teamebene zur Verfügung, um den Erfolg der eingeleiteten Massnahmen auch im Hinblick auf «harte» Kennzahlen zu überprüfen.

Ein Nachweis auch auf dieser Ebene könnte dazu beitragen, die Akzeptanz des Instruments im Unternehmen weiter zu steigern. Indem die Mitarbeiterumfrage davon wegkommt, vor allem Messinstrument der Zufriedenheit zu sein, und wie bei Helsana in ein Instrument der Organisationsentwicklung weiterentwickelt wird, erhält sie einen ganz anderen Stellenwert. Im Zentrum steht nicht mehr die Umfrage an sich, sondern die Arbeit mit den Ergebnissen. Die Umfrageergebnisse stellen hierbei einen wichtigen Anknüpfungspunkt für die HR-Beratungs- und Unterstützungsarbeit dar. Die Mitarbeiterumfrage wird damit zu einem wichtigen wertschöpfenden Tool in der strategischen HR-Beratung.

  • 1 
gemessen an Faktoren wie Zusammenarbeit, Führungsstil des Vorgesetzten, Zieltransparenz, Information, Entwicklungsmöglichkeiten
  • 2 
gemessen an Verhaltens- und Einstellungsfaktoren wie Engagement, Stolz, Bindung, Veränderungsbereitschaft, Kundenorientierung, Qualitätsorientierung
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Charlotte Kabay Flück ist lic. phil., Psychologin FSP und arbeitet als Fachspezialistin für Organisationsentwicklung bei Helsana Versicherungen AG.

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