Weiterbildung

Weiterbildung in der Krise – 
Qualität kommt vor Quantität

Aufgrund der Wirtschaftslage überprüfen die Unternehmen ihre Ausgaben strenger als bisher. Offenbar haben die meisten aber erkannt, dass es sich nicht lohnt, kurzfristige Einsparerfolge auf Kosten eines langfristigen Return on Investment zu bilanzieren: Ein grosser Abbau im Bereich Talent Management und Weiterbildung mit voraussehbaren negativen Auswirkungen ist bei den meisten Firmen kein Thema. Dagegen setzen die Verantwortlichen verstärkt auf Qualität statt Quantität.

Vieles deutet darauf hin, dass Unternehmen ihre Weiterbildungsbudgets nicht einfach zusammenstreichen, sondern Weiterbildungsanliegen und bisherige Strategien kritischer hinterfragen. So werden fast überall inhaltliche Schwerpunkte entsprechend angepasst, auf den Job fokussierte Weiterbildungen privilegiert und Weiterbildungswünsche, die oft ein persönliches Karriereziel verfolgen, nicht unbedingt gerade jetzt erfüllt, sondern vertagt.

Die meisten Unternehmen sind sich darüber im Klaren, dass Weiterbildung und Talentförderung eine langfristige Aufgabe ist. So setzt die Credit Suisse bereits bei der Rekrutierung an und bietet in der Schweiz weiterhin gleich viele Ausbildungsplätze für Lernende, Praktikanten sowie Mittel- und Hochschulabsolventen an, nämlich rund 1200. Zudem investiert die Grossbank 2009 trotz Kostendruck gleich viele Mittel in die Talentförderung wie im Jahr zuvor. Der Grund dafür ist einleuchtend, bleiben doch 80 Prozent der jungen Talente auch nach ihrer Ausbildung bei der Bank, wodurch sich das Unternehmen das Wissen dieser Mitarbeiter sichert.

ine Firma, die von der Krise nicht so stark betroffen ist wie andere Branchen und Unternehmen, ist die Sonova Holding AG, ehemals Phonak, in Stäfa. «Dies liegt zum einen daran, dass jedem Kaufentscheid unserer Kunden ein sehr langer Entscheidungsprozess voranging. Sie denken und handeln also langfristig», betont Reto Parolini, Senior Corporate HRM Manager. Zum anderen habe sich Sonova bereits Mitte 2008 mit dem verlangsamten Wirtschaftswachstum befasst und entsprechende Massnahmen getroffen.

Da beim Hörsystemhersteller die Personalentwicklung und das Performance Management eng verknüpft sind und das eine langfristig nicht ohne das andere funktioniert, wird das Weiterbildungsbudget unverändert weitergeführt. «Wir sind der Überzeugung, dass Einsparungen im Bereich Personalentwicklung eine bremsende Wirkung auf die erfolgreiche Weiterentwicklung und somit auf die Leistungsfähigkeit unseres Unternehmens hätte.» Das weltweit tätige Hightechunternehmen ist sich der Bedeutung der Weiterbildungsangebote also bewusst – nicht zuletzt, um im internationalen Wettbewerb weiterhin eine Spitzenposition einzunehmen. Und es spricht sich klar für eine unveränderte zukunftsgerichtete Weiterbildungsstrategie aus. Das Angebot von internen wie auch externen Ausbildungen ist gleich gross wie vor der Krise. Die veränderte Marktlage mit entsprechenden Auswirkungen auf das Arbeitsumfeld bringt es jedoch mit sich, dass inhaltliche Schwerpunkte entsprechend angepasst werden.

Nähe zum Tätigkeitsbereich des Mitarbeiters gewünscht

Bei Shell Switzerland ist Talentförderung klar definiert. «Da geht es um spezifische Weiterbildung unserer Angestellten im Zusammenhang mit den am Arbeitsplatz benötigten Fähigkeiten», umreisst Beat Graf, HR Manager von Shell Switzerland, die Strategie. Dazu hat Shell mit ihrer Open University ein komplexes Angebot, auf das jeder Mitarbeiter global Zugriff hat. Für alle Trainings meldet sich jeder selbst an. Bei Weiterbildungsangeboten durch Dritte gibt es bis jetzt keine Einschränkung, wenn das Seminar oder Training direkt mit dem Beruf zu tun hat. «Trotzdem haben wir die Kosten um 20 Prozent gesenkt», sagt Beat Graf. Im Klartext heisst das, dass Shell die Gesuche für Kosten zur Weiterbildung strenger evaluiert. Wenn der Mitarbeiter die Ausbildung trotz Absage machen will, hat er alle Kosten selbst zu tragen. Im positiven Fall werden die Kosten zu 100 Prozent übernommen. Alle Trainings wie Finanz, Sales, Marketing, HR, aber auch Anti-Stress-Programme und Ethik (die sind beispielsweise Pflicht) finden vorwiegend in Hamburg und meistens auf Englisch statt. «Talentförderung geht nicht ohne ausgezeichnete Trainings», betont Beat Graf.

Auch bei der SBB, wo das Thema Personalentwicklung generell einen hohen Stellenwert hat, schaut man gerade jetzt kritisch auf die Relevanz und Aktualität der Ausbildungsangebote. «Die Budgets sind zwar gesprochen», sagt Doris Matyassy, Leiterin Personalentwicklung der SBB, «wir schauen allerdings heute noch besser drauf, was strategisch wichtig ist und was es wirklich braucht.»

Das heisst: Auf alles, was nur «nice to have» ist, wird derzeit verzichtet. Beispielsweise auf ein Folgeseminar zu einem Basisseminar, das noch warten kann. Es könnte aber auch ein MBA sein, der für das Unternehmen im Moment nicht das Dringendste ist, weil es sich um einen Weiterbildungswunsch handelt, hinter dem oft ein persönliches Karriereziel steht. Externe Weiterbildung wurde bisher stark unterstützt, und das soll auch weiterhin so bleiben. Jeder Wunsch wird aber sehr kritisch hinterfragt, und je näher die Weiterbildung sich am Bereich des Mitarbeitenden orientiert, desto eher wird sie von der SBB unterstützt. Wenn der unternehmerische Bedarf entsprechend gross ist, wird mit dem Antragsteller eine individuelle Vereinbarung getroffen. Was allerdings noch immer oberste Priorität geniesst, ist und bleibt die sicherheitsrelevante Aus- und Weiterbildung. «Hier werden die Ressourcen noch gezielter eingesetzt», sagt Doris 
Matyassy.

Führungsausbildung wird immer wichtiger

In vielen Unternehmen, so auch bei Sonova, wird der Führungsausbildung eine noch stärkere Bedeutung beigemessen als bisher. Dies, weil der Anspruch an eine Führungskraft gerade in der Krise deutlich höher wird. Um mit oft knappen Ressourcen kritische Entscheide zu fällen, ohne dabei die Werte zu vernachlässigen, sind herausragende Persönlichkeiten gefragt, die scharf denken und mutig vorangehen, um anderen Personen den Weg zu weisen, unterstreicht Personalentwickler Reto Parolini. Neben Persönlichkeitsbildung und Kommunikation gewinnt die Differenzierung zwischen Management und Leadership mehr an Bedeutung und verstärkt den Fokus in der Führungsausbildung. Ähnliche Forderungen an ihre Manager stellt auch Shell Switzerland. So bietet das Unternehmen neu Frontline-Trainings für alle Führungskräfte an. Zudem ist für diese der Besuch aller Führungskräfte-Trainings Pflicht.

Die Aussagen der Ausbildungsverantwortlichen, dass in der qualitativen Aus- und Weiterbildung kaum Abstriche gemacht werden, decken sich mit den Aussagen von Weiterbildungsinstituten, die bisher nur geringe Rückgänge bei den Anmeldungen spüren.

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