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Wer braucht heute noch Jobbörsen?

Stellenplattformen sind ein wichtiger Kanal für Arbeitgeber. Zumindest heute noch. Denn die Jobsuche revolutioniert sich und bringt Alternativen mit sich. Eine positive Entwicklung, bedenkt man den heutigen Preis einer Jobanzeige.

Wer braucht heute noch Jobbörsen? Die Antwort lautet: sozusagen alle. Gemäss Trend Report 2014 werden Stellen heute am häufigsten über Jobbörsen oder Karrierewebseiten gefunden. Umso einschneidender ist die neue Preispolitik des De-facto Monopolisten Job Cloud in der Schweiz. In unserem Land existieren über 100 verschiedene Jobbörsen. Darunter befinden sich solche, die den ganzen Markt abdecken und lediglich Vakanzen publizieren, für die ein Unternehmen bezahlt. Präsent sind ebenfalls mehrere Nischen-Jobbörsen, welche auf schwierige Arbeitsteilmärkte fokussieren, zum Beispiel die IT- oder die Gesundheitsbranche.

Unter Job Cloud AG haben die beiden Verlagsriesen Tamedia und Ringier ihre Jobvermittlungsplattformen vereint, unter anderem die zwei grössten – jobs.ch und jobup.ch. Seine Konkurrenten liess das Unternehmen schon 2006 weit hinter sich. Von seiner heutigen Stellung macht der Monopolist nun Gebrauch: Dras­tische Preiserhöhungen in der West- wie auch der Deutschschweiz waren die Folge. Das schlägt sich in der Geschäftsbilanz der Personaldienstleister nieder und sorgt für Unmut. Wer eine langfristige Strategie verfolgt, ist sich jedoch bewusst: Der Stellenmarkt befindet sich im Umbruch. Ein neues Verhaltensmuster der Jobsuchenden zeichnet sich ab und fordert Anpassungen in der Bewerberfindung. Stellenausschreibungen via Social Media sind heute nach Jobbörsen, Karriereseiten und Printanzeigen am beliebtesten(1). Das bedeutet: Alternativen zur klassischen Stellenausschreibung sind im Vormarsch.

Arbeitnehmer lassen sich heute finden

Vorbei sind die Zeiten, in denen wir aus einer Flut an arbeit­suchenden Fachkräften auswählen konnten. Gesucht sind nicht nur High Potentials, sondern auch Fachkräfte vom Bauingenieur über die Pflegefachfrau bis zum Koch. Unternehmen müssen einen höheren Aufwand betreiben, um ihre Stellen zu besetzen. Schon heute geht dies in den meisten Fällen über die klassische Schaltung einer Stellenanzeige. Das bestätigt Michael Agoras, CEO von Adecco Schweiz: «Die Jobangebote sind da, aber die Kandidaten nicht. Die Kandidaten lassen sich heute vermehrt finden. Das bedingt ein Umdenken – gerade in Bezug auf Jobbörsen.» Eine erste Reaktion auf diese Verhaltensänderung sind CV-Datenbanken, auf welchen sich aktive Jobsuchende via hochgeladenes CV zur Wahl stellen. Während sich CV-Datenbanken in der Westschweiz einer wachsenden Beliebtheit erfreuen, ist deren Bedeutung in der Deutschschweiz relativ gering.1 Um Talente zu gewinnen, die nicht aktiv auf Jobsuche sind, braucht es andere Wege.

Personaldienstleister – die neuen Sourcer?

Im ersten Quartal 2014 gab es durchschnittlich 120 513 Vakanzen. Gegenüber dem Vorquartal entspricht dies einer ­Zunahme von 5,1 Prozent(2). Active Sourcing, das aktive ­Zu­gehen auf einen Wunschkandidaten, ist deshalb in aller Munde. Personaldienstleister, insbesondere Headhunter, praktizieren Active Sourcing schon seit Jahren online wie offline. Dank der Möglichkeiten des Social Web wurde Active Sourcing auch für HR-Abteilungen alltagstauglich. Wer dabei erfolgreich sein will, benötigt genauso viel Verkaufstalent wie Fingerspitzengefühl. Hinzu kommt, dass Active Sourcing trotz der Hilfe von Social Media ressourcenfressend ist und Ausdauer benötigt. Die Meinungen gehen deshalb auseinander, ob Recruiter Active Sourcing betreiben sollten oder nicht. Viel eher eignet sich der Personalberater als Sourcer. Er kann sich voll auf die Kandidatenfindung konzentrieren und mit seinem Verkaufsflair Stellen gut an den Mann oder die Frau bringen. Durch die sich ständig vervielfältigenden Aufgaben sind HR-Abteilungen immer stärker gefordert. Als externer Partner oder allenfalls hauseigner Sourcer entlastet der Personaldienstleister HR-Teams optimal.

So wichtig wie noch nie: Zugang zu einem Talentpool

Social Media Recruiting ist heute ein fester Bestandteil der ­Rekrutierungsstrategie von Personaldienstleistern. Die neue Kelly-Services-Studie von 2013 belegt, dass global 16 Prozent der Befragten im letzten Jahr über Social Media einen Job gefunden haben(3). Die Adecco-Studie von 2014 bestätigt, dass von den befragten Recruitern sieben von zehn Social Media in der täglichen Arbeit verwenden(4). Hauptziel des Rekrutierens sollte jedoch nicht immer das schnelle Besetzen einer Stelle sein, sondern vielmehr der Aufbau eines hochwertigen Talentpools. Denn wer sich heute nicht für einen Job interessiert, interessiert sich vielleicht morgen dafür.

Adrian Diethelm von Express Personal hat diesen Trend erkannt: «Das klassische Stelleninserat wird verschwinden. Ich bin überzeugt, dass wir in Zukunft vielmehr mit einem dynamischen Rekrutierungsprozess konfrontiert sind. Einer Community, in welcher sich Recruiter, Personaldienstleister, aktiv Suchende und passiv Suchende austauschen und vernetzen. Ein professioneller ­Service erlaubt es uns, auf Augenhöhe mit den Kundenunternehmen zu geschäften.» Unter dem Begriff «Talent Relationship Management» versuchen Grossunternehmen selbst einen Talentpool aufzubauen und mittels Talent Scouts externe Vermittlungskos­ten zu reduzieren. Eine Massnahme, die sich nur Grossunternehmen leisten können. Es ist Aufgabe der Personaldienstleister, für alle anderen den Zugang zu einem hochwertigen Talentpool zu gewährleisten.

Google ist die grösste Jobbörse

Sind Sie sich bewusst, dass 50 Prozent der Arbeitsuchenden den gewünschten Job zuerst googeln?1 Sie gehen nicht direkt auf eine Jobbörse oder eine Karrierewebseite. Erst in einem zweiten Schritt gelangen sie auf diese und zwar aufgrund der Suchergebnisse von Google. Benut­zer­freund­liche und suchmaschinenoptimierte Seiten werden dem Nutzer in den Google-Suchergebnissen zuerst angezeigt. Ebenso Seiten und Inhalte, die beliebt sind und somit einen grösseren Nutzen für den Besucher bieten. Google ist eine riesige Jobbörse! Jobbörsen, deren einziger Mehrwert darin besteht, Stellen anzuzeigen, werden deshalb in Zukunft verschwinden. Webseiten, die bestehen wollen, müssen auffindbar sein und einen echten Mehrwert bieten. Ein aktuelles Beispiel ist Whatchado: Mit authentischen Video-Jobprofilen und einer Matching-Lösung für den Besucher bietet die Seite eine kostenlose Berufsberatung und wirbt gleichzeitig für Arbeit­geber.

Jobspidering – Weshalb für ­Stellenanzeigen bezahlen?

Nicht nur Google ändert unsere Art, nach Jobs zu suchen, sondern auch semantische Mat­-ching-Lösungen. In der Deutschschweiz hat die Job­spidering-Lösung von x28 die Stellenausschreibungen im Jobroom Treffpunkt Arbeit der Re­gionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) revolutioniert. Wurden früher Vakanzen manuell von Personaldienstleistern aufgeschaltet, so werden die Stellen heute von allen Webseiten  und Jobbörsen gespidert. Das bietet dem Arbeitnehmer eine Vereinfachung des Suchprozesses: Alle vorhandenen Stellen werden an einem Ort angezeigt. Das bedingt ein Umdenken der eigenen Prozesse. Die gleiche Spidertechnologie bietet die Jobsuchmaschine Jobagent.ch. Auf einen Blick erhält der Jobsuchende dort die rund 125 000 offenen Stellen der Schweiz angezeigt. Dank einer Doublettenkontrolle wird von mehrfach ausgeschriebenen Anzeigen nur das Original publiziert.

Profil-Suchmaschinen sind kurz vor dem Durchbruch

Dank des Internets haben wir eine Flut an Daten, welche analysiert und verwertet werden kann. Denn der Nutzer hinterlässt Spuren im Netz: ­Profildaten auf Social Media, Suchbegriffe auf Google, E-Mails, Whatsapp-Nachrichten, Kreditkartenabrechnungen etc. Wie viele Daten über uns in der Online-Welt herumschwirren, ist uns häufig nicht bewusst. Anhand von Algorithmen ist es heute schon möglich, diese Daten zu ver­arbeiten. Sogenannte Profil-Suchmaschinen könnten Ihnen mithilfe von Algorithmen Kandidaten für die zu besetzende Stelle vorschlagen. Deren Profile würden aus publizierten Daten erstellt, egal ob die Person aktiv auf Jobsuche ist oder nicht. Somit würde der Zugang zu einem umfangreichen Kandidatenpool geöffnet.

Echte Wertschätzung entscheidet – online wie offline

Ersetzen diese Matching-Technologien den Personalberater? Susanne Kuntner, Geschäftsführerin der Mein Job Zürich GmbH ist überzeugt: «In einer Welt, die zunehmend von Tempo und vir­tuellen Netzwerken geprägt wird, gewinnen persönliche Beziehung und langfristiges Vertrauen weiter an Bedeutung. Zu spüren, wo das Gegenüber mit seinen individuellen Bedürfnissen und Fähigkeiten steht, und proaktiv darauf reagieren zu können, macht in Zukunft den Unterschied aus.»

Die neuesten Technologien helfen dabei, Vakanzen sozusagen kostenlos auszuschreiben entweder via Social Media oder dank Jobspi­dering. Kandidaten können praktisch ohne menschliche Hilfe einem gesuchten Profil zugeordnet werden. Doch schliesslich muss der Kandidat motiviert werden. Echte Wertschätzung an seiner Person und seinen Fähigkeiten können Maschinen nicht übermitteln und auswerten. Marcel Keller, CEO von Kelly Services, bringt es auf den Punkt: «Wir müssen weiterhin auf Menschen zugehen können. Den persönlichen Dialog sowie die emotionale Intelligenz übernimmt die Technologie nicht. Deshalb bin ich überzeugt, dass die Zukunft der Personaldienstleistung offline endet.»

  • 1 Prospective Media Services AG. 6. Trend Report. Online Recruiting Schweiz 2014.
  • 2 Handelszeitung. Schweiz: Zahl der offenen Stellen steigt. Online-Ausgabe 27.03.14.
  • 3 Kelly Global Workforce Index (November 2013). Social Media and Technology.
  • 4 Adecco Global Study (2014). Social Recruiting.
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Julia Bryner ist Leiterin Operations & Mitgliederservices bei swissstaffing.

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