Heft 6/2015: Change Management

Aktive Vaterschaft als Karriere-Turbo für arbeitende Mütter?

Die Schweizer Wirtschaft ist je länger je mehr auf eine bessere Arbeitsmarktintegration von 
Frauen angewiesen und damit auch auf eine Umverteilung von Haus- und Betreuungsarbeit. 
Diese wird heute nämlich noch immer zum grössten Teil von Frauen übernommen. Welches Potenzial haben familienfreundliche Massnahmen für Väter, um hier einen Wandel zu bewirken?

Eine engagierte Vaterschaft liegt im Trend: Der «neue Mann» möchte nicht nur weniger arbeiten, sondern sich auch vermehrt für Kinder und Familie engagieren – und damit auch die Partnerin von Familienaufgaben entlasten. Dennoch wurde noch im Jahr 2013 in Schweizer Familien mit Kindern unter 15 Jahren nur etwa ein Drittel der Haus- und Familienarbeit von Männern übernommen(1). Die Ursachen dafür sind allerdings nicht nur bei den Männern zu suchen – vielmehr kommt hier auch den Betrieben eine grosse Verantwortung zu. Die Förderung familienfreundlicher Angebote für Väter, wie Teilzeitarbeit oder flexible Arbeitszeitmodelle, könnte eine gleichmässigere Aufteilung der Erwerbs-, Haus- und Betreuungsarbeit begünstigen. Doch wo liegen die Chancen und Herausforderungen solcher familienfreundlicher Massnahmen? Eine aktuelle Befragung von 1777 Mitarbeitenden aus sieben familienfreundlichen privaten und öffentlichen Organisationen der Schweiz(2) liefert erste Antworten.

Massnahmen lohnen sich

Die Ergebnisse der im Jahr 2014 durchgeführten Onlinebefragung zeigen eindrücklich, dass Väter eine aktive Vaterschaft anstreben. 63,9  Prozent wünschen sich mehr Zeit mit ihren Kindern und vier von fünf davon wären bereit, dafür eine Pensenreduktion von durchschnittlich 30  Prozent in Kauf zu nehmen. Die Rollen des Vaters als Vertrauensperson, Erzieher und Spielkamerad werden von fast allen befragten Männern heutzutage als wichtig erachtet. Zudem zeigt sich, dass jüngere Männer über egalitärere Vorstellungen hinsichtlich der Aufgabenteilung in der Partnerschaft verfügen: Der Aussage «Die Frau soll in erster Linie für den Haushalt und die Kinder da sein, der Mann ist eher für den Beruf und für die finanzielle Versorgung zuständig» stimmen 36  Prozent der Männer unter 35 Jahren zu, während es bei Männern über 54 Jahren immerhin noch 43,1 Prozent der Befragten sind.

Bis zu 89 Prozent der Väter nutzen familienfreundliche Angebote, um mehr Zeit mit ihrer Familie zu verbringen oder weil sie denken, dass es dem Kind zugutekommt, wenn sich beide Eltern gleich stark in die Erziehung einbringen.

Ein positiver Effekt familienfreundlicher Massnahmen zeigt sich zudem in der Reduktion des sogenannten «Work-to-Family-Conflicts», also bei der Beurteilung von Konflikten, die aus der Unvereinbarkeit zwischen beruflichen Anforderungen und dem Privat- und Familienleben entstehen. Diese Einschätzung fällt bei Vätern insbesondere dann günstig aus, wenn sie auch die jeweilige Vereinbarkeitspolitik sowie die Arbeitszeitflexibilität positiv bewerten und wenn sie sich vom Vorgesetzten bei der Vereinbarung von Beruf und Familie unterstützt fühlen. Ein geringer Work-to-Family-Conflict wiederum generiert, wie unsere Daten zeigen, einen erheblichen Nutzen sowohl für  Väter selbst als auch für deren Arbeitgeber. Wie in Grafik 1 dargestellt, äussern Väter mit niedrigem Work-to-Family-Conflict  ein höheres Mass an Wohlbefinden und zeigen sich zufriedener mit ihrer Arbeit und ihrer beruflichen Laufbahn. Zudem werden sowohl die persönliche Arbeitsleistung als auch das Commitment gegenüber dem Arbeitgeber signifikant höher eingeschätzt.

Massnahmen fordern aber auch heraus

Trotz aller Vorteile familienfreundlicher Massnahmen und dem Wunsch vieler Männer, sich als fürsorgliche Väter zu engagieren (vgl. Pro Familia 2011), werden die meisten Angebote zur Unterstützung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie von Männern noch unterdurchschnittlich genutzt. Ganz besonders trifft dies auf Teilzeitpensen zu: Während 2014 fast 60  Prozent der Frauen ein Arbeitspensum von unter 90 Prozent auswiesen, waren es bei Männern fast viermal weniger (15,9 %)(3).

Zweifelsohne kann ein grosser Teil dieser ungleichen Verteilung von Erwerbsarbeit mit finanziellen Argumenten erklärt werden: 2012 verdienten Männer im privaten Sektor 1032 Franken im Monat mehr als Frauen (davon sind einer Studie der Universität Freiburg zufolge 62,4 Prozent objektiven Merkmalen des Arbeitsplatzes geschuldet, 37,6 Prozent gehen aber zulasten der Lohndiskriminierung)(4). Das heisst, in vielen Fällen müssen Familien mit einem geringeren Haushaltseinkommen rechnen, sollte der Partner sein Arbeitspensum zugunsten der Erwerbstätigkeit der Partnerin reduzieren. So überrascht es auch nicht, dass 88,6 Prozent der hier befragten Väter finanzielle Gründe angeben, wenn sie ihr Pensum nicht reduzieren wollen, selbst wenn sie sich mehr Zeit für ihre Kinder wünschen.

Die Resultate der aktuellen Studie weisen darüber hinaus auf diverse kulturelle Hindernisse hin, die sich Männern bei ihrem Bestreben nach einer aktiveren Vaterschaft in den Weg stellen. So befürchtet beispielsweise fast die Hälfte der Befragten, durch eine Pensenreduktion die Karriere zu gefährden, und 36,6  Prozent äussern die Sorge, dass sich eine Pensenreduktion negativ auf die Arbeitskolleginnen und -kollegen auswirken könnte. Auffallend ist, dass fast 30 Prozent der Väter zudem nicht glauben, dass sie die Aufgabe einer intensiveren Betreuungsarbeit gut erfüllen könnten. Hier deutet sich an, dass Müttern bis heute eine Schlüsselrolle bei der Beteiligung von Vätern an Erziehungsaufgaben zukommt.

Auch in der Qualität und Ausrichtung der familienfreundlichen Massnahmen werden kulturelle Benachteiligungen für Väter mit Wunsch nach einer aktiveren Vaterschaft deutlich (vgl. Grafik 2):

  • 
Sowohl die Angebote an sich als auch deren Kommunikation in den Betrieben werden von Vätern deutlich schlechter eingeschätzt als von Müttern.
  • 
Fast 50 Prozent der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen sind der Meinung, dass Männer auf deutlich mehr Vorbehalte treffen als Frauen, wenn diese familienfreundliche Angebote in Anspruch nehmen.
  • 
Und schliesslich erfahren Väter auch weniger  Verständnis bei Vereinbarkeitsproblemen und fühlen sich diesbezüglich weniger durch Vorgesetzte unterstützt.

Familienfreundlichkeit hat Potenzial

Männer – insbesondere die der jüngeren Generation – äussern heute auch in der Schweiz vermehrt egalitäre Rollenvorstellungen und den Wunsch, eine aktivere Rolle als Vater einzunehmen. Ausserdem erweisen sich familienfreundliche Massnahmen nicht nur für die Väter selbst, sondern auch für deren Arbeitgeber als nützlich und damit wohl in vielen Fällen auch rentabel.

Ob und wie stark Vereinbarkeitsangebote von Vätern genutzt werden, scheint jedoch insbesondere davon abhängig zu sein, inwiefern Arbeitgeber und Politik es verstehen, noch bestehende Hürden abzubauen. Einerseits gilt es, die finanziellen Rahmenbedingungen für Familien dahingehend weiterzuentwickeln, dass sie nicht länger traditionelle Rollenverteilungen begünstigen. Dazu gehört beispielsweise der Abbau der Lohndiskriminierung. Aber auch die Einführung von Elternurlaub und Elterngeld(5) können Väter bei einer engagierten Vaterschaft unterstützen und zugleich verhindern, dass sich Mütter zu lange und zu stark aus der Erwerbstätigkeit zurückziehen müssen und sich damit Karrierechancen verbauen.

Andererseits gilt es, in den Betrieben eine Kultur zu fördern, in deren Rahmen Männer, die Beruf und Familie vereinbaren, zur Selbstverständlichkeit werden. Für Arbeitgeber bedeutet dies, dass familienfreundliche Angebote – die bis anhin oft nur für Frauen gedacht sind – auf den Kreis der Väter ausgeweitet werden sollten. Überdies müssen gezielte Massnahmen ergriffen werden, welche die aktuelle Benachteiligung von engagierten Vätern in der Arbeitswelt bekämpfen. Den Ergebnissen der vorliegenden Studie folgend, sind hier nicht nur Anstrengungen gefragt, welche die Vereinbarkeitsangebote spezifisch für Männer attraktiver machen und besser informieren, sondern auch generell die Sensibilisierung für das Thema bei Mitarbeitenden und Vorgesetzten einschliessen. Aktuell ist bereits ein Trend zu mehr Teilzeitpensen bei Männern zu erkennen. Betriebliche Bemühungen, die Väter darin unterstützen, die andere Hälfte ihres Lebens vermehrt ihren Kindern zu widmen, könnten also auf fruchtbaren Boden fallen.

Literatur

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Christian Kron, Psychologe, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Koope
rationsforschung 
und -entwicklung 
der Hochschule 
für Angewandte Psychologie, FHNW.

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Prof. Dr. Brigitte Liebig ist Professorin an der Hochschule für Angewandte Psychologie, Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW).

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