Retention Management

Ausnahmezustand Mitarbeiteranlass – der CEO schwitzt auf dem Laufband

Für einmal kein Arbeitsalltag: Mitarbeiterevents ermöglichen den Angestellten in lockerer Atmosphäre neue Begegnungen und Erlebnisse. Im Idealfall stärkt das die Bindung zur Firma. Der Schuss kann aber auch nach hinten losgehen. Etwa dann, wenn der Anlass zu protzig ausfällt, wenn geknausert wird oder die Sicherheitsvorkehrungen ungenügend sind.

Mitarbeiteranlässe müssen nicht pompös sein. Ein bisschen Kreativität reicht schon, damit sie in Erinnerung bleiben. Ein Beispiel? Für ein Firmenjubiläum organisierte die Eventagentur Angelini ein Laufband. Denn nicht selten werden an Anlässen Reden geschwungen, die dann ausufern. Also stellte der Moderator die Redner auf das Laufband. Das war ein überraschender visueller Effekt für die Mitarbeiter, und die Ansprachen blieben kurz – den  ganz Sportlichen wurde nach fünf Minuten als Rede-Stopp-Signal der Strom abgestellt. Der Agenturinhaber Manuel Angelini: «Die Redner waren belustigt, und da sie die Laufbandgeschwindigkeit individuell einstellen konnten, entwickelte sich ein kleiner Wettbewerb, den jeweiligen Redevorgänger im Tempo zu überbieten – was der Moderator natürlich fürs Publikum kommentierte.»

Ohne geht nicht: Verpflegung, 
Wärme und Schatten

Schön, wenn ein Mitarbeiterevent bei den Angestellten in guter Erinnerung bleibt. Doch trägt dies bereits zur Mitarbeiterbindung bei? Die Antwort ist: jein. Wer nicht zufrieden ist mit seinem Job oder seinem Vorgesetzten, 
vielleicht gar innerlich gekündigt hat, den stimmt auch der ultimative Event nicht um. Für jene hingegen, die sich in ihrer Firma wohlfühlen, kann ein guter Anlass die Bindung verstärken oder zumindest stabilisieren: «Für diese Mitarbeiter kann eine gute Veranstaltung Sinn und Identität stiften», sagt Christoph Eckert, Leiter Personalberatung bei der Raiffeisen Schweiz. «Und das 
bedeutet Orientierung und letztlich auch 
Sicherheit.»

Was Anlässe des Unternehmens bei den Mitarbeitern auslösen, zeigt sich jeweils im Raiffeisen-Internetforum, wo auch anonyme Beiträge verfasst werden können. Nach einem Event halten sich dort die positiven und negativen Voten etwa die Waage. «Es gibt immer kritische und jammernde Stimmen», so Eckert, «den einen war das Essen nicht heiss genug, den anderen die Musik zu laut. Doch wenn man jeweils am Anlass selbst in die vielen lachenden Gesichter schaut, kann es so schlecht nicht sein.»

Für einen gelungenen Mitarbeiteranlass müssen in Christoph Eckerts Augen zwei Dinge stimmen: Man soll sich erstens durch den Austausch und die Gespräche, durch Witze und Lachen getragen fühlen. Zweitens müssen beim Rahmenprogramm drei Punkte erfüllt sein: Es braucht genug zu essen, zu trinken, und es muss, je nach Jahreszeit, genug warm oder genug schattig sein.

Das grosse Personalfest alle drei Jahre für sämtliche 1800 Angestellten und auch die 
Departements- und Bereichsanlässe bestehen jeweils aus einem Essen mit einem Rahmenprogramm, seien dies unterhaltende Darbietungen oder etwas mehr Sportliches wie eine Schnitzeljagd oder Wandern. Daneben gibt es vereinzelt Teamevents sowie den Sport- und Freizeitclub (siehe Kasten).

Ob «Märchen» oder «1001 Nacht»: Volle Verkleidung für die Mottoparty

Bei The Boston Consulting Group (BCG) gibt es zwei grössere Mitarbeiterevents pro Jahr. Eine Weihnachtsfeier und einen zweitägigen Ausflug, der abwechslungsweise ins nahe Ausland oder an eine Schweizer Destination führt (in eine Burg, auf einen Berg etc.). Zusätzlich finden kleinere Events  – ein Abendessen oder ein Ausflug – zum Beispiel nach Projektabschlüssen statt, und es gibt Familienanlässe wie ein Sommerbarbecue oder der Samichlausbesuch.

Der zweitägige Ausflug besteht aus zwei Teilen. Zur Teambildung tragen sozial ausgerichtete, leicht kompetitive Aufgaben bei, etwa ein Stationenlauf für Teams, eine Konstruktionsaufgabe oder Fischefangen. Im zweiten Teil kann man auswählen aus mehreren Möglichkeiten: sportliche Aktivitäten, Kultur und Entspannung (zum Beispiel ein Spa-Besuch). Auch gibt es immer eine Party mit Motto, wie Märchen, König/Königin, Cowboys und Indianer oder 1001 Nacht. «Da kommen alle immer in voller Verkleidung», sagt Thomas Achhorner, Partner und Managing Director.

Interne Umfragen zeigen, dass diese Events für die BCG-Mitarbeitenden wichtig sind:  «Unsere Leute arbeiten viel, sind oft unterwegs, sehen ihre Kollegen selten», sagt Achhorner. «Dank den Events lernt man sich viel besser kennen, hat Spass miteinander, und das führt zu einer familiären Atmosphäre und einem stärkeren Zusammenhalt.» Zudem würden es die Angestellten sehr schätzen, am Weihnachtsfest den Partner oder die Partnerin mitnehmen zu dürfen.

Auch ein wichtiger «Firmenevent»: Das Freitagabendbier

Welche Erfahrungen machen Eventveranstalter bezüglich Mitarbeiterbindung? «Ein Event hat gegenüber anderen Mitarbeiterbindungsmassnahmen den Vorteil, dass er starke Emotionen wecken kann», sagt Manuel Angelini. Über spezielle Veranstaltungen wird noch jahrelang geredet. Schade sei daher, dass manche Unternehmen lieber Kunden- statt Mitarbeiteranlässe durchführen würden.

Auch für Till Klammer, Geschäftsführer der Firma Teamevents, die Mitarbeiteranlässe organisiert und auch selbst durchführt, muss der Anlass erinnernswert sein. Er soll einen Wert haben, aber nicht unbedingt einen 
monetären: «Die Leute einfach drei Tage nach Mallorca einzuladen, damit ist es nicht getan.» Der beste «Event» sei für ihn immer noch das Feierabendbier am Donnerstag- oder Freitagabend, weil man dort viel hört, was einem sonst nicht erzählt wird. «Bei uns erhalten die Firmen dasselbe, einfach noch ein bisschen schöner und edler, zum Beispiel mit dem Programm ‹Sommernachtstraum›», so Klammer. Wichtig sei, dass die Veranstaltung gut vorbereitet werde, dass also zum Beispiel überlegt wird, wie die Teams  für eine Aufgabe sinnvoll zusammengestellt werden – und dass die Vorgesetzten beim Event selbst aufnahmefähig für die Zwischentöne seien.

Wenn der Mitarbeiteranlass für die Sparrunde entschädigen soll

Ein Event kann auch kontraproduktiv sein: wenn das Programm nicht an alle adressiert ist und allenfalls extreme Elemente enthält; wenn der Anlass zu protzig daherkommt oder wenn geknausert wird; wenn Erwartungen geweckt werden, die schliesslich nicht erfüllt werden können; wenn der Sicherheitsaspekt nicht genügend berücksichtigt wird und im Extremfall ein Unfall passiert; wenn es zu Alkoholexzessen und Anbandelungen kommt. Obwohl ein guter Anlass Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitenden ausdrücken sollte, kann die Stimmung auch kippen. Manuel Angelini: «Spart eine Firma extrem, und versucht, mit einem teuren Anlass die Mitarbeiter für die Nullrunde bei den Löhnen zu entschädigen oder eine negative Stimmung aufgrund von Führungsproblemen zu übertönen, dann kommt das ganz schlecht an. Zentral ist, dass ein Event immer authentisch ist und zum Unternehmen und der aktuellen Situation passt.»

Womit sich die Frage nach den Zahlen stellt: Laut Angelini wird bei Mitarbeiteranlässen meist zwischen 100 und 600 Franken pro Person ausgegeben. «1000 Franken pro Person sind eine Seltenheit. Bei Kundenanlässen wird dieser Betrag eher bezahlt.»

Sport und Spass im firmeneigenen Freizeitclub

Der Sport- und Freizeitclub der Raiffeisen Schweiz (RSFC) wird von der Bank vor allem finanziell unterstützt, das Programm stellt der Clubvorstand – Mitarbeitende der Bank – jeweils selbständig zusammen. Sechs bis acht Anlässe werden pro Jahr organisiert, mal sportlich, mal kulturell, mal Kochkurs, Eishockey-Grümpi oder Skiweekend. Alle Angestellten der Raiffeisen-Banken können teilnehmen, die rund 350 Clubmitglieder zu einem verbilligten Tarif. Patricia Pachler, Projektleiterin Sponsoring und Events und bis vor Kurzem im Vorstand des RSFC, hat jeweils sehr gute Reaktionen erhalten: «Der Club bringt viel, auch für den Zusammenhalt untereinander. Diese Möglichkeit wird sehr geschätzt.Sogar von Leuten, die nicht Clubmitglieder sind.»

 

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Franziska Meier ist Redaktorin und Produzentin mit langjähriger Erfahrung im Zeitungs- und Zeitschriftenbereich. Als Chefredaktorin des Magazins «fit im job» sowie als Fachredaktorin der Zeitschrift «HR Today» hat sie sich auf das Thema «Mensch, Arbeit & Gesundheit» spezialisiert. Zu ihren journalistischen Schwerpunkten gehören insbesondere Persönlichkeitsentwicklung, Coaching, Stressprävention und betriebliches Gesundheitsmanagement. Achtsamkeit praktiziert sie manchmal im Schneidersitz, öfter jedoch auf ihren Spaziergängen rund um den Türlersee.

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