Porträt

«carpe M-omentum!»

Hans-Rudolf Castell leitet das HR-Management der grössten Schweizer Arbeitgeberin – der Migros-Gruppe. Den genossenschaftlichen Gedanken lebt er auch abseits des Arbeitslebens, egal ob als Zunftmeister, Bergsteiger oder Bandgitarrist.

Mit rund 95 000 Mitarbeitenden ist die Migros der grösste Arbeitgeber der Schweiz. Koordiniert wird der Konzern aus den Teppichetagen hoch über dem Zürcher Limmatplatz. Hier oben, im 13. Stockwerk, befindet sich auch der Arbeitsplatz von Hans-Rudolf Castell. Seit 2005 leitet er das HR-Management des Migros Genossenschaftsbundes mit einem Team von rund 30 Mitarbeitenden. Insgesamt zählt der orange Riese ungefähr 800 Personaler. Hans-Rudolf Castell hat es in der Schweizer HR-Szene nach ganz oben geschafft, ohne dabei abgehoben zu sein. Der Spross einer alteingesessenen Schwyzer Weinhändler-Dynastie empfängt seine Gäste herzlich und unkompliziert und schenkt das Migros-eigene Mineralwasser ein, während die Konversation bereits sprudelt.

Die Migros als Abbild der Schweiz

Nicht weniger überschäumend ist auch seine Begeisterung für seinen Arbeitgeber: «Die Migros ist ein Abbild der Schweiz» und fügt an: «Politische, soziale und wirtschaftliche Entwicklungen haben unmittelbaren Einfluss auf unsere tägliche Arbeit.» Das zeige sich aktuell wieder einmal in den laufenden Verhandlungen mit den Sozialpartnern: «Im Detailhandel ist die Lohngerechtigkeit und Lohngleichheit ein omnipräsentes Thema.» Neben den Lohnverhandlungen ist Hans-Rudolf Castell unter anderem auch für das betriebliche Gesundheitsmanagement zuständig – für ihn eine Herzensangelegenheit. Castell gilt denn auch als Vater des Labels «Friendly Work Space» für ausgezeichnetes betriebliches Gesundheitsmanagement, das von der Gesundheitsförderung Schweiz verliehen wird. «Genau hier an diesem Tisch entstand die Idee dazu», bemerkt er sichtlich stolz. Weitere gewichtige Dossiers wie die Koordination der Sozialversicherungen, der elektronischen HR-Systeme, der Aus- und Weiterbildung der Kader sowie der Berufsbildung fallen in seinen Verantwortungsbereich. Mit rund 3500 Lernenden ist die Migros-Gruppe der grösste Ausbildungsbetrieb der Schweiz. 

Ins HR ist der studierte Jurist und Anwalt nach und nach hineingewachsen. In seinem ersten Job als Generalsekretär der Elvia Reiseversicherungen kam er zum ersten Mal mit der Thematik in Berührung, als er Ende der 1980er-Jahre das «Management by Objectives» einführte, «eine damals bahnbrechende Führungsmethode», erinnert sich Castell mit süffisantem Lächeln. Bevor er 2005 zur Migros wechselte, trug er während fünf Jahren als Geschäftsleitungsmitglied der Concordia Versicherung unter anderem die Verantwortung für das HR.

Zur Person

Hans-Rudolf Castell (58) ist Leiter Human Resources Management der Migros-Gruppe. Castell hat Rechtswissenschaften studiert und verfügt über langjährige Erfahrung in HR und Management. Er war in leitenden Funktionen bei der Elvia Reiseversicherung und den Öffentlichen Krankenkassen ÖKK tätig. Bevor er zur Migros wechselte, war er Mitglied der Geschäftsleitung der Concordia Krankenversicherungen. Hans-Rudolf Castell ist verheiratet mit einer Anwältin und wohnt in Zug.

Am 10. Ostschweizer Personaltag wird Hans-Rudolf ­Castell an einer Podiumsdiskussion zum Tagungsthema «Das innere Feuer (neu) entfachen» teilnehmen.
Donnerstag, 26. Juni 2014, 13.30 Uhr, Fürstenlandsaal, Gossau SG, www.personaltag.ch

Generalist mit Bauch- und Rhythmusgefühl

Hans-Rudolf Castell beschreibt sich selber als «Generalist, der gerne konzeptionell arbeitet und leidlich motivieren kann», sieht sich mehr als «Trainer» seiner Untergebenen und nicht als Diktator. Stellt er neue Mitarbeitende ein, entscheide sein Bauchgefühl zu mindestens 50 Prozent mit: «Mir ist es wurst, ob Jurist, Psychologin oder Betriebswirtschafter – es muss einfach passen.»

Auf seinen Bauch hört er auch, wenn es darum geht, seine Batterien wieder aufzuladen: «Ich nehme mir auch im Arbeitsalltag bewusst kurze Auszeiten – nicht nur am Wochenende.» Tageweise könne er das in seiner Funktion natürlich nicht tun, weshalb «carpe diem», das geflügelte Wort des römischen Dichters Horaz, flugs umgewandelt hat zu «carpe momentum», denn Momente könne man jeden Tag geniessen.

In seiner Freizeit scheint ihm dies jedenfalls recht gut zu gelingen. So spielt der begeisterte Hobby-Koch und Musik-Liebhaber Gitarre in einer Band namens «Les Digestifs». Auftritte habe er jedoch bewusst nur im Freundeskreis, «denn an unseren Auftritten sind wir gerne auch Teil der Party».

Verlässliche Partner statt Filz

Auf freundschaftliche Seilschaften kann Hans-Rudolf Castell auch in den Bergen zählen: «Ich habe zwanzig Viertausender bestiegen, immer zusammen mit verlässlichen Seilpartnern.» Hans-Rudolf Castell weiss aber auch genau, wo sein Limit liegt: «Den Mount Everest würde ich jedenfalls nicht besteigen. Das würde mich wahrscheinlich überfordern.»

Von Grenzen, die nicht überschritten werden sollten, hat er jedenfalls auch ein klares Bild, wenn es um Netzwerke geht. Vom allseits kritisierten Wirtschaftsfilz hält Hans-Rudolf ­Castell gar nichts, «dennoch ist es in meiner Funktion wichtig, gut vernetzt zu sein.» So hält er es auch als Zunftmeister der Fischerzunft Zug und als langjähriger Rotarier.

Fragt man Hans-Rudolf Castell nach Zukunftsplänen, gerät der leidenschaftliche Koch ins Schwärmen: «Mein Traum wäre es, eine kleine Beiz zu eröffnen», um gleichzeitig pragmatisch nachzuschieben: «Das würde wohl viel strenger sein, als ich mir das jetzt vorstelle. Mir ist jedenfalls klar, dass ich auch dabei neue Grenzen kennenlernen würde.» So oder so: Sein Motto «carpe momentum» wäre auch auf diesem Weg sein Begleiter.

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