BGM-Special: Massnahmen

Gesundheit 2.0: Der verdatete Mensch

Mit der Digitalisierung entstehen laufend neue digitale Helferlein, die den Menschen dabei unterstützen sollen, sein Gesundheitsverhalten zu überwachen und zu optimieren.  Künftig könnten die so generierten Gesundheitsdaten auch für Diagnose- und Therapiezwecke genutzt werden. Wir haben dazu Karin Frick, Head Research beim Gottlieb Duttweiler Institute (GDI), befragt und drei App-Anbieter genauer unter die Lupe genommen.

Sind die auf dem Markt erhältlichen Health-Apps ernst zu nehmen?

Karin Frick: Die Digitalisierung der Gesundheitsdaten steht erst am Anfang. Viele der derzeit erhältlichen Health-Apps sind tatsächlich als Spielereien zu betrachten, die eine Weile lang unterhaltsam sind, bis die nächste Health-App herauskommt. Damit Verhaltensveränderungen Bestand haben, braucht es aber eine Art Rückmeldeschlaufe, die den Nutzer auf sein aktuelles Gesundheitsverhalten hinweist und ihm damit die Möglichkeit zu einer Verhaltensanpassung gibt: wie bei einer Verkehrskontrolle, wo eine Tafel anzeigt, dass ich zu schnell fahre und ich daraufhin mein Tempo anpassen kann. Dieser Schritt fehlt den meisten heute erhältlichen Health-Apps. Nur weil ich hundert Programme installiert habe, heisst das noch lange nicht, dass ich weiss, was für meine Gesundheit relevant ist, und ich mich auch dementsprechend verhalte.

Wie könnten Health-Apps Verhaltensveränderungen begünstigen?

Sein Verhalten zu ändern, ist unbequem und mit viel Aufwand verbunden. Menschen bevorzugen meist die sofortige Belohnung und zögern Massnahmen hinaus, die erst in ferner Zukunft eine Wirkung zeigen. So verzichtet ein Raucher nicht auf seine Zigarette, weil sich gesundheitliche Veränderungen erst langfristig zeigen, während ein Mensch mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung sein Verhalten sofort ändert und auch eher am Ball bleibt. Zukunftsträchtige Health-Apps müssen die Motivation der Nutzer aufrechterhalten, um die Abbruchsquoten zu minimieren. Solche Apps werden sich regelrecht zu virtuellen Coaches entwickeln, die den Gesundheitszustand des Nutzers laufend überwachen und ihm, wie im Spitzensport üblich, sofortiges Feedback geben. Ein solches System könnte aufgrund eines automatischen Gesundheitschecks gleich nach dem Aufstehen Frühstücksempfehlungen abgeben. Ist die App darüber hinaus mit einer smarten Küche vernetzt, bestellt das System die dafür notwendigen Zutaten sogar selbständig.

Besonders chronisch Kranke könnten von einem solchen System profitieren, denn bei kritischen Verhaltensabweichungen wird ihnen mit einem Ampelsystem aufgezeigt, wie sie ihr Verhalten ändern müssen, um ihre Lebensqualität zu optimieren. Denkbar ist zudem, diese virtuelle Gesundheitswelt auch mit Offline-Dienstleistungen wie einer Sprechstunde zu koppeln, denn gerade Anfänger haben ja viele Fragen.

Welche Rolle spielt der Wettbewerb unter den Nutzern?

Wettbewerbselemente sind Feedbackmechanismen, die Lust machen dranzubleiben: Wer erreicht die höchste Punktzahl? Wer hat am meisten abgenommen? Generell sind Männer  wettbewerbsorientierter als Frauen. Wettbewerbe bringen zudem auch Verlierer hervor: Will ich mich tatsächlich outen und mitteilen, dass ich der langsamste Läufer war? Während sich jene, die sich viel bewegen, in ihrer Coolness bestätigt sehen, geraten andere, die das nicht tun, in die Rolle des Losers. Solche Aspekte sollte man bei der Gestaltung von Wettbewerben unbedingt mitberücksichtigen.

Welche Grenzen gibt es bei der Nutzung solcher Gesundheitsdaten?

Grundsätzlich kann man niemanden dazu zwingen, irgendwelche Health-Apps zu nutzen. Wer sich einen persönlichen Vorteil verspricht, wird jedoch eher bei der Stange bleiben. Das funktioniert aber nur auf freiwilliger Basis und nur, wenn der Nutzer die volle Kontrolle über seine Daten hat. 

Arbeitgeber könnten die Teilnahme auf spielerische Art und Weise  fördern: zum Beispiel mit einer App, mit welcher die Mitarbeitenden ihre Tagesform eingeben. Fühle ich mich gut oder schlecht? Damit liessen sich Stresslevel ausmachen, ohne bei der Datenerhebung gleich allzu intim zu werden. Patentrezepte zur Nutzung von Health-Tools gibt es jedoch nicht. Es gilt zu experimentieren und situationsgerechte Lösungen zu finden.

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Chefredaktorin, HR Today. cp@hrtoday.ch

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