Serie Tatjana Strobel

Körpersprache im Vorstellungsgespräch: Teil 6

Körpersprache-Expertin Tatjana Strobel beschreibt in 10 Teilen exklusiv für hrtoday.ch, was der Körper eines Kandidaten während eines Bewerbungsgesprächs über dessen Befindlichkeit und Charakter verrät. Im sechsten Teil erläutert Tatjana Strobel, welche Mimik und Gesten Indiz für eine Lüge sind.

Diese Woche tauchen wir intensiver in die Lüge ein, die Motivation hinter der Lüge haben wir letzte Woche bereits behandelt. Es gibt drei Bereiche im Gehirn, die für unsere verbale und nonverbale Kommunikation extrem wichtig sind.

Der «neueste» Teil des Gehirns ist der sogenannte Neocortex. Dieser ermöglicht uns in die Zukunft zu schauen, Pläne zu schmieden, in komplexen Zusammenhängen denken zu können und zu lügen. Dieser Bereich des Gehirns befähigt uns, Dinge zu konstruieren und wiederzugeben, die wir in der Realität so gar nicht erlebt haben.

Sobald sich ein Gefühl wie etwa Angst, Wut, Freude, Ekel, Verachtung, Überraschung oder Trauer breit macht, rutschen wir in das sogenannte Limbische System, unser Gefühlssystem. Der Körper zeigt nun auf unterschiedlichen Wegen, wie es uns wirklich geht.  Denn jeder Gedanke, jedes Gefühl ist eine Gehirnaktivität, welche sich sofort in elektrische Impulse verwandelt, die 40-60m pro Sekunde durch unseren Körper geschossen werden. Binnen Millisekunden ist das Gedachte nun körperlich sichtbar.

Werden wir bedroht, so rutschen wir in den ältesten Teil unseres Gehirns, das Stammhirn. Hier gibt es nur drei Reaktionsweisen: Schockstarre (Schutz vor Sichtbarkeit sowie Zeit zum Abwägen der nächsten Schritte), Kampf (sich verbal oder körperlich wehren) oder Flucht (sich so schnell wie möglich körperlich zu entfernen oder verbal herauszureden beziehungsweise zu rechtfertigen).

Der Körper reagiert somit immer auf drei Kanälen. Das Gedachte bzw. die dadurch ausgelöste Reaktion ist immer in drei Bereichen sichtbar:

  • Zuerst in der Mimik, da das Gesicht dem Gehirn am nächsten ist. Das Gedachte wird hier in sogenannten Mikroexpressionen zum Ausdruck gebracht. Das sind kurze Sequenzen, die bis zu einem Fünftel einer Sekunde sichtbar sind. Sie sind deshalb so kurz, weil keiner von uns möchte, dass man uns unsere wahren Gefühle ansieht. Binnen kürzester Zeit wird die echte Emotion mit dem sogenannten sozialen Lächeln kompensiert.
  • Dann bildet sich das Gedachte grossflächig in der Körpersprache ab und verbleibt dort auch wesentlich länger. Wenn ich beispielsweise durch die Ausführungen meines Gegenübers neugierig geworden bin, so werde ich mich mit meinem gesamten Körper annähern und meinen Oberkörper in Richtung meines Gesprächspartners beugen. Bin ich hingegen abgeschreckt oder über das Gesagte irritiert, so werde ich mich körperlich zurückziehen und sowohl Oberkörper als auch Füsse vom anderen wegbewegen. Die Füsse sind übrigens die ehrlichsten Botschafter des Menschen. Sie sind zum einen am weitesten von der Schaltzentrale (Gehirn) entfernt und wurden zum anderen in unserer Vergangenheit am wenigsten manipuliert.
  • An dritter und letzter Stelle reagieren wir auf dem Sprachkanal. Unsere Stimme/Tonalität reagiert sofort auf die gefühlte Emotion. Sprechen wir beispielsweise mit einem geliebten Menschen, so wird unsere Stimme warm, herzlich und weich. Regen wir uns über etwas massiv auf oder sind wütend, so wird die Stimme hart, blechern und laut.

Leider gibt es bislang keine eindeutigen Indizien, die genau auf die Lüge schliessen lassen. Laut Paul Ekman kann ein Lügner, während er lügt, Angst, Schuld oder unterdrückte Freude zeigen. Diesen Indizien gehen wir jetzt einmal auf die Spur!

Hände im Nasenbereich

Die Geschichte von Pinocchio, dessen Nase wächst, wenn er lügt, ist nicht ganz ein Märchen. Tatsächlich verändert sich etwas im Gesicht, wenn jemand nicht die Wahrheit sagt. Das haben Psychologen der Universität Granada in Spanien herausgefunden. Sie nutzten Wärmebildkameras, um den Zusammenhang zwischen verschiedenen Gefühlen und der Körpertemperatur zu erforschen.

Schwindelte einer der Probanden, wurde es rund um seine Nase und im inneren Augenwinkel wärmer. Gleichzeitig beobachteten die Forscher die Aktivität in der Inselrinde (Cortex insularis). Sie nehmen an, dass diese Hirnregion besonders aktiv ist, wenn wir Gefühle empfinden, die wir subjektiv als «echt» bezeichnen würden. Denn: Je aktiver die Inselrinde war – das heisst, je ehrlicher die Person das empfand, was sie sagte – desto weniger veränderte sich die Temperatur der Nase.

Frühere Studien haben ergeben, dass Menschen sich häufig an die Nase fassen, wenn sie schwindeln. Forscher der Universität Illinois analysierten, dass sich Bill Clinton bei seiner Aussage zur Lewinsky-Affäre 26 Mal an die Nase griff und das immer dann, wenn er nicht die Wahrheit sagte. Die Psychiater Alan Hirsch und Charles Wolf berichten, dass der Körper beim Lügen Hormone freisetzt, welche die Nasenschleimhaut anschwellen lassen. Dadurch könne die Nase auch jucken – fast unmerklich, aber ausreichend, damit sich der Lügner häufiger an den Zinken fasst.

Wischbewegungen im Augenbereich

Ausserdem fassen sich emotional berührte Menschen in den Augen- und Nasenbereich. Skeptisch sollten Sie ebenfalls werden, wenn ein Mensch, während er etwas von sich gibt, im Augenraum etwas wegzustreichen versucht. Er streicht das Gesagte tatsächlich weg.

Blinzelfrequenz

Normalerweise blinzelt ein Mensch alle 6-7 Sekunden, also ca. 10-12 Mal pro Minute. Dieses Blinzeln hält unsere Hornhaut feucht. Erhöht sich diese Frequenz ohne erkennbaren Grund, so könnte dies auch auf Unruhe, Unsicherheit und eine Lüge hindeuten.

Geschürzte Lippen

Sobald ein Mensch im Gespräch die Lippen zusammenpresst, sie schürzt oder darauf herumbeisst, ist dies ein weiterer Hinweis auf Unwohlsein, Lüge, im Sinn von: «Ich sage jetzt nix mehr!» Bei Angst stellt der Körper zudem den Speichelfluss ab, was trockene Schluck- und Lippenbefeuchtungsaktionen zur Folge hat.

Hand vor dem Mund

Gerade bei Kindern ein starkes Indiz dafür, dass sie das Gesagte am liebsten wieder zurückholen würden oder das Gesagte durch den Einfluss der Hand nicht richtig verstanden wird.

Starke Asymmetrien im Gesicht

Auf jeder Gesichtshälfte agieren 26 Muskeln. Macht sich ein echtes Gefühl breit, so agieren diese Hand in Hand und beide Gesichtsflächen zeigen die jeweilige Emotion. Wird ein Gefühl gefaked, also vorgegeben, so kann es zu Entgleisungen kommen.

Soziales Lächeln

Wird immer aufgesetzt, wenn wir etwas überspielen möchten, unsere wahren Gefühle nicht nach aussen gelangen sollen. Es unterscheidet sich von einem echten Lächeln, da es sehr langsam ins Gesicht kommt, der Mund meistens geschlossen bleibt, es tonlos ist und die Augen nicht mitlächeln.

Steife Körpersprache

Das Pinocchio-Phänomen greift auch hier. Wird jemand plötzlich stocksteif und bewegt sich kaum noch, so haben wir es mit einem weiteren Indiz der Lüge zu tun. Der Lügner möchte sich nicht durch starke Körpersprache in den Vordergrund rücken. Es ist bewiesen, dass sich komplexe Denkprozesse so äussern, dass die gesamte Energie dem Gehirn zur Verfügung gestellt wird und die Körpersprache das Nachsehen hat. Lügen ist ein komplexer Denkprozess.

Krümel/Fusseln entfernen

Fängt ein Mensch während des Gespräch an, sich nicht vorhandene Flusen vom Körper zu zupfen, so ist dies ein Indiz für wegwischen und somit das Gesagte an sich abperlen zu lassen.

Räumliches Distanzieren

Steht uns ein Mensch nah, so tut er dies auch physisch. Tritt ein Mensch im Gespräch den Rückzug um 1-2 Schritte an, so könnte dies ebenfalls ein Indiz für eine Lüge sein. Er distanziert sich vom Gesagten und von der anderen Person.

Fehlen von Manipulatoren

Wir Menschen fassen uns permanent selbst an, reiben, streicheln und kneifen uns in Arme, Beine, Gesicht, Hals und Drosselgrube. Können Sie keine solche Manipulatoren finden, so haben wir hier auch einen Hinweis auf Unwohlsein bzw. die Lüge.

Starker Schweissfluss

Ein starkes Indiz ist starker Schweissfluss, der sich vor allem im Hals-, Achsel- und Rückenbereich zeigt.

Stimme/Sprache

Es gibt noch ein paar Spannende Hinweise in der Stimme und Sprache. Grundsätzlich geht die Stimme immer 0,5-1 Ton höher, wenn wir schwindeln, aus dem einfachen Grund, dass wir nicht zu 100 Prozent dazu stehen, was wir da sagen und wir Angst vor Entdeckung haben. Sie sollten hellhörig werden, wenn folgende Phänomene in der Sprachwahl Ihres Gegenübers auftauchen.

  • «Soweit ich weiss», «Um ehrlich zu sein», «Ganz ehrlich…»
  • Wiederholung der Frage – hier wird ganz klar Zeit gewonnen!
  • Lange oder kurze Pause bis zur Antwort
  • Ausweichende Antworten
  • Religiöse Beschwichtigungen: «Ich schwöre hoch und heilig»
  • Klagen über die Befragungssituation
  • zu detailreich oder -arm
  • Grosses Bemühen zu überzeugen
  • Gebrauch von Superlativen

Ich wünsche Ihnen in den nächsten Tagen viel Freude beim Beobachten und Umsetzen des Gelernten!

Herzlichst Ihre

Tatjana Strobel

Veranstaltungshinweis

Mehr über die Lüge und Techniken, um diese zu entlarven, erfahren Sie im Seminar «Ich weiss, wenn Du lügst» am 27.-28.09.2014 in Zürich. Mehr unter www.tatjanastrobel.ch.

 

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Tatjana Strobel ist Expertin für Körpersprache, Physiognomie und Menschenkenntnis, Bestsellerautorin und Gründerin des Unternehmens «TS HeadWorx». www.tatjanastrobel.ch, www.mesmerize-it.ch

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