Serie Tatjana Strobel

Körpersprache im Vorstellungsgespräch: Teil 8

Körpersprache-Expertin Tatjana Strobel beschreibt in 10 Teilen exklusiv für hrtoday.ch, was der Körper eines Kandidaten während eines Bewerbungsgesprächs über dessen Befindlichkeit und Charakter verrät. Im achten Teil geht es um die Körpersprache der Angst.

Ein Vorstellungsgespräch kann in vielen Fällen eine grosse Belastung für den Bewerber sein, dies zeigt sich auch in der Körpersprache. Die Auslöser sind unterschiedlich. Meist liegt diesen Belastungen eine tiefe Angst zugrunde. Angst zu versagen, Angst, den angepeilten Job nicht zu erhalten, Angst dem Profil und den Erwartungen nicht gerecht zu werden, Angst, etwas falsches zu sagen…

Die aussagekräftigsten Angstsignale produziert unser Körper mit Lippen, Mund, Speiseröhre, Kehle und Magen. Unser Verdauungstrakt wird nicht umsonst manchmal auch „Bauchgehirn“ genannt. Schauen wir uns doch die einzelnen Angstsignale einmal genauer an:

Trockener Mund (Xerostomie): Wenn ein Mensch Angst oder Unsicherheit empfindet, stellt die Speicheldrüse kurzzeitig ihre Funktion ein – es wird also kein Speichel mehr produziert. Dies hat ein trockenes und unangenehmes Gefühl im Mund- und Rachenraum zur Folge, die Zunge klebt förmlich am Gaumen. Leider merkt man das auch äusserlich: Die  Stimme klingt trocken, fast mechanisch. Und obendrein passieren meist noch seltsame Kaubewegungen – so als würde man Sägespäne verspeisen –, weil dies den Speichelfluss wieder in Gang bringt.

Husten und Räuspern: Klingt lustig, ist es aber nicht: Angst kitzelt im Hals. Dieser Reiz führt dazu, dass man sich räuspert oder auch husten muss.

Schweres Schlucken: Auch dieses Signal hat damit zu tun, dass sich die Kehle nicht frei anfühlt: Man möchte den berühmten Kloss im Hals beseitigen. Das Heben und Senken des Adamsapfels, besonders gut sichtbar bei Männern, ist ein eindeutiges Signal dafür.

Lippenbeissen: Der schottische Physiologe Charles Bell gelangte nach ausgedehnten Untersuchungen zu dem Schluss, dass von allen Teilen unseres Gesichts die Lippen am häufigsten in Aktion treten und am besten Aufschluss über die Gefühlswelt eines Menschen geben. Dies machte er an Ober- und Unterlippenbewegungen sowie am Kontakt von Lippen und Zähnen fest.

Beim ängstlichen Lippenbiss wird die Ober- oder Unterlippe mit den Zähnen festgehalten. Damit wird versucht die Dinge, die man nicht sagen möchte, im Mund zurückzuhalten. Zum anderen hält man sich mit den Zähnen gewissermassen auch an sich selbst fest, um auf diese Weise die Angst zu lindern.

Generell liegt es nahe, dass der Mensch sich bei Unsicherheit gerne festhält. Vor kurzem war ich in Sachen „Netzwerken“ unterwegs: 100 Menschen, die sich bis dahin nicht kannten, trafen in einer schönen Atmosphäre zu einem gemeinsamen Frühstück zusammen. Es war sehr spannend zu sehen, wo wir Menschen uns überall festhalten, um uns selbst Sicherheit und Mut zu geben, andere Menschen anzusprechen:

  • Frauen halten sich gern mit einer oder beiden Händen an den Henkeln ihrer Handtasche fest.
  • Sehr beliebt ist auch das Anlehnen an eine Wand, einen Tisch, einen Stuhl.
  • Oder wir halten uns an Tisch, Stuhl, Tresen, Tasse oder Glas fest.
  • Wir stecken unsere Hände in Hosen- oder Manteltaschen.
  • Wir verschränken die Hände auf dem Rücken oder legen sie auf unseren Po.
  • Ebenfalls sehr verbreitet: das Spielen mit Stift, Handy, Schlüssel etc.

Haben Sie schon einmal Menschen beobachtet, die alleine in einer Bar oder einem Restaurant auf ihre Verabredung warten? Sie werden mit grosser Wahrscheinlichkeit an ihrem Handy herumspielen oder etwas lesen. Einfach alleine irgendwo zu sitzen ist den meisten Menschen sehr unangenehm, deshalb verschaffen sie sich eine Beschäftigung.

Nägelkauen: Vor einiger Zeit haben Forscher festgestellt, dass es einen signifikanten Zusammenhang gibt zwischen einem schlechtem Ergebnis bei psychologischen Tests zur Bestimmung des Selbstbewusstseins, sowie Nägelkauen. Menschen, die an ihren Nägeln kauen, kommen zudem bei Angsttests auf eine hohe Punktzahl. Nägelkauen ist damit ein klares Angstsignal. Viele Psychologen interpretieren es auch als Zeichen von Aggression, die unterdrückt und daher gegen sich selbst gerichtet wird.

Achten Sie bei Ihrem Gegenüber auf den Zustand der Fingernägel. Sind sie sichtbar deformiert, können Sie davon ausgehen, dass Sie es mit einem nervösen, ängstlichen Menschen zu tun haben.

Orale Reaktionen: Wenn wir Angst haben, verspüren wir häufig das Bedürfnis, uns etwas in den Mund zu stecken. Fachleute sprechen dabei von „oralen Reaktionen“ und interpretieren dieses Bedürfnis als Versuch, sich die Geborgenheit des Baby- oder Kleinkindalters zurückzuholen, als wir an Daumen oder Mutterbrust saugten.

In unserer Kultur gibt es zwei weit verbreitete Formen, dieses Gefühl des oralen Selbsttrostes herbei zu führen. Kennen Sie sie? Genau: Es ist zum einen das Rauchen, zum anderen das Kaugummikauen:

  • Rauchen gilt vor allem bei Jugendlichen als cool, abgeklärt und erwachsen. Tatsächlich aber werden Zigaretten gerne benutzt, um sich an etwas festzuhalten, die Nerven zu beruhigen und die eigene Angst unter Kontrolle zu bringen.
  • Kaugummi hat eine ähnliche anregende Wirkung, allerdings weniger von den Inhaltsstoffen (zum Beispiel Grüne Minze) her, sondern vielmehr durch die Arbeit der Kaumuskeln, die die Blutversorgung des Kopfes und damit die Blut- und Sauerstoffversorgung des Gehirns verbessert. Zusätzlich wird das Gehirn durch die Reizung des dicht mit Nerven durchzogenen Mundraums angeregt; es hat zum einen anregende und zum anderen entspannende Funktionen. Das Kauen von Kaugummis soll einen positiven Einfluss auf die Stressbewältigung, das Konzentrationsvermögen und die Aufmerksamkeit haben, da laut einer japanischen Studie Kaugummikauen die Blutzufuhr zum Gehirn um bis zu 25 Prozent erhöht. Bereits in der Steinzeit wurden von unseren Vorfahren Baumharze als Kaugummiersatz gekaut

Achten Sie darauf, wie jemand kaut oder raucht. Ist die Kau- oder Zugbewegung hektisch, dürfen Sie daraus auf eine gewisse Nervosität schliessen. Glückliche und entspannte Menschen kauen deutlich langsamer.

Bevor Sie sich nun in die freie Wildbahn aufmachen, um bei Ihren Bewerbern die Körpersprache der Angst zu lesen, sollten Sie Folgendes beachten: Beobachten Sie als erstes die Häufigkeit der Angst- und Unsicherheitssignale: Je grösser der Stress, umso häufiger treten sie auf. Bill Clinton fasste sich vor dem Lewinsky-Untersuchungsausschuss etwa alle vier Minuten an die Nase, was ansonsten nicht zu seinem normalen Verhaltensrepertoire gehörte.

Wenn jemand Gesten der Angst und Unsicherheit zeigt, suchen Sie nach dem konkreten Auslöser. Nicht immer wird er sichtbar auf der Hand liegen: Manches von dem, was Sie selbst kein bisschen beängstigend finden, ist es für andere Menschen sehr wohl, und umgekehrt. Machen Sie sich also auf etwas Detektivarbeit gefasst – der Lohn besteht darin, dass Sie mit Ihrem Gegenüber wesentlich besser umgehen können, wenn Sie wissen, was bei ihm oder ihr Angst bzw. Unsicherheit auslöst und Sie so letzen Endes die bessere Auswahl für Ihr Unternehmen treffen können.

Viel Freude bei der Umsetzung.

Herzlichst

Tatjana Strobel

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Tatjana Strobel ist Expertin für Körpersprache, Physiognomie und Menschenkenntnis, Bestsellerautorin und Gründerin des Unternehmens «TS HeadWorx». www.tatjanastrobel.ch, www.mesmerize-it.ch

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