Ältere Mitarbeiter

Laufbahnplanung bis zum letzten Arbeitstag

Von der Laufbahnplanung in den Unternehmen profitieren nicht alle Angestellten gleich. Besonders jene über 50 werden dabei weniger berücksichtigt. Eine Bachelorarbeit untersucht, wie es um die betriebliche Laufbahnplanung für ältere Mitarbeitende steht.

Was können Unternehmen tun, um das Potenzial der älteren Belegschaft besser zu nutzen? Dieser Frage ging Nathalie Bagdasarjanz, Absolventin des Bachelorstudiengangs am Departement Angewandte Psychologie der ZHAW nach. Für ihre Bachelorarbeit «Alter(n)sgerechte Personalentwicklung. Eine quantitative Studie zur betrieblichen Laufbahnplanung für ältere Mitarbeitende» führte sie eine Online-Befragung unter Personalverantwortlichen in Deutschschweizer Unternehmen durch. Die Stiftung IAP zur Förderung der Angewandten Psychologie zeichnete die Arbeit mit einem Anerkennungspreis aus.

Frau Bagdasarjanz, ist der demografische Wandel ein Thema in den Schweizer Firmen?

Nathalie Bagdasarjanz: Einige Unternehmen haben die Zeichen der Zeit erkannt. Die Mehrheit der Unternehmen, die ich untersucht habe, nimmt in der eigenen Altersstruktur Veränderungen wahr und rechnet zumindest zukünftig mit entsprechenden Herausforderungen. Jedoch treffen noch nicht all diese Unternehmen auch Massnahmen, um sich darauf vorzubereiten.

Sie plädieren für einen langfristigen Planungshorizont.

Ja. Neben dem Fach- und Führungskräftemangel auf dem Arbeitsmarkt nimmt auch in den Firmen selbst die Anzahl der älteren Mitarbeitenden zu. Somit sind die Unternehmen zunehmend gefordert, das Potenzial, das ihnen die älteren Mitarbeitenden bieten, auch auszuschöpfen. Etwas überspitzt formuliert, können es sich Unternehmen einfach bald nicht mehr leisten, die Pensionierung ihrer älteren Belegschaft «abzuwarten». Im Gegenzug profitieren auch die älteren Mitarbeitenden, wenn sie nach vielen Jahren im Erwerbsleben immer noch einer interessanten Arbeit nachgehen können.

Das Thema Ihrer Bachelorarbeit war die alter(n)sgerechte betriebliche Laufbahnplanung. Was bedeutet das genau?

Es bedeutet, dass man bei der Planung der Laufbahn von älteren Mitarbeitenden oder bei der Organisation der Arbeiten auf deren allenfalls veränderte Bedürfnisse Rücksicht nimmt. Doch eine gute Laufbahnplanung setzt nicht erst bei den älteren Mitarbeitenden an.

Sondern wo?

Es ist ganz wichtig, dass wir das Älterwerden, also das Altern, als einen Prozess verstehen, und dass Unternehmen schon früh Massnahmen ergreifen, damit Mitarbeitende ohne «Verschleisserscheinungen» in ihrem Arbeitsumfeld altern können, und so lange motiviert und gut qualifiziert im Erwerbsleben verbleiben.

Haben wir in der Schweiz eine alter(n)sgerechte Personalentwicklung?

Jein. Was die betriebliche Laufbahnplanung generell betrifft, so weisen die Ergebnisse meiner Umfrage darauf hin, dass vor allem grössere Unternehmen ihren Mitarbeitenden ein breites Angebot bieten, so beispielsweise Programme zur Standortbestimmung, Laufbahnberatung, jährliche Mitarbeitergespräche oder auch Massnahmen wie Job Rotation oder Job Enrichment. Die Angestellten ab 50 Jahren aber werden bei der betrieblichen Laufbahnplanung benachteiligt.

Wo fällt dies besonders auf?

Bei Massnahmen, bei denen es darum geht, mit den Mitarbeitenden eine Perspektive zu gestalten. Im Rahmen eines Entwicklungsgesprächs oder einer Laufbahnberatung werden ältere Mitarbeitende im Vergleich zu jüngeren beispielsweise deutlich weniger miteinbezogen.

Was liegt sonst noch im Argen?

Um sicherzustellen, dass alle Mitarbeitenden gleichermassen von der beruflichen Laufbahnplanung profitieren, ist es zentral, dass diese systematisch angewendet wird. Gerade bei der Zielgruppe der älteren Mitarbeitenden setze ich hier ein Fragezeichen. Es deutet einiges darauf hin, dass Laufbahn-Entscheide bei der Altersgruppe der über 50-Jährigen vermehrt ad-hoc und damit mehr zufällig als systematisch gefällt werden. Es wäre aber wichtig, dass die Unternehmen eine vorausschauende Perspektive einnehmen und versuchen, alterskritische Risiken, die sich zum Beispiel aufgrund der Arbeitsbelastung ergeben können, frühzeitig zu identifizieren.

Was läuft richtig?

Positiv aufgefallen ist mir, dass bereits viele Firmen ihren Mitarbeitenden Alternativen zur klassischen Führungskarriere anbieten. Zwar steht diese bei den befragten Unternehmen nach wie vor an erster Stelle, doch insbesondere bei den Industrieunternehmen findet das Modell der Fachlaufbahn eine weite Verbreitung. Gerade älteren Mitarbeitenden, die nicht mehr weiter im Unternehmen aufsteigen möchten oder können, bieten Fachlaufbahnen möglicherweise interessante neue Aufgabenfelder.

Was sollten Firmen ändern, um das Potenzial der älteren Belegschaft optimal zu nutzen?

Sie sollten die bereits bestehenden Ansätze intensivieren und in ein übergreifendes Konzept integrieren. Mitarbeitende müssen bis zum letzten Tag ihres Erwerbslebens in die Pflicht genommen werden. Dies heisst für Unternehmen, auch mit älteren Mitarbeitenden explizite Entwicklungsziele zu vereinbaren, sie konsequent zu fördern und zu begleiten. Sinnvolle Massnahmen sind neue Aufgaben, ein neuer Arbeitsplatz oder auch die Übernahme neuer Berufsrollen, zum Beispiel als Mentor oder Coach.
 

Nathalie Bagdasarjanz

hat soeben den Bachelorstudiengang Angewandte Psychologie an der ZHAW abgeschlossen. Als Vertiefungsrichtung hat sie Arbeits- und Organisationspsychologie gewählt. Davor studierte sie Kommunikation und Journalismus und arbeitete einige Jahre in der Unternehmenskommunikation.

Die Bachelorarbeit

Für ihre Studie «Alter(n)sgerechte Personalentwicklung. Eine quantitative Studie zur betrieblichen Laufbahnplanung für ältere Mitarbeitende» hat Nathalie Bagdasarjanz 80 Fragebogen von Unternehmen aus der Deutschschweiz ausgewertet. 50 Unternehmen sind aus dem Dienstleistungssektor, 30 Betriebe aus der Industrie. Sie kommen aus allen Branchen, wobei die Finanzdienstleister (17 Prozent) und die Unternehmen aus der MEM-Industrie (14 Prozent) zwei grössere Gruppen bilden. Gut drei Viertel sind grössere Unternehmen, knapp ein Viertel zählt zur Gruppe der KMU.

 

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Franziska Meier ist Redaktorin und Produzentin mit langjähriger Erfahrung im Zeitungs- und Zeitschriftenbereich. Als Chefredaktorin des Magazins «fit im job» sowie als Fachredaktorin der Zeitschrift «HR Today» hat sie sich auf das Thema «Mensch, Arbeit & Gesundheit» spezialisiert. Zu ihren journalistischen Schwerpunkten gehören insbesondere Persönlichkeitsentwicklung, Coaching, Stressprävention und betriebliches Gesundheitsmanagement. Achtsamkeit praktiziert sie manchmal im Schneidersitz, öfter jedoch auf ihren Spaziergängen rund um den Türlersee.

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