Zusammenarbeit HR und Kommunikation

Mit Intranet 2.0 zur Dialogkultur

Wer im Zusammenhang mit der HR-Arbeit an Social Media denkt, hat wohl zuerst Assoziationen zum 
Recruiting oder Employer Branding. Doch auch intern gibt es vielfältige Einsatzmöglichkeiten – nicht nur 
für die offizielle Kommunikation, sondern auch für die Vernetzung der Mitarbeitenden untereinander.

Facebook, Xing & Co. kennt jeder. Viele haben privat das eine oder andere in Gebrauch. Doch Unternehmen können sich die Social-Media-Tools auch intern zunutze machen. Im Moment herrscht jedoch eine gewisse Überforderung vor: «Die Leute sehen sich dem Thema ausgeliefert und wissen nicht, was genau auf sie zukommt», so Volker Seubert, Leiter der Fachgruppe «Personalmanagement im Social Net» beim Bundesverband der Personalmanager. «Viele Unternehmen haben Social Media gesperrt; bei einige dürfen die Mitarbeitenden vielleicht noch auf Xing, bei manchen nicht einmal das», weiss Seubert.

Seit September vergangenen Jahres existiert das Gremium und hat mittlerweile 50 Mitglieder. «Der Hauptfokus des Austauschs in der Fachgruppe liegt derzeit klar auf Recruiting und Employer Branding.» Zweitwichtigstes Thema seien Social Media Guidelines (siehe HR Today 5/2010, Seite 5). «Weit abgeschlagen nach diesen Themen kommt erst das Interesse für die interne Verwendung sozialer Medien», sagt der Experte.

Das interne Wissen wird besser 
nutzbar gemacht

Er selbst hat sich schon vor einigen Jahren mit Social Media im internen Bereich auseinandergesetzt. Der heutige Senior HR Business Partner EMEA bei Oracle hat schon 2006 massgeblich dazu beigetragen, eine interne Plattform mit Social-Media-Elementen beim damaligen Hard- und Softwarehersteller Sun Microsystems zu implementieren und auszubauen – den sogenannten Sun-Space. Von den 30 000 Mitarbeitern hätten sich 20 000 daran beteiligt, so Seubert.

Leila Summa, Social Media Director beim Migros–Genossenschafts-Bund, hat sich mit dem Thema vertieft auseinandergesetzt. Sie fasst die Tools unter dem Begriff Intranet 2.0 (siehe Grafik) zusammen; dies beschreibt die neue Generation des Intranets, auf dem nicht nur die internen Kommunikations-Verantwortlichen oder ein Administrator, sondern potenziell jeder Mitarbeitende vom Leser zum Autor wird und alle partizipieren können.

Im Zentrum steht die Idee, Experten miteinander zu vernetzen, Wissen unter die Leute zu bringen und besser nutzbar zu machen: «Das ist letztlich der Grundstein zur lernenden Organisation», weiss Seubert. So würden die Mitarbeiter befähigt, im Rahmen 
selbstorganisierter Communities zu lernen – ob direktes Team, Projektteilnehmer oder Leute aus unterschiedlichen Niederlassungen, die am gleichen Them arbeiten.

Sowohl Blogs als auch Wikis (eine Art spezifisches Wikipedia) oder Videopodcasts eignen sich, um Wissen weiterzugeben. Mittels RSS-Newsstream werden alle Abonnenten eines Blogs informiert, wenn es etwas Neues in ihrem Interessengebiet gibt.

Auch die Minderheiten können 
gezielt abgeholt werden

Wie experimentierfreudig Unternehmen sind, steht in Abhängigkeit zu ihrer Kultur, weiss Kathrin Schwierz von ifok. Das Beratungsunternehmen hat für seine Studie «Social Media und Personalarbeit: Potenzial erkannt. Und genutzt?» 800 Personalverantwortliche befragt. «Natürlich gibt es Vorreiter, die Wikis, interne Blogs oder ein internes 
Facebook bereits sehr aktiv einsetzen. Aber der breite Einsatz ist noch in vielen Unternehmen eine seltene Erscheinung», so Schwierz.

Ein Unternehmen, das mit einer Art internem Xing experimentiert, ist Raiffeisen Schweiz: «Mit dem Telefonbuch 2.0 haben Mitarbeitende die Möglichkeit, ein eigenes Profil zu erstellen. Es geht vor allem um Informationen zu Assistenzen, Projekten, Aufgaben und Kompetenzen, die nicht aus einem Drittsystem bezogen werden können. Äusserst nützliche Funktionalitäten sind beispielsweise die ‹Bitte um Rückruf›, die eine automatisierte E-Mail auslöst oder die direkte Anzeige des Terminkalenders der entsprechenden Person», erklärt Jeannette Wild, Leiterin Interne Kommunikation. So könne jeder gleich erkennen, wer an welchen Themen arbeitet und der richtige Ansprechpartner für eine Sache ist. Denkbar auch, bei einem solchen Tool noch eine Anwesenheitsanzeige einzubauen – so ist gleich klar, wer gerade verfügbar ist und wer nicht.

Auch die Emotionalisierung der Belegschaft, zum Beispiel bei einem Change, kann über solche Kommunikationsmittel gut gemeistert werden: «Wenn man innerhalb einer kurzen Zeit relativ viele Leute abholen möchte, eine Massenveranstaltung aber nicht denkbar ist, haben sich CEO-Videobotschaften bewährt. Zudem haben die Mitarbeiter dann die Möglichkeit, im Online-Dialog Fragen bottom up zu platzieren», so Leila Summa vom MGB. Allerdings, warnt die Expertin, müssten diese dann auch persönlich beantwortet werden. Möglichst vom CEO selbst.

Bei allen Informationen von offizieller Stelle im Unternehmen sei es extrem wichtig, dass schnell auf die Menschen reagiert werde. «Wenn nicht regelmässig innerhalb von 24 Stunden eine Reaktion erfolgt, wird es schwierig, die Leute künftig zu motivieren, wieder etwas zu schreiben. Oft fragen sich die Kommentatoren dann, ob ihr Feedback wirklich erwünscht ist», warnt Summa. Nicht zuletzt ermöglicht der stete Austausch mit und unter den Mitarbeitenden, ihnen auf den Puls zu fühlen: «Die Anzahl Kommentare auf einen Artikel in Kombination mit der Anzahl der Seitenaufrufe ist ein Indikator, wie sehr ein Thema unter den Nägeln brennt. Was zählt, ist nicht nur die aktive Teilnahme am Online-Dialog, sondern vorwiegend die Auseinandersetzung mit dem Thema. Austausch und Diskussionen zu den publizierten News finden dann oft on- oder auch offline statt, etwa im Flur oder Kafi-Raum.»

Für Seubert ist auch ein Einsatz in der Personalsteuerung und -planung denkbar: «Über die Tag Cloud, mit der alle Beiträge verschlagwortet werden, ist schnell ersichtlich, wo es Lücken im Know-how gibt, die vielleicht der Weiterentwicklung des Unternehmens hinderlich sind.»

Das alles klingt insgesamt sehr nützlich. Nur die Sache mit der Partizipation ist nicht so ganz trivial: «Die grosse Crux ist, dass die bekannte Ratio 90:9:1 von Jakob Nielsen gilt. Und zwar intern als auch extern», weiss Leila Summa. Heisst: 90 Prozent sind passive Beobachter, 9 Prozent bringen sich von Zeit zu Zeit aktiv ein und lediglich ein Prozent partizipiert sehr intensiv und oft. Wie lässt sich das ändern? «Wenn die Inhalte für die Leute eine möglichst hohe Relevanz haben und sie persönlich betreffen, ist die Chance höher, dass sie einen Kommentar abgeben und mitdiskutieren. Prozessänderungen, Lohnfragen oder Organisationsveränderungen zum Beispiel», weiss Summa. Oder Themen, bei denen sich Minderheiten, wie zum Beispiel allein-erziehende Mütter oder Sprachminderheiten, nicht abgeholt fühlen. «Fühlen sich Menschen emotional angesprochen, wird die Hemmschwelle oft überwunden.» Wichtig ist es auch, dass Artikel, die von Kommunikationsseite publiziert werden, nicht abgeschlossen wirken. Sonst nimmt man den Leuten jede Diskussionsgrundlage.

Nicht die Message, sondern den 
Mitarbeiter ins Zentrum stellen

Doch warum sind Diskussionen und Austausch wirklich wichtig, was bringt die Vernetzung? Für Seubert ist das klar: «Ein höheres Social Capital. Ein Mehr an vertrauenswürdigen und etablierten Beziehungen unter Mitarbeitern, die das Arbeiten und damit die Organisation effizienter machen. Das sollte jedem HRler klar sein und damit sollte unsere Funktion in der Lage sein, solche Projekte anzustossen.» HR sei hier als Change Agent gefordert, die Stakeholder an einen Tisch zu bringen, so Seubert. Und für Summa steht fest: «Wenn nicht CEO, HR-Chef und Leiter Kommunikation in einem Boot sitzen, kann man Social Media intern vermutlich nur schwer durchsetzen.» Denn diese Funktionen sind zuständig für die Schaffung der notwendigen strategischen, kulturellen und strukturellen Rahmenbedingungen. Und dazu gehört, dass sie alle gemeinsam entscheiden sollen: Ja, wir wollen die Meinung des Mitarbeiters. Wir wollen spüren, was er will und auch darauf reagieren.

«Dazu muss der Mitarbeiter ins Zentrum der Kommunikation gestellt werden und nicht die Message selbst. Und genau das ist die Aufgabe des HR. Denn keine andere Einheit im Unternehmen richtet den Fokus so stark auf den Mitarbeitenden und weiss, wie sich diese aktuell fühlen.» Wird HR hier aussen vor gelassen, so Summa, besteht die Gefahr, dass an den Gefühlen der Mitarbeitenden vorbeikommuniziert wird. Ein Grund mehr, die Ressourcen zu bündeln.

Im Zentrum all dieser Möglichkeiten steht eines: der Dialog. «Interessanterweise suchen viele zuerst den Dialog mit ihren Kunden, bevor sie ihn intern suchen», weiss Summa. Das liege vermutlich daran, dass die Unternehmen oft zuerst Massnahmen ergreifen, die sie für Image- oder verkaufsfördernd halten. Intern herrsche vielerorts noch Monolog von oben nach unten.

Wer Mitarbeitende will, die mitmachen, bekommt diese nicht über Nacht: «Dieser Mindset entwickelt sich über Jahre. Vor allem muss das Management erkennen, dass es loslassen muss. Es kann nicht mehr über alles bestimmen und per Anweisung kontrollieren. Wir sind immer mehr in einer Kultur der Wissensarbeiter, wo wir den Mitarbeitenden Freiheiten einräumen müssen, damit sich ihre Kreativität entfalten kann», so Seubert. «Die Wahrscheinlichkeit für eine gute Dialogkultur online ist am höchsten, wenn man diese auch offline lebt», weiss Summa. In Unternehmen mit einer etablierten Du-Kultur wirkt dies authentischer: «In den sozialen Netzwerken duzt man sich, da kommt es merkwürdig rüber, wenn man sich siezt.»

Wer bis anhin eine nichtpartizipative Kultur pflegte und wessen Management sich nicht Mitarbeiter-nahe gibt, wird kaum Erfolg haben, wenn er von heute auf morgen Möglichkeiten zum Austausch bietet oder diesen gar einfordert.

Wenn externe Netzwerke für internen Austausch gebraucht werden

Langfristige Konsequenz der Entwicklungen ist für Summa, dass Intranet und Internet zunehmend miteinander verschmelzen. Bereits heute nutzen die Mitarbeitenden Twitter, 
Facebook, Xing quasi als Verlängerung des Intranets im externen Bereich – auch um interne Messages auszutauschen. Das sind meist keine vertraulichen Dinge, aber es dient dem Socializing und verbindet Mitarbeitende miteinander. «Mit der rasanten Verbreitung von Facebook, Skype und Co. in der Schweiz haben Mitarbeitende je länger, je mehr die Erwartung an den Arbeitgeber, dass die Tools, die sie als Privatperson sehr gerne nutzen, in ähnlicher Form auch im Unternehmen zur Verbesserung der Zusammenarbeit und Kommunikation eingesetzt werden dürfen. Ein weiteres Bedürfnis ist es, das Intranet nicht nur als abgekapseltes System zu betrachten», so Summa, «sondern beispielsweise auch Kunden oder Partnerfirmen Wissen auf dem Web oder auch mobil zur Verfügung zu stellen oder sich zu vernetzen – und in dem Moment schwappt es von Intra- zu Internet.»

Buchtipp

Willms Buhse und Sören Stamer. The Art of Letting go. Enterprise 2.0. iUniverse, 2008,  248 Seiten, englisch. Als Taschen- oder 
E-Book erhältlich

 

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