Führung

Mitarbeitergespräche – Die Potenziale von MbO konsequenter ausschöpfen

Ein Management by Objectives (MbO) ohne regelmässige, unterjährige Mitarbeitergespräche verfehlt sein Ziel und liegt nahe einer Bankrott-Erklärung. Werden diese beiden Instrumente aber gemeinsam angewendet, bilden sie die Grundlage für eine wirksame Mitarbeiterentwicklung und eine überdurchschnittliche Produktivität.

Bis in die 90er-Jahre war das Ritual der regelmässigen Mitarbeitergespräche ein fester Bestandteil der Mitarbeiterführung. Es war die Zeit, als die Vorgesetzten von Beruf «Führungskraft» waren. Mails und Smartphones in der Mitarbeiterführung gab es noch nicht. Das persönliche Gespräch stand im Vordergrund. Damals schon existierte ein grosser Druck im operativen Tagesgeschäft. Wer den Erzählungen der älteren Mitarbeitenden genau folgt, der hört trotzdem von mehr Umsicht bei Entscheidungen, von längerfristigem Denken, von mehr Auseinandersetzung mit den Mitarbeitenden, von Geduld und auch von Einfachheit. Vielleicht handelt es sich dabei um etwas «Sozialromantik». Vorstellbar ist aber auch, dass in einer hektischen Arbeitswelt bewährte Prinzipien der Mitarbeiterführung zu schnell über Bord geworfen wurden. Dazu gehört die regelmässige Auseinandersetzung mit seinen Mitarbeitenden.

Unter dem Druck des Daily Business wird oft nur «auf Verlangen» geführt

Jedes Jahr versuchen zehntausende von Vorgesetzten, den kurzfristigen und reaktiven Führungsmodus im Alltag für kurze Zeit hinter sich zu lassen, und führen mit bester Absicht MbO-Jahresendgespräche. Sie bewerten die Leistungen der vergangenen zwölf Monate und vereinbaren neue Ziele. Auch Themen wie Karriereplan oder Feedback an den Vorgesetzten sprechen sie an, obschon Studien belegen: Es sind zu viele Themen für ein Gespräch.

Der Zweck von MbO besteht darin, das Engagement der Mitarbeitenden zu fördern und damit die Performance zu verbessern. Es darf davon ausgegangen werden, dass gute Führungsarbeit bei MbO das Engagement und die Arbeitsleistung um bis zu 50 Prozent steigern kann (Quelle: Gallup). Führungskräfte müssen dafür aber individuell auf ihre Mitarbeitenden eingehen, was neben Vertrauen auch gute Kenntnisse über deren Persönlichkeiten und Motivationsstrukturen voraussetzt. Studien stellen allerdings fest, dass Vorgesetzte kaum Zeit haben, sich auf ihre Führungsaufgaben zu konzentrieren, und dazu neigen, autoritärer zu führen. Feedback und Kommunikation fallen ihnen oft schwer.

Die Praxis also zeigt: Unter dem Druck des Tagesgeschäfts wird eine vorausschauende Mitarbeiterführung kaum geplant; Führung findet «auf Verlangen» statt. Diese kurzsichtige und reaktive Zeit- und Energieinvestition wirkt sich jedoch verheerend auf die Mitarbeiterperformance und -bindung aus. Die Führungskräfte aber sind es, die eine Passung von Stärke und Rolle ermöglichen, Orientierung schaffen, Richtung geben, Partizipation bieten und einfordern, Entwicklungen durchsetzen und Wertschätzung vermitteln.

Führung ist ein Beruf, eine Hauptaufgabe – keine Residualgrösse. Um dem Druck des Daily Business nicht allzu rasch nachzugeben, muss deshalb ebenso viel Gegendruck organisiert werden: indem zu Jahresbeginn unterjährige fixe Mitarbeitergespräche vereinbart werden. Diese «Freiräume für Führung» dienen ausschliesslich der Pflege der Führungsbeziehungen und sind frei von Themen des Tagesgeschäfts. Zusammen mit der alltäglichen Führungsarbeit, die geprägt ist durch spontane Rückmeldungen über Leistungen und Verhalten, wird dieser laufende Dialog wesentlich dazu beitragen, dass die Mitarbeitenden ihr individuelles Potenzial erkennen und entfalten sowie ihre Leistungs- und Entwicklungsziele erreichen. Solche regelmässigen Gesprächsbegegnungen stabilisieren die Beziehung und schaffen Vertrauen für anspruchsvollere Themen wie beispielsweise die Karriereplanung.

1. Schritt: Visualisierung

Die bestehenden Strategie- und Planungsprozesse sowie Führungsrhythmen werden visualisiert. Dabei sollte man sich in die Quartale beziehungsweise Monate hineindenken. Zum Beispiel: Bis wann sind Anträge auf Lohnerhöhungen und Beförderungen zu stellen?

  • 
Das erste Quartal dient in erster Linie der Sicherstellung, dass die Ziele rechtzeitig und ernsthaft geplant und somit auch umgesetzt werden.
  • 
Bis ins zweite Quartal sollten die notwendigen zeitintensiven Massnahmen eingeleitet worden sein. Die Zielerreichung sollte bis vor den Sommerferien zwischen 50 und 60 Prozent betragen.
  • 
Das dritte Quartal soll sowohl den Druck auf die Zielarbeit aufrechterhalten als auch die Mitarbeiterentwicklung forcieren, damit alle Anträge rechtzeitig gestellt werden (Ausbildungen, Beförderungen usw.)
  • 
Im vierten Quartal wird in den meisten Unternehmen viel Zeit für die Planung des Folgejahres benötigt. Daher steht weniger Zeit für Mitarbeitergespräche zur Verfügung.

2. Schritt: Gesprächsform

Für jeden Mitarbeitenden wird eine individuelle, zu ihm passende Kombination aus folgenden Gesprächsformen ausgewählt:

Stärkeninterview

Das Stärkeninterview ist der kleine Bruder des Entwicklungsgesprächs. In der Regel reicht ein solches Gespräch pro Jahr aus. Ziele:

  • 
Erkennen der eigenen Stärken und der hinderlichen Defizite.
  • 
Aufbau von Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten.
  • 
Entwickeln einer Vorstellung für ein Right Placement.

Zielerreichungsgespräch

Zielerreichungsgespräche sind die häufigsten Gespräche. Sie dienen der Leistungsplanung und Fortschrittskontrolle. Der Rhythmus wird gemeinsam festgelegt; als erfolgversprechend gelten Abstände von etwa zwei Monaten. Einzelne Teile können im Team durchgeführt werden (zum Beispiel Sales Meeting). Ziele:

  •  Überprüfung der Zielerreichung.
  •  
Kontrolle der Umsetzung der vereinbarten Massnahmen.
  •  Vereinbarung der zukünftigen Tätigkeiten.
  •  
Eventuell Sicherstellung der Weitergabe von Lern- und Erfahrungsgewinnen.
  •  
Eventuell Erkennung, Analyse und Reaktion von Zielabweichungen.
  •  
Eventuell Vornahme von Zielkorrekturen.
  •  
Zusammenfassende Rückmeldung an nächsthöheren Vorgesetzten.

Entwicklungsgespräch

In diesem Gespräch soll sich der Mitarbeitende Klarheit über seine Fertigkeiten, Kenntnisse und seine eigene Perspektive verschaffen, um so zu einem aktiven Partner für die Entwicklungsplanung zu werden. Übers Jahr verteilte Fragen sollen ihn konkret über seine Wünsche, Leistungen und seine Leistungsfähigkeit nachdenken lassen. Ziele:

  •  
Weiterentwicklung der im Stärkeninterview gewonnenen Erkenntnisse (z. B. ungenutzte Fähigkeiten, Entwicklungspotenziale).
  •  
Entwicklung einer langfristigen Perspektive (3 bis 5 Jahre) unter Berücksichtigung der Ambitionen beziehungsweise Wünsche des Mitarbeitenden.
  •  
Ableitung von Entwicklungszielen bzw. Entwurf eines Entwicklungsplans.
  •  
Gemeinsame Vereinbarung von Entwicklungs- und Verhaltenszielen inklusive der dazugehörenden Massnahmen.

Vorgesetzten-Feedback

Selbst der beste Vorgesetzte entwickelt mit der Zeit blinde Flecken in der Wahrnehmung seines Führungsverhaltens. Er sollte deshalb konstruktive Rückmeldungen seiner Mitarbeitenden aktiv einfordern. Ziele:

  •  
Einholen von Feedback zum eigenen Führungsverhalten (zum Beispiel Delegation).
  •  
Vereinbaren des optimalen, situativen Führungsverhaltens für den Mitarbeitenden.

Fazit

Im Idealfall hat der Vorgesetzte am Jahresende mehrere Male gemeinsam mit seinem Mitarbeitenden die Vergangenheit besprochen und ebenso den künftigen Fortschritt geplant. Er hat die Umsetzung der vereinbarten Ziele eingefordert und den Mitarbeitenden dabei aktiv unterstützt. Der Vorgesetzte kennt dessen Eigenheiten und konnte ihm helfen, sich ein schärferes Bild von seinen wahren Stärken und Schwächen zu machen. Er hat sich als Partner positioniert, der zuhört, Ratschläge erteilt, im Detail die Weiterentwicklung plant und ein echtes Interesse am Erfolg zeigt.

Dafür hat der Vorgesetzte die Zeit und 
Energie investiert, die für die Erfüllung dieser Hauptaufgabe nötig war. Er wird nach kurzer Zeit als MbO-Rendite mit einer spürbar höheren Produktivität und mit einer tieferen ungewollten Fluktuation rechnen dürfen und dadurch die investierte Zeit mehr als egalisieren können. Zusammenfassend hat der Vorgesetzte «Führung als Beruf» ernst genommen und dafür Zeit und Energie investiert. Dies geschieht letztendlich zum grossen Nutzen aller Beteiligten.

Gestaltung der Gespräche

Entsprechend der Persönlichkeit und dem Reifegrad des Mitarbeitenden definiert der Vorgesetzte einen passenden Rhythmus an unterjährige Mitarbeitergespräche und berücksichtigt die spezifischen Anforderungen der einzelnen Quartale. Empfehlungen:

  • 
Möglichst viele kurze Gespräche im «courant normal» planen. Tipp: Blöcke bilden; Ferien-/Spitzenmonate frei lassen.
  • 
Die Termine in allen Kalendern als fixe 
Termine eintragen lassen.
  • 
Anzahl und Form an die spezifischen Bedürfnisse pro Mitarbeitenden anpassen, das heisst: Reifegrad, Entwicklungsziele, Beziehungsqualität usw. beachten.
  • 
Termine mit bestehendem Führungs- bzw. Meetingrhythmus abgleichen.
  • 
Als Zeitfenster eine Stunde vorsehen, angestrebt werden 45 Minuten.
  • 
Für mehrere Gespräche kurze Blöcke zur Vor- und zur Nachbearbeitung in Kalender eintragen.
  • 
Planungsregel: Vorbereitung 15 Minuten, Gespräch 45 Minuten und Nachbearbeitung 5 bis 10 Minuten.
  • 
Die Mitarbeitergespräche frei vom Tagesgeschäft halten; dafür gesonderte Anlässe schaffen.
  • 
Die Ergebnisse dieser Gespräche (mindestens die konkreten Vereinbarungen) separat protokollieren.

 

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Dr. Daniel Beyeler ist Mitinhaber der CO3 | Corporate Coaching & Consulting AG. Nach seinem Studium an der Hochschule St. Gallen arbeitete er mehrere Jahre als Bereichsleiter in einem Beratungsunternehmen. Seit 15 Jahren ist er als Trainer, Organisationsberater und Coach tätig.

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Dr. Rolf Specht studierte Germanistik und Theologie und bildete sich in Betriebswirtschaft und Organisationsentwicklung weiter. Der Mitinhaber der CO3 | Corporate Coaching & Consulting AG arbeitet seit 25 Jahren als Trainer, Organisationsberater und Top Management Coach.

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