Checkliste

Onboarding von neuen Mitarbeitenden

Jeder Dritte, der den Betrieb innerhalb der ersten 2.5 Jahren wieder verlässt, hat den Entscheid dazu innerlich schon in den ersten 3 Wochen gefällt; dies das Resultate eine Studie der Uni Bern.

Obwohl diese Aussage der betroffenen Mitarbeitenden sehr wahrscheinlich in den ersten Wochen nicht so klar formuliert worden wäre, hätte man sie dann zu mal schon befragt, so stellt sich doch  sehr früh ein diffuses Bauchgefühl ein, das sagt: «In diesem Betrieb werde ich nicht alt.»

Es sind dies nicht in erster Linie «facts and figures», die wirken, sondern Aspekte der Betriebskultur, des Umgangs miteinander, der Stimmung in der Kaffeepause, der Art, wie man miteinander spricht, wie man sich gibt und kleidet, die einen stärkeren ersten Eindruck hinterlassen als der konkrete Arbeitsinhalt, der sich in der Regel erst im Laufe der Zeit klar zeigt.

HP bezifferte schon vor zehn Jahren die Negativkosten  für die  Firma beim Wechsel einer Fachkraft des unteren Kaders mit 250'000 Franken.

Dem «Onboarding» voraus geht die unternehmensspezifische, strategische Frage der erwünschten Betriebstreue der Mitarbeitenden, welche dem HR hinterlegt sein sollte.  Sehr lange Betriebstreue schafft Kontinuität, Verlässlichkeit, konservations- und traditionsorientierte Unternehmenswerte, aber auch Schwerfälligkeit, mangelnde Innovationskraft und Flexibilität. 

Wie sieht die Zielmarke Ihrer optimalen Betriebstreue aus? Welche Aussage stimmt für Ihren Betrieb?

  • Wer bei uns die Lehre macht, soll auch hier pensioniert werden!
  • Personal ist bei uns eine Ressource, die wir bedarfsorientiert schlank halten: Hire and Fire Prozesse sind gut eingespielt.
  • Wir streben im Umfeld der Facharbeitenden und des unteren Kaders eine Stellentreue von 5-7 Jahren an und haben dafür ein Monitoring eingerichtet. Auf Grund der entsprechenden Daten passen wir periodisch unsere Mitarbeiterbindungsinstrumente an.

Für die Uhrenmacher bei Vachron Constantin und die Entwickler bei Google sehen diese Zielmarken sehr wahrscheinlich unterschiedlich aus. Entsprechend ist auch der Onboarding Prozess unterschiedlich zu gestalten.

Massnahmen bei der Rekrutierung:

  • Geben Sie Ihren drei Finalisten  im Rekrutierungsprozess Gelegenheit, sich auch über die Unternehmenskultur ins Bild zu setzen. Zeigen Sie ihnen ihren zukünftigen Arbeitsplatz, geben Sie ihnen Gelegenheit,  die zukünftigen Kolleginnen und Kollegen «unbeaufsichtigt» zu sprechen, z.B. in der Kaffee- oder Lunchpause. Erwähnen Sie  unternehmensspezifische Rituale (Casual Friday, Ausflüge, Fussball Club etc.) oder «Fringe Benefits» (Ruheraum und Massage etc.). Diese können das Zünglein an der Waage spielen, das besser schon vor Vertragsunterschrift aktiv wird.

Massnahmen des ersten Tages:

  • Der oder die Neue muss sich erwartet und willkommen fühlen: Der Arbeitsplatz ist eingerichtet sowohl bezüglich Hard- als auch Software: Telefon mit eigener Nummer, Handy, PC, eMail Account, Batch etc. Es gibt ein Customized Willkommens-Symbol. Das kann durchaus der Blumenstrauss mit einer handgeschriebenen von Chef und Team unterzeichneten Karte sein, aber auch betriebliche Give Aways wie Kugelschreiber und und und, bei Victorinox wäre es wohl das kreditkartengrosse Messer oder ähnliches.
  • Der oder die Vorgesetzte hat sich Zeit für ein erstes Gespräch reserviert, das Team hat sich für die Begleitung in die Kaffee- und Mittagspause aufgeteilt.
  • HR hat zusammen mit der Linie einen Einführungsprozess definiert und stellt eine Check-Liste zur Verfügung.
  • HR führt ein Gespräch zu den Personalprozessen des Betriebs.

Ziel: Die neue Person fand den Tag cool, spannend, anregend, interessant,  hat sich wohl gefühlt und freut sich auf morgen!

Massnahmen der ersten Woche:

Der oder die Vorgesetzte führt ein Gespräch zur Klärung der folgenden zwei Fragen:

1.    «Woran wirst du, woran werden wir in 10 Wochen erkennen, dass du bei uns die richtige Person am richtigen Platz bist?» In der Probezeit soll in erster Linie sowohl auf der Ebene der Hard- als auch der Soft-Skills das Potential des oder der Neuen erkennbar werden. Erst in zweiter Linie sollen schon fertige, fehlerfrei Arbeitsprodukte am Ende der Probezeit erstellt worden sein. Diese Ziele von der betrieblichen Seite müssen vorher definiert und an diesem Gespräch auch kommuniziert werden. (Bsp. Ziel 1: Nach 10 Wochen kennst du 80% unserer wichtigsten Kunden und ihre für uns relevanten Kennzahlen. Du hast mit mindestens XX von ihnen persönlichen Kontakt gehabt und die Rückmeldungen der Kunden sind durchwegs gut. Ziel 2:  Du hast mindestens 3 realisierbare Vorschläge eingebracht zur Verbesserung/Vertiefung der Kundenbeziehung).

Bei diesem Gespräch soll unbedingt auch der oder die Neue sagen: «Woran werde ich gegen Ende der Probezeit erkennen, dass dies für mich der richtige Job ist.» Auch diese Ziele sollen in die Probezeit-Zielvereinbarung aufgenommen werden.

2.    «Welcher Lerntyp bist du?» Grundsätzlich ergründen Menschen die Welt auf unterschiedliche Art und Weise. Die einen wollen auf der Basis von «Versuch und Irrtum» ihre eigenen Erfahrungen machen, die andern wollen eine Frage erstens intellektuell kognitiv richtig begreifen, bevor sie handeln.

Sollten Sie jemals mit Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin versucht haben ein IKEA Gestell aufzubauen, wissen Sie, wovon ich spreche. Die ersten reissen voller Elan die Verpackung auf und gehen an die Arbeit, irgendwann auf halbem Weg stellen sie entnervt fest: «Es fehlen drei Halterungen!» – In dieser Zeit hat die zweite Person sorgfältig den Inhalt der Verpackung geprüft und die Gebrauchsanweisung gelesen. Wenn Sie die materielle Einarbeitung typenspezifisch gestalten, haben Sie einen wichtigen Schritt im Onboarding gemacht: Der erste Typ wird voller Freude schnell ein erstes Werkstück erstellen und keine grosse Mühe damit haben, dass Sie vieles daran korrigieren und erklären. Der zweite Typ wird während dieser Zeit immer noch Ordner und Manuals wälzen und versuchen, sich ein Bild vom Ganzen zu machen bevor er sein erstes –idealerweise qualitativ besseres- Werkstück abliefert und eher sensibel auf Kritik reagiert.

Massnahmen der vorgesetzten Person während der Probezeit und im ersten Jahr:

  • Zeigen und erklären Sie der neuen Mitarbeiterin, dem neuen Mitarbeiter warum es sie oder ihn braucht. Erklären Sie den Mehrwert, den diese Person dem Betrieb, Ihrer Organisationseinheit bringt.  Sinnstiftung schafft Befriedigung und Identifikation mit dem Arbeitgeber.
  • Führen Sie die Person so, dass sie durch die Aufgabenstellungen oszillieren kann zwischen Komfort-Zone («Das kann ich alles schon sehr gut») zu Forderung («Jetzt muss ich etwas Gas geben») zu Überforderung («So eine Aufgabe habe ich noch nie selber gemacht, doch weiss ich schon einiges dazu und ich strenge mich jetzt total an, damit das gelingt») zurück in die Komfort - Zone usw.
  • Achten Sie darauf, ob und ab wann der oder die Neue Possessiv-Pronomen wie «Unser», «Wir», «bei uns ...» regelmässig und selbstverständlich braucht und damit den Betrieb, die Organisationseinheit, das Team meint.

In diesem Augenblick haben Sie Ihr Ziel erreicht: Die Person fühlt sich an Bord und agiert als ein Teil des Unternehmens!

 

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Marianne Roth führt seit 24 Jahren die roth-consult GmbH in Zürich mit der sie national und international erfolgreich unterwegs ist. Zu ihren Kernkompetenzen gehören:

  • Unterstützung von Menschen in Veränderungsprozessen als Coach
  • Organisationsentwicklungsmassnahmen von A-Z
  • Konzipierung und Implementierung von massgeschneiderten Schritten im Human Resource Development
  • Coaching und Trainings für Führungskräfte
  • Teamentwicklung und -konfliktberatung

www.roth-consult.ch
 

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