Sommerseire

«Österreich kämpft mit hoher Arbeitslosigkeit»

Andere Länder, andere Sitten. Das gilt auch für das HR. In unserer Sommerserie stellen wir die Personalarbeit in den unterschiedlichsten Ländern vor. Benjamin Geierhaas, Chefredaktor des personal manager, einer österreichischen Zeitschrift für Human Resources, benennt Trends und Herausforderungen für das HR in unserem Nachbarland.

Herr Geierhaas, was sind die aktuellen HR-Trends in Österreich?

Benjamin Geierhaas: Ein ganz grosses Thema ist die Evaluierung psychischer Belastung am Arbeitsplatz. Eine wissenschaftliche Untersuchung von Gudrun Biffl und Kollegen im Jahr 2012 zeigte, dass sich die Krankenstände aufgrund von psychischen Erkrankungen zwischen 1996 und 2009, von einem niedrigen Ausgangsniveau ausgehend, verdoppelt haben. Andere Zahlen untermauern dies. Laut Statistik Austria lag 2012 der Anteil der Invaliditätspensionen aufgrund von psychischen Erkrankungen bereits bei 32 Prozent– innerhalb von sieben Jahren war das ein Zuwachs von 190 Prozent. In einer OECD-Studie zur psychischen Gesundheit am Arbeitsplatz belegten Österreichs Unternehmen unter 32 evaluierten Staaten Platz 27. Der Gesetzgeber hat auf diese Entwicklung reagiert und per 1.1.2013 das Arbeitsschutzgesetz novelliert. Seit dieser Zeit sind österreichische Unternehmen ausdrücklich verpflichtet, Arbeitsplatzevaluierungen psychischer Belastungen durchzuführen.

Ausserdem ist das Thema Diversity in Österreich derzeit in aller Munde, hier bewegt sich seit Jahren viel. Das ging sogar so weit, dass der Gesetzgeber per 1. Januar 2012 die Nationalhymne änderte. Seitdem singen die Österreicher in einer Strophe nicht mehr «Heimat bist du grosser Söhne, Volk, begnadet für das Schöne» sondern «Heimat grosser Töchter und Söhne, Volk, begnadet für das Schöne». Weil ein US-amerikanischer Kinderchor bei der Siegerehrung der Ski-WM 2015 in Colorado/USA die alte Hymne sang, gab es grossen Ärger. In einigen Hochschuleinrichtungen bekommen Studenten Punktabzüge, wenn sie Studienarbeiten nicht gendergerecht verfassen. Diese Bewegung macht auch vor HR nicht Halt. So zum Beispiel können Mitarbeiter in einigen Unternehmen Schwierigkeiten bekommen, wenn sie sich nicht an die unternehmenseigene Gendervorschrift halten.

Darüber hinaus sucht HR auch in Österreich nach Antworten auf die Fragen, die demographischer Wandel, Digitalisierung, Industrialisierung 4.0, Big Data im HR, New Work und Co. aufwerfen.

Vor welchen Herausforderungen steht das HR in Österreich langfristig?

Österreich kämpft derzeit mit einer bislang unbekannt hohen Arbeitslosigkeit. Wenngleich sich der Schweizer Nachbar im Vergleich zu anderen EU-Staaten noch immer gut präsentiert, ist die Arbeitslosenquote von 6,9 Prozent für österreichische Verhältnisse alarmierend. «Wir haben die höchste jemals gemessene Arbeitslosigkeit», sagte zuletzt Johannes Kopf, Chef des Arbeitsmarktservice. Kopf rechnet sogar mit einer weiter steigenden Arbeitslosigkeit. Ein Grund dafür sollen die gesetzlichen Rahmenbedingungen sein. Die österreichische HR-Szene hat das Arbeitsrecht jüngst als «Standortkiller» bezeichnet und sucht zusammen mit der Politik nach Lösungen des Problems. In einem Ende April an Arbeitsminister Hundstorfer übergebenen Manifest stellte die HR-Szene zwölf Forderungen. Darin sind unter anderem Appelle enthalten wie «die Entrümpelung, Vereinfachung und Neukodifikation des Arbeits- und Sozialversicherungsrechts», «mehr Gestaltungsspielraum auf betrieblicher Ebene im Arbeitsrecht», «weniger Bürokratie bei mobiler Arbeit» und «Erleichterung der regulatorischen Voraussetzungen für betriebliche Kinderbetreuung».

Des Weiteren suchen HR-Abteilungen nach Möglichkeiten, wie sie die gesetzlichen Anforderungen zur Arbeitsplatzevaluierungen psychischer Belastungen umsetzen können.

Zur Person

Benjamin Geierhaas ist Chefredaktor des personal manager, einer österreichischen Zeitschrift für Human Resources.

Wo hat das HR in Österreich Nachholbedarf?

Auch hier gilt, dass die HR-Szene Lösungen finden muss, um die psychische Belastung am Arbeitsplatz, vor allem Stress, zu minimieren. Nach der «Deloitte Global Human Capital Trend»-Studie sei für Mitarbeiter die hohe Komplexität des Arbeitsumfeldes besonders herausfordernd. 85 Prozent der österreichischen Studienteilnehmer gaben an, dass Arbeitsumfeld und -abläufe als besonders komplex wahrgenommen werden. Damit liege Österreich noch einmal deutlich über dem ohnehin schon hohen internationalen Wert von 74 Prozent.

Worauf muss das HR im Umgang mit den Mitarbeitenden achten? Was ist den Mitarbeitenden in Österreich wichtig?

Nach der Studie «DNA – Das Neue Arbeiten» wollen österreichische Mitarbeiter vor allem Sinn und Werte verstehen, das Berufs- und Privatleben vereinbaren können und ergebnisorientiert arbeiten.

Wie wollen die Mitarbeitenden in Österreich geführt werden?

Meine persönliche Einschätzung ist, dass sich die Bedürfnisse österreichischer Mitarbeiter nicht allzu sehr von den Bedürfnissen der Mitarbeiter anderer Länder unterscheiden. Laut der GfP-Management-Agenda wünschen Österreicher bei ihren Vorgesetzten vor allem strukturiertes Vorgehen sowie kreative Lösungsansätze in schwierigen und unsicheren Situationen. Österreicher wollen bei neuen Problemen nicht mit alten Lösungsansätzen konfrontiert werden und schätzen bei ihrer Führungskraft die Glaubwürdigkeit.

Kommentieren 0 Kommentare HR Cosmos

Ehemaliger Chefredaktor HR Today.

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