Rekrutierung mit Witz

VBZ suchen neue Tramchauffeure - mit lustiger Kampagne

Die Zürcher Verkehrsbetriebe (VBZ) haben diese Woche eine neue Rekrutierungs-Kampagne gestartet. Führungspersönlichkeiten werden gesucht – und zwar für das Tramcockpit. Übermittler der Botschaft ist Prinz Charles. Mit der sogenannten dualen Werbeoffensive in Gratiszeitungungen und auf einer Socialmedia-Plattform wollen die «Blauweissen» einerseits Berufsleute ansprechen, die noch gar nicht auf Jobsuche sind.  Andererseits soll die Kampgange vermitteln: Schaut her, die VBZ sind cool.

Wahrscheinlich würden der britische Thronfolger und seine in die Jahre gekommene Frau Mama auf Besuch in Zürich nicht mit dem Tram fahren, obwohl dem hemdsärmeligen Monarchen ein Fährtchen mit der Strassenbahn durchaus zuzutrauen wäre. Vermutlich am liebsten im Führerstand – denn nach Führung lechzt der blaublütige Biobauer bekanntlich Zeit seines Lebens.

Auf diesem, mehrheitlich wohl bekannten Umstand fusst die neue Personal-Anwerbe-Botschaft der Verkehrsbetriebe Zürich. Die Personalnot der vergangenen Jahre hat den grössten, kantonalen ÖV-Anbieter kreativ und zeitgemäss werden lassen. Die aktuelle Marketingoffensive mit den Royals ist eine Fortsetzung der im letzten Jahr lancierten Sujets. Damals standen Prinz William und seine Neuvermählte Kate für die Botschaft, dass bei den VBZ Frauen und Männer gleichwertig seien – wenigstens in der Lohntüte.

Der Prinz hätte durchaus Chancen auf einen Führungsjob im Züritram

Die Windsors und ihre je nach Interessenslage interessante Familiengeschichte taugen nun auch für die neue Kampagne. Ersonnen vom Werbebüro Ruf Lanz aus Zürich. Die Aussage ist einfach, einprägsam und unterhaltsam. Wer eben nicht so lange auf einen «Führungsjob» warten mag wie der gute, alte Charles, soll sich jetzt bei den VBZ als Tramchauffeur oder –chauffeuse bewerben.

Die Botschaft bleibt beim Zielpublikum hängen. Die Sujets wirken, auch wenn man sie in aller Schnelle in der Gratispostille im Tram und in der S-Bahn überfliegt oder sie bei Facebook kurz aufpoppen lässt.

Von der Kampagne, über den Entscheid bis ins Führerhäuschen geht es rein zeitlich  schnell. Lässt man die Dauer für das Bewerbungsprozedere und eine allfällige Kündigungsfrist beim alten Arbeitgeber ausser acht, können frisch ausgebildete Strassenbahnpiloten in der «Cobra» oder dem «Tram 2000» schon nach zwei Monaten übers städtische Schienennetz quietschen. Pardon – zirkulieren.

Selbst Charles wäre als Trampilot nicht von vornherein ausgeschlossen – wenigstens was sein Alter angeht. «Wir suchen heute gar nicht mehr nach Mitarbeitern, die der VBZ 20, 30 oder 40 Jahre treu bleiben wollen. Wir haben den Trichter längst viel stärker geöffnet. Es ist ok wenn jemand den Job fünf, sechs Jahre motiviert macht und uns dann wieder verlässt. Ausserdem wissen wir heute, dass 40- bis Anfang 50-Jährige genau so gut, wenn nicht sogar besser in das Anforderungsprofil eines Chauffeurs passen als sehr junge Menschen», sagt Jörg Buckmann, Personalchef bei den VBZ. Nicht selten seien reifere Zeitgenossen ausgeglichener, weniger hektisch, qualitätsbewusst und dienstleistungsorienter, was den Job angehe.

Schichtarbeit ist nicht jedermanns Sache

Charles würde also bezüglich des Alters gerade noch durchgehen – ein «no go» wär allerdings Charles’ fehlende Schicht-Arbeit-Erfahrung. «Wer erst in reiferen Jahren in Jobs einsteigt, wo gleitende Tag- und Nachtarbeit unabdingbar ist, hat in der Regel unüberwindbare Hürden vor sich,» weiss Buckmann. Gesundheit, persönliche Interessen, Lebensplanung, Familie und einiges mehr kollidieren oft mit der bis dato unbekannten Schichtarbeit. «Damit ist weder dem Angestellten noch uns als Arbeitgebenden gedient.» Ein rascher Ausstieg aus dem Job sei die Folge. «Sowas gilt es durch eine genaue und zielorientierte Rekrutierung zu verhindern, denn nicht zuletzt ist die Ausbildung von neuen Tramfahrern eine nicht zu verachtende Investition für die VBZ,» so Buckmann. Gegen 50'000 Steuer- und Billettefranken lassen sich die Verkehrsbetriebe die Grundausbildung pro Person kosten. Im finanziellen Sinn amortisiert sei diese Investition erst nach fünf bis sechs Jahren.

Nur Charakterstarke sollen im Führerstand sitzen

Vor den Job haben die VBZ allerdings einige Hürden gestellt – denn es prüfe gut, wer sich zwar nicht ewig, aber doch für Jahre binden möchte. Der Ausdruck, jemanden auf «Herz und Nieren» zu prüfen, ist diesbezüglich gar nicht so falsch, wie Buckmann sagt. «Tatsächlich stellen wir höchste Anforderungen an die Gesundheit der Bewerber. Immerhin ist der Job im Führerstand mit sehr viel Verantwortung verbunden.»

Getestet werden nicht bloss die körperlichen Funktionen, sondern auch die charakterlichen, psychologischen. Wer Verkehrsdelikte in seinem juristischen und beruflichen Curriculum Vitae sammelt, soll keine Strassenbahn durch Zürich chauffieren. «Der Charakter ist entscheidend, die Stressresistenz im dichten Verkehr, die Auffassungs- und Beobachtungsgabe und einiges mehr,» fasst Buckmann zusammen. Natürlich werde aber niemand vom Bewerbungsprozess ausgeschlossen, der «mal falsch parkiert» hat oder der sich vereinzelte, andere Verkehrsbussen eingefangen hat.

Grosser Personalbedarf bis zum Ende des Jahrzehnts

Angestellt werden über die «Charles-Kampagne» ab dem kommenden Jahr 24 Tramführer. «Wir haben die Erfahrung gemacht, dass sich Frauen besonders für diesen Beruf eigenen. Einerseits wegen ihrer defensiveren Grundeinstellung im Verkehr und andererseits wegen ihrer Auffassungsgabe und dem Durchhaltewillen». Interessant: Die Qualität der Bewerbungsdossiers von Frauen ist deutlich höher als ihrer männlichen Zeitgenossen. Jedes neunte Bewerbungsdossier einer Frau führt zu einer Anstellung, bei den Männern nur jedes Fünfundzwanzigste. «Nur leider bewerben sich viel weniger Frauen bei uns - aber wir arbeiten daran», sagt Buckmann.

Der Personalbestand an etwa 600 Chauffeuren wird durch die neue Rekrutierung nur aufrechterhalten, nicht erhöht, wie Buckmann sagt. Es gehe darum, die natürlich Fluktuation auszugleichen. Man rechnet mit 20 bis 40 Tramfahrern, die es bis Ende 2014 zu ersetzen gilt. Beim Gesamtpersonalbestand von 2400 Personen und einer Fluktuation von sieben bis acht Prozent werden bei der VBZ jährlich 170 bis 200 Stellen neu vergeben.

Da der Altersdurchschnitt ist bei den VBZ verhältnismässig hoch ist, stehen bis zum Ende des Jahrzehnts mehrere hundert Pensionierungen an. «Bei diesem Personalbedarf ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass die VBZ auch in nächster Zukunft durch coole Kampagnen auf sich und die Jobs im Unternehmen aufmerksam machen werden», so Buckmann. Tatsächlich sind ja noch nicht alle Royals «verbraucht». Allerdings eignen sich zahlreiche Windsors – glaubt man der Boulevard-Presse - aufgrund ihrer Charaktereigenschaften und wegen des flatterhaften Lebensstils auch nicht als Tramführer. Prinz Harry würde man in Zürich wohl nicht mal ein Partytram anvertrauen. 

Royale Kampagne = fürstliche Anstellungsbedingungen?

Ganz so königlich wie der Werbepate aus England werden die neuen Tramchauffeure für ihre Führungs- und Repräsentationspflichten nicht entschädigt. Für die goldene Kutsche oder den Staatsbentley reichts nicht. Aber mit einem durchschnittlichen Einstiegsgehalt von rund 5000 Franken (brutto) stehen die neuen VBZ-Kollegen im Branchenvergleich ganz ordentlich da. Alter, Dienstjahre, Erfahrung, Schichtzulagen etc. lassen diese Zahl kontinuierlich bis maximal 6700 Franken steigen. Die VBZ-Vergütungs-Systeme sind transparent und können über den Internetauftritt des Unternehmens abgefragt werden. Und wie man aus älteren VBZ-Kampagnen weiss, braucht ohnehin kein eigenes Auto, wer wie die Zürcher ein solch dichtes und eng getaktetes ÖV-Angebot nutzen kann – als Angestellter gar gratis. Den vollen Lohn beziehen die neuen VBZler ab dem ersten Tag, also schon während der Ausbildung. (sr)

buckmannbloggt. Link auf den HR-Blog von VBZ-Personalchef Jörg Buckmann

Link auf VBZ Bewerbungssite

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