Salärmanagement

«Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit?»

Trotz Gleichgestellungsgesetz ist die Lohngleichheit zwischen Mann und Frau nicht durchgesetzt. Die Lohn­unterschiede ­halten sich hartnäckig. Doch was steckt dahinter? Und ­weshalb scheint die doch ganz einfache ­Forderung nach ­«gleichem Lohn für gleichwertige Arbeit» in der Praxis kaum durchsetzbar?

Die Studie des Schweizerischen Nationalfonds zur Gleichstellung der Geschlechter bringt es einmal mehr an den Tag: Frauen verdienen immer noch wesentlich weniger als ihre männlichen Kollegen. Dies gilt insbesondere für Frauen in Kaderfunktionen, denn je höher der Rang in der Hierarchie, desto stärker gestaltet sich auch das Lohngefälle zwischen den Geschlechtern. Über alle unselbständig Beschäftigten hinweg lassen sich wissenschaftlich rund neun Prozent der Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern auch nach Ausschluss der unterschiedlichen Qualifikationen, Tätigkeiten oder der Dauer der Beschäftigung nicht erklären.

In monetären Werten ausgedrückt sind das durchschnittlich rund 677 Franken,  welche den Frauen Monat für Monat entgehen. Und das, obwohl seit 1996 mit der Einführung des Gleichstellungsgesetzes für Arbeitnehmende rechtliche Möglichkeiten geschaffen wurden, um Lohngleichheit einzuklagen. Dass sich hinter dem Lohngefälle zwischen Mann und Frau eine systemische Ungleichheit verbirgt, verraten auch die rund 613 Verfahrensfälle, die in der Datenbank des ­Zürcher Gleichstellungsbüros (www.gleichstellungsgesetz.ch) verzeichnet sind.

Systemische Ungleichheit

Die Umsetzung des Gleichstellungsgesetzes mag in der Theorie einfach klingen, ist es in der Praxis jedoch häufig nicht, denn Lohndiskriminierungen sind auf den ersten Blick oftmals nicht als solche erkennbar. Dennoch erstaunt es, dass sich die Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern weiterhin so hartnäckig halten, denn seit Einführung des Gleichstellungsgesetzes wäre reichlich Zeit vorhanden gewesen, um die bestehenden Lohnstrukturen zu analysieren und anzupassen.

Die Komplexität, verschiedene Arbeitsprofile miteinander zu vergleichen und zu bewerten, mag für die verzögerte Umsetzung eine Erklärung sein, die aktuelle Marktsituation das andere, doch: «Das Bild vom Mann als Ernährer ist immer noch tief in den Köpfen verankert», meint Helena Trachsel, Leiterin der Fachstelle für die Gleichstellung von Frau und Mann des Kantons Zürich. «Deshalb wird Männerarbeit immer noch höher gewichtet als Frauenarbeit.» Das geschehe aber oft unbewusst, erläutert Helena Trachsel. Zum Beispiel weil «männliche» Attribute wie «Durchsetzungsfähigkeit» in der Arbeitswelt wichtiger seien als «Fürsorglichkeit», ein Merkmal, das eher Frauen zugeschrieben werde.  Karin ­Jeker Weber, Vorstandsmitglied der Wirtschaftsfrauen Schweiz, sieht das ähnlich: «Stellenbeschreibungen und Stellenbewertungen sind historisch geprägt.

Viele Jobs wurden über Jahrzehnte hinweg nur von Männern ausgeübt, was sich auch in den Stellenbeschreibungen niedergeschlagen hat. Nach wie vor sind die gesuchten Qualifikationen, Stärken und Persönlichkeitsmerkmale stark männlich geprägt. Frauen­spezifische Eigenschaften und Fähigkeiten werden weniger oft erwähnt.»

Kaum ein Unternehmen engagiere jedoch eine Fachperson, um seine Stellenbeschreibungen auf geschlechtsspezifische Unterschiede zu überprüfen. Im Hinblick auf den Fachkräftemangel sei dies jedoch ein Manko, denn: «Frauen fühlen sich von männlich geprägten Stellenbeschreibungen oft nicht angesprochen und bewerben sich dann erst gar nicht für diese Jobs.» Aber sogar wenn Frauen in männertypischen Domänen arbeiten, wählen sie oft Arbeitsinhalte aus, die mit einer geringeren Entschädigung verbunden sind und das trotz ihrer Qualifikationen, wie der Schweizer Nationalfondsstudie NFP60 zur Gleichstellung der Geschlechter zu entnehmen ist.

Lohntransparenz ist das neue Zauberwort

Es gibt weitere Gründe, weshalb Frauen immer noch schlechter entlöhnt werden als Männer:

So arbeiten sie öfters Teilzeit, die schlechter bezahlt wird als Vollzeitarbeit, zudem werden sie bei ausserordentlichen Lohnzahlungen häufig übergangen. Auf persönlicher Ebene zeigen sich Frauen oft bescheiden und verhandeln in Lohnangelegenheiten schlechter. Wo mehrheitlich Frauen arbeiten, werden generell niedrigere Löhne bezahlt, dies in starkem Kontrast zu «männertypischen» Berufen. Die Benachteiligung beginnt also schon bei der Berufswahl, bei der Zuteilung der Aufgabeninhalte und wird durch gesellschaftliche Stereotype, was ein Mann und was eine Frau ist und wer welche Rolle inne­hat, noch verschärft: «Nicht alle finden es gut, wenn eine Frau über ein gutes Einkommen verfügt und unabhängig und frei ist», meint Karin Jeker Weber.

Das Projekt «Lohngleichheit» scheint auf freiwilliger Basis also nicht vorwärtszukommen. Nun droht an politischer Front Ungemach: So will Justizministerin Simonetta Sommaruga bis zum Herbst 2014 ein Projekt vorlegen, wie die Nichtdiskriminierung in den Unternehmen durchgesetzt werden könnte. Auch Karin Jeker Weber setzt nicht mehr auf Selbst­regulierung und redet Tacheles: «Die Lohnangleichung von Frauen- und Männerlöhnen hat auf freiwilliger Basis kaum etwas gebracht. Es braucht nun mehr Druck und eine Frist, um die Löhne auf nicht erklärbare, geschlechtsspezifische ­Unterschiede zu prüfen. Auch um stichprobenmässige Kontrollen in den Unternehmen wird man wohl nicht herumkommen. Dennoch wird der Lohnvergleich schwierig bleiben. Es ist aber beschämend, dass in Schweizer Unternehmen auf freiwilliger Basis so wenig gemacht wird.»

Höchste Zeit also, zu handeln. Doch was können Unternehmen konkret tun, um Lohngerechtigkeit zu schaffen?

«Lohntransparenz» ist das Zauberwort, das im Zusammenhang mit «Lohngleichheit» im selben Atemzug erwähnt wird. Daran gekoppelt sind die Bewertung und Einstufung von Arbeitsprofilen in einer Lohnskala und die Mitarbeiterbe­urteilung. Während die Bewertung und Einstufung eines Arbeitsprofils den Lohnunterschied bei Eintritt im  Unternehmen erklärt, basiert die weitere Lohnentwicklung auf der Leis­tungsbeurteilung, welche die Ungleichheiten im Verlauf der Zeit oft zementiert oder gar weiter anschwellen lässt.

Je transparenter und nachvollziehbarer ein Lohnsystem gestaltet ist, desto weniger schleichen sich Lohnungleichheiten ein. Wo hingegen kaum über Löhne geredet wird und kein systematisches und für die Mitarbeitenden nachvollziehbares Lohnsystem besteht, sind unerklärliche Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern grösser und Lohndiskriminierungen  schwieriger aufzudecken. In der Praxis ist die geforderte Lohntransparenz jedenfalls immer noch eher eine Ausnahme als die Regel, denn zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern herrscht meist einvernehmliches Schweigen darüber, was monatlich in den Lohntüten von Herrn und Frau Schweizer landet. Eine kulturelle Eigenheit, die eines der grössten Hindernisse darstellt, um in der Praxis die Lohngleichheit zwischen Frauen und Männern durchzusetzen. Viele befürchten, dass die Schaffung von Lohntransparenz mit einem unmässigen administrativen Aufwand verbunden ist. Das ist jedoch meist unbegründet, wie die folgenden Beispiele zeigen:

Bei der linken Wochenzeitung WOZ sind Lohn­unterschiede kein Thema: Dort verdienen alle gleich viel. Susan Boos, Leiterin der Redak­tion, ist eine ausgesprochene Fürsprecherin der gelebten Lohngleichheit, denn damit entfällt für sie auch die ungeliebte Mitarbeiterbeurteilung: «Wir reden nur noch über die Qualität der Arbeit und machen nicht mehr die unselige Verknüpfung zum Lohn – wenn ich viel leiste oder mich brav verhalte, bekomme ich mehr. Bei uns leisten die Leute ungemein viel, weil sie ihre Arbeit mögen», meint sie. «Und warum soll ein Redaktor mehr verdienen als eine Person, die in der Aboverwaltung arbeitet oder Inserate verkauft? Diese Leute haben letztlich einen ebenso anspruchsvollen Job und sichern unsere Existenz.»

Careerplus, eine Schweizer Personalberatung, beschreitet zwar etwas weniger radikale Wege, hat aber die Einstiegslöhne bei vergleichbaren Positionen vereinheitlicht. Jeder Einsteiger erhält denselben Lohn und Abstufungen existieren nur auf regionaler Ebene. So verdienen beispielsweise Rekrutierungsspezialisten und Rekrutierungspezialistinnen in Zürich aufgrund des unterschiedlichen Preisgefüges etwas mehr als jemand, der in der Ostschweiz arbeitet. Die weitere Lohnentwicklung basiert auf der individuellen Leistungsbeurteilung, die zweimal jährlich erfolgt. Dabei sind das Lohnmodell, die Einstufung der verschiedenen Arbeitsprofile und die Lohnbänder für Festangestellte frei zugänglich und einsehbar.

Weil Frauen mit 50 Prozent im Management vertreten sind, sind strukturelle Ungleichheiten weitgehend ausgeschlossen: «Wo Gleichberechtigung und Transparenz herrschen und wo Männer und Frauen gleichermassen in Führungsgremien vertreten sind, ist auch die Lohngleichheit und Gerechtigkeit gut verankert – und zwar branchenunabhängig», erläutert die Geschäftsführerin Jacqueline Scheuner. Dieses Modell scheint gemäss einer aktuellen  Kununu-Umfrage auch Anklang zu finden: So belegte Careerplus erst kürzlich Platz zehn der besten Arbeitgeber für Frauen. Als Personaldienstleister schafft das Unternehmen auf Kundenseite durch Salärstudien Transparenz und indem die Lohnspanne zum Teil direkt im Stellen­inserat angegeben wird.

Von «Logib», «Equal Salary» und Co.

Als Forschungsanstalt der ETH gilt für die Empa die Lohnverordnung des ETH-Bereichs, die auf der Website der Empa verfügbar ist. Darin wird erläutert, wie die Funktionsbewertung, die Leis­tungserfassung und -beurteilung sowie die Honorierung erfolgen. So umfasst das Lohnsys­tem der Empa 15 Funktionsstufen. Ein Wechsel in eine andere Funktionsstufe bedeutet dabei ­immer eine Veränderung des Anforderungs­niveaus. Beurteilt werden die Arbeitsprofile danach, welche Fach-, Selbst- und Sozialkompetenzen der Stellen­inhaber einbringt und welche Anforderungen an seine Führungskompetenz gestellt werden. Für jede Funktionsstufe existiert ein Minimal- und ein Maximalbetrag.

Innerhalb dieses Lohnbands werden die Löhne nach Erfahrung und Leistung festgelegt und die Löhne der obers­ten Leitungsfunktion sogar direkt vom Bundesrat bestimmt. Damit ist eine willkürliche Interpretation kaum mehr möglich. Grundsätzlich wird die Lohn­summe aktiv gesteuert und jährlich auf Abweichungen überprüft sowie Differenzen bereinigt. Dass die Empa die Gleichstellung von Frau und Mann ernst nimmt, davon zeugt nicht nur deren gelebte Lohntransparenz, sondern auch das ­Zertifikat «Familie und Beruf», das die Empa seit 2007 trägt und mit dem besonders familienfreundliche Arbeitgeber ausgezeichnet werden.

Unternehmen, die mehr als 50 Mitarbeitende beschäftigen und ihre Löhne auf wissenschaftlich nicht erklärbare Lohnungleichheiten zwischen Männern und Frauen überprüfen möchten, steht die Software «Logib» zur Verfügung. Diese wurde basierend auf den Lohnstrukturerhebungen des Bundes vom Bundesamt für Statistik (BFS) entwickelt und kann auf der Website des Bundesamtes kostenlos heruntergeladen werden. Wenn die Analyse der Lohnstrukturen solche Lohnungleichheiten aufdeckt, sollte ein externer Berater beigezogen werden, um die Schwachstellen des bestehenden Lohnsystems tiefergehend zu analysieren und dieses zu optimieren.

Hand zur Optimierung des Lohnsystems bietet beispielsweise die SQS, Schweizerische Ver­einigung für Qualitäts- und Management­systeme. Arbeitgeber können sich auf drei Stufen zertfi­zieren lassen: «Fair Compensation», «Good Practice» oder «Excellence». Im Verlauf des Zertifi­zierungsprozesses werden Arbeitsprofile miteinander verglichen, Reglemente analysiert, Lohnprozesse sowie -systeme untersucht und ein Ergebnisbericht mit Empfehlungen erstellt. Jedes Jahr fällt zudem eine Selbsteinschätzung der Lohngerechtigkeit an und alle drei Jahre folgt eine Rezertifizierung.

Mit «Equal Salary» besteht eine weitere Möglichkeit, um die Lohngleichheit zwischen Männern und Frauen bestätigen zu lassen. Wie das Zertifizierungsverfahren der SQS baut auch «Equal Salary» auf der Auswertung mit der Software «Logib» auf, der Zertifizierungsprozess ­gestaltet sich jedoch unterschiedlich. So ist beispielsweise eine stufenweise Zertifizierung nicht vorgesehen. Das Zertifikat und damit die Erlaubnis, das Logo «Equal Salary» zu benutzen, erhalten nur Firmen, die alle Probleme lösen, die im Audit zutage treten. Die Zertifizierung wird für drei Jahre vergeben. Während dieser Zeit muss sich das Unternehmen zwei weiteren Kontroll­audits unterziehen, um zu gewährleisten, dass die Empfehlungen auch umgesetzt werden. Danach erfolgt eine Rezertifizierung.

«Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben», sagte einst Michael Gorbatschow. Und das gilt wohl auch in Sachen Lohngerechtigkeit. Noch besteht die Möglichkeit, selbst aktiv zu werden. Sind die politischen Massnahmen einmal beschlossen, wird auch der Handlungsspielraum der Unternehmen bei der Lohngestaltung ­kleiner und damit der Zwang zur Transparenz grösser. Wo dann noch unbegründbare Lohn­differenzen zwischen Männern und Frauen bestehen, droht ein Imageschaden, der das Unternehmen für Stellensuchende unattraktiver erscheinen lässt. Für bestehende Mitarbeitende sind solche Lohnunterschiede mit Frust verbunden und haben für das Unternehmen durchaus spürbare Folgen: Der empfundene Vertrauensbruch durch die unterschiedliche Bezahlung gleicher Leistung führt auf Dauer zu sinkender Leistungs­bereitschaft und Loyalität der Mit­arbeitenden.

Checkliste

1. Lohntransparenz

Schaffen Sie Klarheit und zeigen Sie auf, auf welcher Basis Lohnanpassungen erfolgen. Geben Sie Ihren Mitarbeitenden Auskünfte über die Lohngestaltung.

2. Lohnvergleiche

Vergleichen Sie Ihre Löhne durchs Band weg. Sollten sich unerklärliche Differenzen ­ergeben, ziehen Sie einen externen Berater bei, um Ihr Lohnsystem zu optimieren.

3. Lohnentwicklung

Behalten Sie die Entwicklung der Löhne in den Augen und überprüfen Sie diese regel­mässig auf Differenzen zwischen Männern und Frauen.

4. Stellenprofile

Bewerten Sie die Anforderungen und Belastungen geschlechtsneutral.

5.  Mitarbeiterentwicklung

Schaffen Sie klare Kriterien für Beförderungen, ausserordentliche Lohnzahlungen und Weiterbildungen.

6. Personalgewinnung

Gestalten Sie Ihre Stellenausschreibungen geschlechtsneutral. Vermeiden Sie Attribute, die als besonders «männlich» gelten, wie «durchsetzungsfähig», damit die Ausschreibungen auch für Frauen attraktiv sind.

7. Teilzeit versus Vollzeit

Passen Sie Ihre Lohngestaltung so an, dass Teilzeitstellen nicht schlechter entlöhnt werden als Vollzeitstellen. Ermöglichen Sie Männern und Frauen, Teilzeit zu arbeiten.

8. Gleichmässige Vertretung von Männern und Frauen in Führungsgremien

Fördern Sie Frauen und schaffen Sie angemessene Rahmenbedingungen, so dass Frauen vermehrt in Führungsgremien Einsitz finden, damit die Interessen beider Geschlechter vertreten sind.

9. Frauen und Männer ticken anders

Seien Sie sich bewusst, dass Frauen und Männer nicht gleich auftreten. Männer zeigen sich sehr viel fordernder und in Lohnverhandlungen selbstbewusster.

Weiterführende Links

Unter www.equality-lohn.ch sind weitere Informationen zum Thema Lohngleichheit sowie ein ­kostenloses Schulungs­instrument in vier Modulen zu finden.

 

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Chefredaktorin, HR Today. cp@hrtoday.ch

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