Arbeit und Recht

Rechtliche Minenfelder beim Active Sourcing

Viele Arbeitgeber setzen vermehrt und verstärkt auf Active Sourcing, eine Rekrutierungsmethode, bei der potentielle Mitarbeiter auf dem Arbeitsmarkt selbst eruiert und proaktiv angegangen und umworben werden. Doch viele sind sich der damit verbundenen rechtlichen Gefahren nicht bewusst.

Im Vordergrund stehen datenschutzrechtliche Fragen und solche betreffend unlauteren Wettbewerb.

Datenschutz

Nebst den im Datenschutzgesetz (DSG) verankerten Grundsätzen zur Datenbearbeitung ist insbesondere Art. 328b des Obligationenrechts (OR) zu beachten. Nach diesem Artikel, der in die Bestimmungen zum privaten Arbeitsvertragsrecht eingebettet ist, darf der Arbeitgeber Daten über den Arbeitnehmer nur bearbeiten, soweit sie dessen Eignung für das Arbeitsverhältnis betreffen oder zur Durchführung des Arbeitsvertrages erforderlich sind. Weisen die Daten keinen solchen Arbeitsplatzbezug auf, ist die Datenbearbeitung unzulässig. Art. 328b OR ist auch anwendbar, wenn noch kein Arbeitsverhältnis besteht. Er ist also auch von potentiellen Arbeitgebern zu beachten und mithin relevant für Active Sourcer.

Unter Datenbearbeitung ist nach Art. 3 DSG jeder Umgang mit Personendaten zu verstehen, unabhängig von den angewandten Mitteln und Verfahren, insbesondere das Beschaffen, Aufbewahren, Verwenden, Umarbeiten, Bekanntgeben, Archivieren oder Vernichten von Daten. Dies alles ist folglich nur erlaubt, wenn ein genügender Arbeitsplatzbezug vorliegt.

In Bezug auf den Umgang mit neuen Medien bedeutet dies, dass bei einer Datenerhebung in beruflichen Netzwerken von einem genügenden Arbeitsplatzbezug auszugehen ist, da der potentielle Arbeitnehmer die Plattform in aller Regel zur Selbstdarstellung im geschäftlichen Bereich nutzt und einer entsprechenden Datenerhebung durch potentielle Arbeitgeber vermutungsweise zustimmt. Ein genügender Arbeitsplatzbezug muss hingegen verneint werden bei der Datenerhebung in sozialen (nicht geschäftlich orientierten) Netzwerken. Hier stellt sich der Kandidat primär privat und nicht für künftige Arbeitgeber dar.

Unzulässig ist meines Erachtens auch das generelle «Screening» des Kandidaten über Suchmaschinen, da die Suchergebnisse eventuell ohne Wissen und Willen des Betroffenen im Internet sind und unklar ist, ob die gefundenen Informationen der Wahrheit entsprechen. Es kann in diesem Fall nicht davon ausgegangen werden, dass der Betroffene einer Datenbearbeitung zustimmt.

Unlauterer Wettbewerb

Das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) verbietet das unlautere Abwerben von Mitarbeitern. Gemäss dem in Art. 2 UWG festgehaltenen Grundsatz ist jedes täuschende und/oder in anderer Weise gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstossende Verhalten oder Geschäftsgebaren, welches das Verhältnis zwischen Mitbewerbern oder zwischen Anbietern und Abnehmern beeinflusst, unlauter und widerrechtlich.

Vor diesem Hintergrund gilt das Abwerben unter Verleitung zum Vertragsbruch als grundsätzlich unzulässig. Eine Verleitung zum Vertragsbruch liegt zum Beispiel vor, wenn der Recruiter den umworbenen Kandidaten zur Kündigung ohne Einhaltung der Kündigungsfrist verleitet, oder wenn er den Kandidaten zum Antritt der neuen Stelle verleitet, obwohl der Kandidat dadurch ein nachvertragliches Konkurrenzverbot verletzt. Ebenfalls unlauter – und dazu auch noch strafbar – ist das Verleiten zum Verrat von Geschäfts- oder Fabrikationsgeheimnissen.

Schwierigkeiten bietet in der Praxis die Frage, ob das Verhalten des Recruiters eine «Verleitung» darstellt oder nicht. Die Intervention seitens des Recruiters muss eine gewisse Stärke erreichen, wobei die Grenze von noch zulässigem Einwirken zu nicht mehr zulässigem Verleiten fliessend ist. Dementsprechend erweist es sich im Prozessfall auch als schwierig, eine Verleitung zum Vertragsbruch nachzuweisen.
Grundsätzlich zulässige Abwerbehandlungen stellen das Ausnutzen eines fremden Vertragsbruchs und das Abwerben unter Verleitung zur ordnungsgemässen Vertragsauflösung dar. Diese Verhaltensweisen sind nur dann unlauter, wenn besondere Umstände hinzukommen, die dazu führen, dass das Verhalten des Recruiters gegen Treu und Glauben verstösst.

Eine abschliessende Liste von solchen besonderen Umständen gibt es nicht. Es muss jeweils anhand des konkreten Einzelfalls beurteilt werden, ob ein treuwidriges Verhalten vorliegt oder nicht. Im Sinne einer ganz allgemeinen Aufzählung kann man sagen, dass das Verhalten des Recruiters dann gegen Treu und Glauben verstösst, wenn er etwa bewusst mit unrichtigen Informationen arbeitet, die Kandidaten mit übertriebenen und unsachlichen Anreizen oder Vorteilen anlockt oder wenn seine Handlungen mehr auf die Schädigung des Mitbewerbers abzielen als auf die Stärkung des eigenen Unternehmens.

Zivil- und strafrechtliche Folgen

Die Verletzung des Datenschutzgesetzes und das Betreiben von unlauterem Wettbewerb können sowohl zivil- als auch strafrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Sichern Sie sich im Zweifelsfall ab

Es ist meine Erfahrung, dass es bei Recruitern häufig am Bewusstsein mangelt, dass eine gewisse Vorgehensweise rechtliche Fragen und Probleme aufwerfen könnte. Es ist dann jeweils eine böse Überraschung, wenn sie sich plötzlich mit einer Zivilklage oder gar einer Strafanzeige konfrontiert sehen. Es lohnt sich deshalb, für die rechtlichen Gefahren ein Bewusstsein zu entwickeln und im Zweifelsfall rechtzeitig juristischen Rat einzuholen. Auf diese Weise lassen sich aufwändige und kostspielige Auseinandersetzungen und Gerichtsprozesse vermeiden.

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Thomas Kälin ist Rechtsanwalt und Partner bei der Anwaltskanzlei Meyerlustenberger Lachenal. Er ist spezialisiert auf Arbeits- und Sozialversicherungsrecht und verfügt über reichhaltige Erfahrung im Prozessrecht.

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