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Risiko Stress: Bringen neue Arbeitsformen Abhilfe?

Stress am Arbeitsplatz kann schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben. Aber auch die volkswirtschaftlichen Auswirkungen sind enorm. Laut SECO belaufen sich die direkten Kosten auf rund 4.2 Milliarden Franken pro Jahr. Neue Arbeitsformen, wie etwa das Home Office oder mobiles Arbeiten, können in Sachen Stress Abhilfe schaffen. Solche Modelle müssen allerdings gut geplant und organisiert werden.

Stress ist ein Ungleichgewichtszustand zwischen persönlicher Leistung, Angeboten und den eigenen Handlungsmöglichkeiten.

Auf physischer Ebene erfolgt dabei eine erhöhte Ausschüttung von Stresshormonen wie Adreanlin, Noradrelanin oder Cortisol, welche mit molekularen Veränderungen in den Körperzellen einhergeht. Eine erhebliche und dauerhafte Aufrechterhaltung dieses Zustandes kann zur Schädigung von Blutgefässen und Immunsystem und zu Nierenversagen führen; im schlimmsten Fall ist gar mit einem Schlaganfall oder mit einem Herzinfarkt zu rechnen.

Auf psychischer Ebene wird als Folge von Stress etwa von Schlafstörungen, Angstzuständen, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen oder sozialem Rückzug berichtet. Stress entsteht, wenn die an eine Person gestellten qualitativen und quantitativen Anforderungen höher sind, als deren Möglichkeiten, diese zu bewältigen bzw. zu kontrollieren.

Nebst betriebswirtschaftlichen bestehen auch rechtliche Risiken

Neben den genannten schwerwiegenden Beeinträchtigungen des Arbeitnehmers ist Stress am Arbeitsplatz auch für den Arbeitgeber relevant, dies insbesondere aus zwei Gründen:

Erstens verzeichnen gestresste Menschen einen Produktivitätsabfall, welcher sich letztlich auf die Rentabilität des Unternehmens auswirkt. Ferner verzeichnen stressbedingte Ausfälle weitere betriebswirtschaftliche Negativfolgen wie etwa Mehrbelastung der anderen Teammitglieder, Belastung der Unternehmenskultur, Verlust von Know-How bis hin zu einem Imageverlust der Unternehmung.

Zweitens bestehen für den Arbeitgeber auch rechtliche Risiken: Zum einen in der Lohnfortzahlung beim Ausfall der Mitarbeitenden – und diese können u.U. erheblich ins Gewicht fallen - zum andern in Haftungsrisiken. Und diese Stresshaftung ist nicht bloss ein hypothetisches Konstrukt. So hat das Schweizerische Bundesgericht einer Arbeitnehmerin eine Genugtuung von CHF 10‘000 zugesprochen, da diese aufgrund von Überbeanspruchung am Arbeitsplatz eine schwere Depression erlitt und demzufolge arbeitsunfähig wurde (BGE 4C.24/2005).

Letztlich steht es Arbeitnehmern auch offen, die Arbeitsleistung zu verweigern, wenn die Stressbelastung so hoch ist, dass sie als unzumutbar erscheint. Den Lohn müssen Arbeitgeber in einem solchen Fall aber weiterhin zahlen (Art. 324 OR).

Arbeitgeber sind folglich gut beraten, die Stressthematik ernst zu nehmen. Zudem ist auch eine gewisse ethische Verpflichtung nicht abzusprechen. Es gilt daher Verhältnisse zu schaffen, die den Arbeitnehmer vom Stress entlasten.

Mobile Arbeitsformen als Stresshemmer?

Eine Möglichkeit zur Stressentlastung bieten die mobilen Arbeitsformen – dies behaupten zumindest die Befürworter. Modelle wie Home Office werden stets als fördernd für die Aufrechterhaltung einer gesunden Work-Life Balance angepriesen. Die technischen Möglichkeiten dazu sind bereits in den meisten Unternehmungen vorhanden.

Dank mehr Flexibilität und Unabhängigkeit können sich mobile Arbeitnehmer ihre Arbeitstage frei einteilen und dadurch Familie und Beruf besser miteinander vereinbaren. Ebenfalls fällt die tägliche Fahrt ins Büro weg, wodurch das Stressniveau ebenfalls gesenkt wird. Ferner können sie in einer inspirierenden Umgebung arbeiten und ihre Arbeitsleistung ihrem individuellen, zeitlichen Leistungsniveau anpassen.

All diese Vorteile führen zu einer grösseren Zufriedenheit, Motivation und Produktivität oder aber zu einem verminderten Stresshaftungsrisiko. Diese Argumentation lässt sich durch verschieden Studien belegen.

Auf der anderen Seite wird Home Office auch mit sozialer Isolierung in Verbindung gebracht, welche durch den Wegfall der kollegialen Kontakte entstehen kann. Aber auch von erhöhten physischen und psychischen Belastungen wird berichtet. Studien, die letztgenannte These stützten, nennen in diesem Zusammenhang das Problem der ständigen Erreichbarkeit oder dass Mitarbeitende ohne Probleme von zu Hause auf die Firmendaten zugreifen können. Somit findet eine zunehmende Verwässerung von Arbeit und Privatleben statt.

Nicht jeder Arbeitnehmer kann mit den neuen Freiheiten umgehen

An dieser Stelle sei die These gestützt, dass mobile Arbeitsformen Vorteile bringen. Und dies nicht nur für Mitarbeitende, auch Unternehmen und Umwelt profitieren davon, etwa durch Einsparung von Infrastrukturkosten oder durch Reduktion der CO2-Produktion. Dies belegen auch mehrere Studien.

Wie die vorgenannten Negativbeispiele aber zeigen, dürfen mobile Arbeitsformen nicht blindlings eingesetzt werden, ohne dabei auch organisatorische, unternehmens-, aber auch führungskulturelle Aspekte zu berücksichtigen. So darf mobile Arbeit keinesfalls mit ständiger Erreichbarkeit verwechselt werden. Die Form der Erreichbarkeit und zu welchen Zeiten sind daher unbedingt zu regeln und sicher zu stellen.

Ferner müssen aber auch Führungsgrundsätze den neuen Arbeitsformen angepasst werden, denn Führung von mobilen Arbeitnehmenden ist nicht gleichzusetzen mit Führung von anwesenden Mitarbeitenden.

Von Bedeutung ist der Aufbau und die Pflege eines Vertrauensverhältnisses. Vor allem aber müssen Möglichkeiten geschaffen werden, um sich über Arbeitsinhalte, -erwartungen und -ergebnisse auszutauschen. Aber auch in kultureller Hinsicht sind Veränderungen anzustreben. Es gilt ein Verständnis von mobiler Arbeit zu schaffen, das sowohl bei den Kollegen als auch bei den Vorgesetzten den durch die fehlende Kontrolle womöglich aufkommenden Verdacht des «süssen Nichtstuns» bereits im Keim erstickt.

Mobiles Arbeiten muss vielmehr als gleichwertiges Substitut zur traditionellen Büroarbeit verstanden werden. Zur Eindämmung der sozialen Isolation können gemeinsame Kernzeiten oder regelmässige Teammeetings vorbeugen. Letztlich gilt es aber auch zu bedenken, dass nicht jede Mitarbeiterin oder jeder Mitarbeiter mit den neu gewonnenen Freiheiten umgehen kann. Denn Flexibilität geht auch mit dem Fehlen von Struktur einher. Mobile Arbeit bedarf deshalb eines hohen Masses an Selbstorganisation. Entsprechende Schulungs- oder Coachingmassnahmen können diese Fähigkeit unterstützen.

Die Ausführungen zeigen, dass neue Formen der Arbeit durchaus ein Mittel gegen die zunehmenden stressbedingen Ausfälle und damit verbundenen rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Risiken sein können. Dies aber nur, sofern auch die entsprechenden Voraussetzungen seitens der Unternehmen geschaffen werden. Flexibilität seitens der Mitarbeitenden bedarf eben auch Flexibilität seitens der Unternehmen.

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Martin Sprenger ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Betriebs- und Regionalökonomie an der Hochschule Luzern. Er ist Master of Arts in Management und Master of Arts in Legal Studies. 

www.hslu.ch

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Prof. Dr. Jens O. Meissner ist Co-Leiter MAS Risk Management am Institut für Betriebs- und Regionalökonomie (IBR) an der Hochschule Luzern. Er unterrichtetet in den Fächern Organisationale Kommunikation, Innovation, Risk Management und Sozialwissenschaftliche Perspektiven von Organisationen.

www.hslu.ch

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Raphaela Ursprung ist Sozialpädagogin und Psychologin an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Olten

www.fhnw.ch

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