Messbarkeit Coaching

«Coaching wird teilweise immer noch als korrigierende Massnahme gesehen»

Coaching in Unternehmen soll als Entwicklungsmöglichkeit gesehen werden und muss mit der Unternehmensstrategie einhergehen. Diesem Umstand werde aber vielfach noch zu wenig Rechnung getragen, meint Stephan Oberli, Leadership Coach und Geschäftsführer EMEA des «Lore International Institute» mit Sitz in Zürich.

Gibt es Voraussetzungen, die einen Coaching-Prozess erfolgreich gestalten?

Stephan Oberli: Einerseits ist es wichtig, dass der Coachee «sein» Coaching selber wählen kann. Dies ist vor allem wichtig hinsichtlich der Zielsetzung, die vom Coachee durchaus als Entwicklung gesehen werden darf. Dann sind die Voraussetzungen wesentlich besser als bei einem anberaumten Coaching. Ein weiterer sehr wichtiger Punkt ist die Chemie zwischen Coachee und Coach – aus diesem Grunde sollte der Coachee immer die Möglichkeit haben, zwischen drei Coaches auszuwählen – Diversity ist hier auch ein wichtiges Argument.

Wie bewusst sind sich Unternehmen darüber, dass sie Coachings planen sollten?

Ich stelle zunehmend fest, dass Unternehmen Coaching als einen festen Bestandteil von gezielter Führungskräfte-Entwicklung sehen. Allerdings sind klare Coachingstrategien noch eher selten – d.h. Coaching als Bestandteil der Führungsentwicklung sollte sich auch an der Unternehmensstrategie ausrichten. Vor allem sollen dabei Anlehnungen an Geschäftsziele gefunden werden, anhand derer Fortschritte im Coaching gemessen werden können.

Wer sollte bei der Planung involviert sein?

Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Planung einer Coachingstrategie sehr hoch anzusiedeln ist – entweder beim Global Head of HR oder beim CLO, dem Chief Learning Officer. Zu strategischen Kick-Off-Veranstaltungen sollte möglichst auch die oberste Geschäftsleitung eingeladen werden.

Welche Vorbereitungen erachten Sie als pragmatisch und effizient?

Wir wünschen im Regelfall ein Gespräch mit dem Coachee, dem Vorgesetzten des Coachees und dem HR-Business-Partner. Diese Gespräche können einzeln erfolgen – allerdings legen wir grossen Wert darauf, mit dem Coachee und dem Vorgesetzten gemeinschaftlich ein Gespräch führen zu können. Dies ist deshalb sehr wichtig, damit alle Beteiligten die möglichen Zielsetzungen verstehen und auch einfache Messbarkeiten dem Prozess zuweisen können.

Woran scheitern Coachings aus Sicht der Sie engagierenden Unternehmen?

Hier muss ich gleich einwenden, dass nicht alle Unternehmen ihre Coachingstrategie gleich ausüben, und es gibt durchaus Unternehmen, die nur einen Coach-Anbieter nutzen. Auch möchte ich hier klar bemerken, dass die Coachings nicht scheitern, aber diverse Möglichkeiten offen lassen. So führen im westlichen Europa beispielsweise viele globale Unternehmen ihren eigenen Coach-Pool. Das bedeutet, die freischaffenden Coaches werden selbst ausgesucht, assessiert und eingesetzt. Durch diesen vom Unternehmen selbst geführten Pool werden jedoch diverse zusätzliche Elemente komplexer – wie etwa die Messbarkeit der Auswirkung, die Qualitätskontrolle und daraus mögliche Supervision – als in der direkten Zusammenarbeit mit einem oder zwei globalen Anbietern. Andererseits sehe ich immer noch Unternehmen, die Coaching nicht als die vielleicht wirksamste individuelle Entwicklungsform ihrer Führungspersonen sehen – Coaching wird teilweise immer noch als korrigierende Massnahme gesehen.

Werden die definierten Ziele des Prozesses genügend an die Unternehmensstrategie angelehnt?

Hier muss noch sehr viel Arbeit geleistet werden. Coaching in Unternehmen soll als Entwicklungsmöglichkeit gesehen werden und muss mit der Unternehmensstrategie einhergehen. Diesem Umstand wird noch zu wenig Rechnung getragen. Einerseits ist dies eine kulturelle Tatsache. So ist Coaching im angelsächsischen Raum wesentlich deutlicher anerkannt, während es in unseren Breitengraden – Deutschland, Schweiz – immer noch als Zeichen der Schwäche interpretiert wird. In eher lateinischen Kulturen sieht dies noch einmal ganz unterschiedlich aus. Also ist Kultur ein wesentlicher Faktor.

Zur Frage des Anpassens an die Unternehmensstrategie meine ich, dass dies generell noch stark zu wünschen übrig lässt. Wenige Unternehmen haben eine separate Coachingstrategie, die auch tatsächlich der Unternehmensstrategie angepasst ist. Vielmehr finden Sie heute die Anerkennung, dass Coaching in der allgemeinen Führungskräfteentwicklung ein wesentlicher Bestandteil, ein Verstärker sein soll. Dies ist immerhin ein wesentlicher Schritt in die richtige Richtung.

Welche Messmethoden der Effizienz bevorzugen Sie?

Dies ist eine schwierige Frage. Viele Messmethoden gehen einen einfachen Weg, d.h. dem Coachee werden während des Prozesses Fragen hinsichtlich der Zufriedenheit und subjektiven Wahrnehmung von Fortschritten und möglicher finanzieller Aspekte daraus gestellt. Persönlich bevorzuge ich entweder die Möglichkeit von Assessments wie das 360-Grad-Feedback vor und nach einer Coaching-Intervention oder den Einbezug des Vorgesetzten und des HR-Business-Partners in den Prozess. Diese beiden Personen geben nicht nur fortlaufenden Feedback, sondern legen auch gemeinschaftlich mit dem Coachee die Kriterien fest, an denen erkannt werden kann, ob das Coaching die angestrebten Entwicklungsresultate  erreicht.

Um diesen Prozess etwas weiterzuführen, wäre die nächste Stufe, eine grössere Anzahl von Mitarbeitenden (Peers und Direct Reports) in einer Stakeholdergruppe zu erfassen und mit diesen strukturierte Interviews vor, während und am Ende des Prozesses zu führen, vielfach auch als Vertiefung des 360-Grad-Feedbacks.

Eine Alternative wäre, mit den so genannten KPIs (Key Performance Indicators) eines Unternehmens zu arbeiten. Es ist möglich, diese KPIs genau zu untersuchen und festzulegen, welche Verhaltensweisen an diese KPIs gebunden sind. Somit könnten diese Verhaltensweisen gemessen werden, beispielsweise im Rahmen einer Mitarbeiter-Zufriedenheitsanalyse. Bessere Ergebnisse müssten zweifelsohne auch zur Verbesserung der KPIs geführt haben, da zwischen den beiden Elementen eine direkte Relevanz festgestellt wurde. Dies tönt vielleicht relativ einfach, ist aber ein recht aufwendiger Prozess und ein Art, Messbarkeiten anzugehen, die auf sämtliche Interventionen in der Führungskräfte-Entwicklung ausgedehnt werden kann und sollte.

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Connie Voigt ist 
Executive Coach bei der Firma «Inside Out» sowie Gründerin der Netzwerkorganisation «Interculturalcenter.com GmbH». Zudem ist sie Dozentin für Organizational Behavior an der Edinburgh Business School, FHNW Basel und FU Berlin.

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