Arbeit und Recht: Mitwirkungsrecht

Die Arbeitnehmervertretung im Konsultationsverfahren

Die Mitarbeitenden respektive die gewählte Arbeitnehmervertretung haben bei Massenentlassungen ein gesetzliches Mitwirkungsrecht. Dieses Recht bringt Pflichten mit sich, und die Mitwirkung hat auch Grenzen.

Wenn in den Medien von einer Massenentlassung zu lesen ist, findet sich fast immer die Erwähnung, dass mit der Arbeitnehmervertretung das Konsultationsverfahren gestartet wurde. Was sich einfach liest, ist meist das Ergebnis einer intensiven und manchmal kontroversen unternehmensinternen Auseinandersetzung, wann und wie die Arbeitnehmervertretung miteinbezogen werden soll. Diese Überlegungen im Vorfeld sind wichtig, denn das Konsultationsverfahren wird noch ruppig genug.

Das Recht ist auch eine Pflicht

Bevor ein Stellenabbau im Umfang einer Massenentlassung beschlossen wird, muss die Belegschaft, oder wenn vorhanden ihre gewählte Vertretung, über den beabsichtigten Plan informiert und gleichzeitig die Gelegenheit eingeräumt werden, Vorschläge einzureichen, wie Kündigungen anzahlmässig reduziert, vermieden oder ihre Folgen gemildert werden können.

Dieses Recht wird gelegentlich als Bürde empfunden. Statt als Bindeglied zwischen Geschäftsleitung und Mitarbeitenden fühlen sich Arbeitnehmervertretungen nämlich eher zwischen Stuhl und Bank. So kann der Wunsch aufkommen, die Verantwortung abzugeben und eine Gewerkschaft mit der Vertretung zu mandatieren. Doch die Konsultationspartner sind gesetzlich klar definiert: die Arbeitnehmervertretung, und wenn es keine solche gibt, alle Mitarbeitenden (Art. 335f Abs. 1 OR). Dritte sieht das Gesetz nicht vor, deshalb muss ein Arbeitgebender weder eine Gewerkschaft noch externe Beraterinnen oder Berater als Konsultationspartner akzeptieren. Gleichwohl ist es der Arbeitnehmervertretung erlaubt, sich durch externe Rechtsvertreterinnen und Rechtsvertreter oder Gewerkschaften beraten zu lassen.

Diese Beratungen sind ausserhalb des Firmengeländes vorzunehmen, Arbeitgebende müssen betriebsfremden Personen den Zugang nicht erlauben. Wenn es sich um bestehende Sozialpartner handelt (Gesamtarbeitsvertrag), sollten Arbeitgebende allerdings prüfen, ob sie eine Beratung vor Ort nicht doch ermöglichen wollen.

Geheimhaltung klären

In der Regel wird ein beabsichtigter Stellenabbau allen Mitarbeitenden kommuniziert und die Arbeitnehmervertretung erhält darüber hinaus weitere Informationen. Die Arbeitnehmervertretung untersteht einer generellen (relativen) Geheimhaltungspflicht gegenüber betriebsfremden Dritten (Art. 14 Abs. 1 Mitwirkungsgesetz). Betriebliche Informationen dürfen grundsätzlich nur mit den Mitarbeitenden geteilt werden. Und mit Dritten nur dann, wenn diese mit der Interessenvertretung betraut sind.

Arbeitgebende können die Verschwiegenheitspflicht zu einer absoluten erklären, wenn sie an der Geheimhaltung ein berechtigtes Interesse haben. Demnach darf die Arbeitnehmervertretung Informationen, die der absoluten Verschwiegenheit unterliegen, weder mit Kolleginnen und Kollegen noch mit externen Beraterinnen und Beratern teilen. Arbeitgebende müssen die absolute Verschwiegenheit aber explizit einfordern, damit sie zum Tragen kommt. Sie kann sich auch auf Teilinformationen beschränken. So oder so muss geklärt sein, welche Informationen absolut vertraulich sind.

Keine Verhandlung

Im Gegensatz zur gesetzlichen Sozialplanpflicht stellt das Konsultationsverfahren keine Verhandlungssituation dar. Das sollte von Beginn weg klargestellt werden. Es ist nicht die Pflicht der Geschäftsleitung, sich täglich mit der Arbeitnehmervertretung zusammenzusetzen und den geplanten Stellenabbau zu rechtfertigen. Es ist auch nicht die Aufgabe der Arbeitnehmervertretung, zu beurteilen, ob der geplante Stellenabbau richtig ist. Die gesetzliche Mitwirkung beschränkt sich nur auf das Recht, Inputs zu geben, wie Kündigungen (teilweise) verhindert oder gemildert werden könnten. Die Arbeitnehmervertretung muss den Abbauplan weder bewerten, noch muss sie diesem zustimmen oder dagegen ankämpfen.

Auch wenn es im Konsultationsverfahren zwischen Geschäftsleitung und Arbeitnehmervertretung keine Verhandlungen gibt, sollten sie sich während der Konsultationsfrist doch ein- bis zweimal treffen. So können allfällige Fragen geklärt und weiterführende Informationen abgegeben werden. Übrigens: Arbeitgebende müssen nur die Basisinformationen gemäss Art. 335f OR schriftlich liefern. Darüber hinausgehende Informationen können mündlich erteilt werden.

Von der Geschäftsleitung darf die Arbeitnehmervertretung erwarten, dass sie sich mit den eingereichten Vorschlägen auseinandersetzt und diese abwägt, bevor über den dargelegten Entlassungsplan definitiv entschieden wird. Wie weit die Geschäftsleitung ihren Entscheid begründen und in welcher Form dessen Bekanntgabe erfolgen muss, lässt das Gesetz offen. Hier sollte der Umfang in einem ähnlichen Verhältnis zu jenem der Arbeitnehmervertretung stehen. Reicht die Arbeitnehmervertretung beispielsweise einen 30-seitigen Bericht mit Vorschlägen ein, wäre eine knappe Antwort der Geschäftsleitung, dass sie darauf nicht eintreten und der Stellenabbau wie geplant vollzogen wird, nicht verhältnismässig. Damit riskiert das Unternehmen, dass die nachfolgenden Kündigungen allesamt als missbräuchlich qualifiziert werden.

Und wenn es keine Arbeitnehmervertretung gibt?

Es mag erstaunen, aber es gibt auch grosse Unternehmen, die noch keine gewählte Arbeitnehmervertretung haben. Die Konsultation muss deshalb mit allen Mitarbeitenden durchgeführt werden. Oft wird dann in aller Eile ad hoc eine Arbeitnehmervertretung gewählt. Dabei geht viel Zeit verloren und der Prozess wird zusätzlich verkompliziert.

So wertvoll die Konsultation ist, es sollte nie vergessen werden, dass sich die Mitarbeitenden so schnell wie möglich Klarheit darüber wünschen, ob der Stellenabbau vollzogen wird und wer von einer Kündigung betroffen ist. Die Geschäftsleitung und die Arbeitnehmervertretung sollten deshalb gemeinsam alles daransetzen, dass das Konsultationsverfahren gut, richtig und effizient vollzogen wird. Alles, was diesen Prozess unnötig verzögert, sollte vermieden werden.

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Brigitte Kraus ist ­Inhaberin der Agentur konzis. Sie ist Juristin und Unternehmenskommunikatorin und begleitet Unternehmen in Ver­änderungssituationen, ­insbesondere bei Betriebsübernahme, Neuausrichtung, Personal­massnahmen sowie bei der Gesprächsführung und Verhandlung mit Gewerkschaften und Arbeitnehmer­vertretungen.

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