Im Gespräch

Die neuen HR-Geschäftsmodelle auf dem Prüfstand: Projekt gescheitert?

Es ist nun bald ein Jahrzehnt her, dass das HR in einigen Schweizer Unternehmen damit begann, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Nach sechs Jahren Einsatzzeit werden die ersten bereits wieder überarbeitet. Die Modelle brachten zu viele Nachteile mit sich. Ein möglicher Ausweg aus der Misere kann eine Neudefinition der HR-Strategieentwicklung sein.

Angetreten sind die HR-Abteilungen der Vorreiterunternehmen mit einem doppelten Anspruch. Einerseits sollte Dave Ulrichs Forderung nach einer strategischeren Ausrichtung der HR-Funktion eingelöst werden. Dabei ist HR meines Erachtens einem folgenschweren Irrtum erlegen, dessen Auswirkungen auch heute noch deutlich erkennbar sind. Während Dave Ulrich eine strategische Partnerrolle für die HR-Funktion insgesamt postulierte, wurde diese in den neuen Geschäftsmodellen einer einzigen spezifischen Funktion (dem Businesspartner) übertragen, was zu einer vollkommenen Überforderung der Funktionsinhaber führte. Wir werden die Folgen und mögliche Lösungsansätze weiter unten diskutieren.

Andererseits sollten mit den neuen Geschäftsmodellen die HR-Services schneller, besser und billiger erbracht werden – dank der Einführung von Shared Services Centers. Die Rationalisierung der HR-Services sollte erst ein strategisch ausgerichtetes Geschäftsmodell möglich machen, indem sie die 
Kapazitäten für eine umfassendere und strategischere HR-Beratung freisetzen sollte. Wie weit ist dies nun gelungen?

Der Ruf des HR hat unter den 
Reorganisationen gelitten

Sicher haben die Shared Services eine Rationalisierung der Administrationsprozesse gebracht. In den meisten Unternehmen wurde dabei die Dateneingabe und -auswertung als Management/Employee Self Service der Linie übertragen. Deren Zufriedenheit hält sich allerdings in engen Grenzen. Die Anwendungen sind bei seltenem Gebrauch nur mit grossem Zeitaufwand zu bedienen. Hinzu kommt, dass die zentralisierte Rekrutierung oftmals auch nicht die erwartete Qualität erbrachte. Zwar wurde die Effizienz erhöht, aber teilweise die Effektivität verringert.

Diese Tatsachen vermindern den Nutzen der neuen Geschäftsmodelle und schaden dem Ruf des HR. Denn HR macht einen Teil seines bisherigen Geschäfts nicht mehr oder schlechter. Würde die Leistung von aussen erbracht, hätte es wohl seinen Kunden – mindestens im Bereich der HR-Serviceleistungen – verloren. Steht diesem Nachteil wenigstens ein entsprechender Vorteil gegenüber?

Leider sieht auch hier die Bilanz nicht überzeugend aus. Einzelne HR-Verantwortliche reden hinter vorgehaltener Hand sogar von einem Scheitern des Businesspartner-
Modells. Dies hat teilweise mit den Problemen der Shared Services zu tun, indem die Businesspartner einen Teil ihrer Zeit dazu verwenden müssen, ihre Kunden in der Bedienung der HR-Software zu unterstützen oder ihnen die Arbeit ganz abzunehmen. Hinzu kommt ein Problem der Kompetenzen der Businesspartner.

Vorteile ergaben sich nicht einmal bei den HR-Systemspezialisten. In den neuen Geschäftsmodellen sind sie mehrheitlich vom direkten Kundenkontakt abgeschnitten. Die Bedürfnisse der Anwender werden ihnen über die HR-Businesspartner vermittelt. Damit wird ein Filter eingebaut, mit der Gefahr, dass die Situation der Anwender zu wenig adäquat erfasst wird. Schon in der Vergangenheit waren viele HR-Systeme nicht über alle Zweifel erhaben, und durch die Reorganisation hat sich – soweit wir sehen – die Situation nicht verbessert.

HR-Leistungen müssen eine noch grössere Nutzensteigerung bringen

Aufgrund der bisherigen Erfahrungen mit den neuen Geschäftsmodellen drängt es sich auf, nach Optimierungsmöglichkeiten zu suchen. Kostenüberlegungen können im Einzelfall wohl ins Gewicht fallen, aber insgesamt waren die Hoffnungen auf Kostenoptimierungen in den letzten Jahren übertrieben. Dies geht allein schon daraus hervor, dass die laufenden Kosten der HR-Serviceleistungen normalerweise weniger als 1 Prozent der Unternehmenskosten ausmachen. Einsparungen von 20 Prozent (was schon als gut angesehen werden kann) liegen also im Bereich von 0,2 Prozent der Gesamtkosten (sofern die Kosten dann nicht einfach nur ins Linienmanagement verschoben werden) und können kaum als wirklich relevant angesehen werden. Viel wichtiger wären demgegenüber tatsächliche Nutzensteigerungen der HR-Leistungen.

Wir schlagen deshalb vor, bei der Definition des Geschäftsmodells aufbauorganisatorische Überlegungen stärker an strategische Nutzenfragen zu knüpfen: Wie können wir sicherstellen, dass unser Geschäftsmodell die Wettbewerbsposition unserer Kunden zu stärken vermag?

Aus dieser Optik tritt die Leistungserbringung der Systementwickler und der HR-Businesspartner (als strategische Partner und als HR-Berater) ins Zentrum. Die Leistungserbringung muss erstens konsequenter auf die Bedürfnisse der Kunden ausgerichtet werden. Das heisst einerseits, dass der Businesspartner zu Recht administrative Aufgaben bei sich behält. Es heisst andererseits, dass der Return on Invest bei HR-Systemen rigoros sichergestellt werden muss. Wenn die Linie schon Zeit investiert, muss dem auf allen Ebenen ein Mehrfaches an Ertrag gegenüberstehen.

Zweitens muss die Leistungserbringung Probleme der Geschäftseinheiten in der Verfolgung ihrer Ziele lösen helfen, sei dies über entsprechende Beratungsleistungen, sei dies, dass HR-Prozesse, -Tools und -Systeme so gestaltet werden, dass eine Lösung möglich wird. Die starke organisatorische Trennung von Businesspartnern und Systementwicklern macht aus dieser Sicht keinen Sinn, da beide denselben Nutzen generieren müssen: Problemlösungen für das Liniengeschäft. Deshalb müssen auch die HR-Systemspezialisten näher an die Kunden heran. Von der grösseren Kundennähe kann die genaue Bestimmung des Leistungsangebots profitieren, da genauere Kenntnisse der Kundenbedürfnisse zu einer bedarfsgerechteren Produktgestaltung führen. Konzernweite Standardlösungen sollten nur da eingesetzt werden, wo tatsächlich ein Nutzen für das Geschäft entsteht. Sonst profitiert in letzter Instanz auch der Konzern nicht.

Drittens ist die HR-Strategieentwicklung neu zu definieren. Sie ist nun wirklich kein Alltagsgeschäft, das die ganze Population von Businesspartnern betreiben muss. Strategieentwicklung ist ein periodisches Geschäft des HR-Leiters eines Unternehmens oder einer grossen Business Unit – nicht mehr.

Wie sehen die Ideen für ein künftiges 
HR-Geschäftsmodell aus?

Unser Vorschlag ändert nichts Grundlegendes an der Idee des Shared Service Centers und des Centers of Expertise. Hingegen beinhaltet es eine neue Konzeption der Schnittstellen zwischen den beiden Centern und den Kunden.

Diese Schnittstelle soll der HR-Businesspartner wie eine Art Account Manager wahrnehmen. Allerdings wird die Kundendefinition gegenüber den heutigen Modellen eine andere sein: Es sind nicht mehr einzelne Führungskräfte auf einer bestimmten Führungsebene, sondern Geschäftseinheiten als Ganzes. Selbstverständlich wird der Leiter der Geschäftseinheit als Käufer und Entscheider über die HR-Leistungen der wichtigste Ansprechpartner des HR-Businesspartners sein. Aber grundsätzlich ist dieser für umfassende Problemlösungen in der gesamten Geschäftseinheit zuständig. Damit wird er sich mit seinen Mitarbeitenden um alle Mitarbeitenden kümmern, sofern dies zum Erfolg der Geschäftseinheit beiträgt.

Das heisst auch, dass der HR-Businesspartner die Transaktionen zwischen Linie und Shared Service Center sicherstellt (nicht persönlich, sondern durch eine Assistenz). Andererseits wird er dafür sorgen, dass die Unterstützung des Kunden für alle HR-Management-Probleme funktioniert. Hierzu kann er für die jeweiligen Probleme die entsprechenden Spezialisten aus dem Center of Expertise aufbieten und allenfalls zu einem Projektteam für die Zeit der Problemlösung zusammenführen. Idealerweise sollten die HR-Businesspartner organisatorisch als eigenständige Gruppe in das Center of Expertise integriert werden und der gleichen Führung unterstehen, die den Informationsaustausch und die Kooperation zwischen Systemspezialisten und HR-Businesspartnern sicherstellt.

In diesem Modell wird der HR-Businesspartner zwar wieder mehr Kontakte haben und breiter kommunizieren müssen. Dennoch wird er in der Lage sein, grössere Einheiten zu betreuen, da er nicht für jedes Projekt das gesamte Know-how liefern muss, sondern dieses aus dem Center of Expertise beiziehen kann. In Unternehmen von wenigen tausend Mitarbeitern wird ein einziger HR-Businesspartner genügen, normalerweise in der Person des Personalleiters.

Der Kunde profitiert von besserem Service und kompetenten Lösungen

Mit diesem Geschäftsmodell kann der heutigen Überforderung der Businesspartner als omnipotente Generalisten entgegengetreten werden. Gleichzeitig ermöglicht das Modell den Spezialisten im Center of Expertise an Beratungsaufträgen teilzunehmen und damit Erfahrungen an der Front zu sammeln, welche wiederum in die Entwicklung der HR-Sys
teme einfliessen werden. Zudem wird in diesem System sichergestellt, dass sich die Linie nicht mit Administration beschäftigen muss, da der HR-Businesspartner über Assistenzressourcen verfügt, welche diese Aufgaben übernehmen. Hierzu gehören auch Rekrutierungsaufträge auf tieferen Hierarchiestufen.

Zweifellos werden mit dem Modell Skaleneffekte im Bereich der HR-Services wieder vernichtet. Diesem kleinen Nachteil stehen aber weit grössere Vorteile auf der Seite des Serviceumfangs und der dem Kunden angebotenen HR-Kompetenz entgegen. Durch die vertiefte Involvierung in die Kundenorganisation wird auch die Gewinnung von Geschäftskenntnissen erleichtert, sodass der Kunde sowohl von einem besseren Service als auch von kompetenteren Lösungen profitiert, allenfalls zu einem leicht erhöhten Preis.

Das Buch zum Thema:

Peter Meyer-Ferreira: Human Capital strategisch einsetzen. Personalwirtschaft-Buch, Köln, 1. Auflage, 2010, 280 Seiten, gebunden, CHF 75.–

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Peter Meyer-Ferreira ist Professor für Human Capital Management am gleichnamigen Zentrum der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Winterthur, das er 2003 gegründet und zehn Jahre lang geleitet hat. Zuvor war er Leiter des Fachbereichs Human Resource Management an der Fachhochschule Solothurn, Leiter Management Development in einem multinationalen Telekommunikationskonzern, IKRK-Delegierter und Dozent in der Lehrerbildung. Seine Kerngebiete in Forschung, Lehre und Beratung sind strategisches HCM, Performance Management, Compensation Management (Spezialgebiet Einstufungskonzepte) und Wissensmanagement.

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