Interview über die 4-Tage-Woche

«Die 4-Tage-Woche ist kein Allheilmittel»

Die Versprechen der 4-Tage-Woche klingen zu gut, um wahr zu sein. Sind sie das auch? Der Arbeitszeitexperte Guido Zander klärt auf.

Die 4-Tage-Woche verspricht vieles: mehr Effizienz, bessere Work-Life-Balance, mehr Arbeitgeberattraktivität. Klingt utopisch.

Guido Zander: Die Differenzierung fehlt. Das Modell ist an sich vollkommen in Ordnung. Ich störe mich jedoch an der Pauschalisierung, dass sich das Modell überall einführen lässt und alle durch die 4-Tage-Woche automatisch produktiver werden und mehr Umsatz generieren. Das ist einfach eine Fiktion.

Wieso?

In einem produzierenden Unternehmen läuft keine Anlage schneller, nur weil man jetzt vier Tage die Woche arbeitet. In den meisten erfolgreich umgesetzten Beispielen hat man die Arbeitszeit verdichtet und gehofft, dass an den vier Tagen mehr passiert, damit man sich den fünften Tag sparen kann.

Der Erfolg einer 4-Tage-Woche hängt also auch von der Branche ab.

Natürlich ist der Erfolg branchenspezifisch. Gerade in Mehrschichtbetrieben ist die Umsetzung deutlich schwieriger. Das heisst aber auch nicht, dass es unmöglich ist.

Arbeitszeitexperte: Guido Zander

Guido Zander, SSZ Beratung Guido Zander ist Dipl.-Wirtschaftsinformatiker und seit 1995 im Thema Arbeitszeit und Workforce Management aktiv. Seit 2005 ist er geschäftsführender Partner bei der SSZ Beratung. Als Vordenker ist er gefragter Keynote Speaker in den Themen Arbeitszeit und Zukunft der Arbeit. 2023 wurde er vom Personalmagazin als einer der 40 führenden HR-Köpfe ausgezeichnet.

 

Was sagen die Studien dazu?

Die Studien werden häufig falsch dargestellt. Dadurch werden die Erkenntnisse oft verallgemeinert. Zum Beispiel beschrieb die Island- Studie keine 4-Tage-Woche, sondern eine Arbeitszeitreduktion von 40 auf 36 Stunden bei den Behörden – also effektiv eine 4,5-Tage-Woche. Bei der vielzitierten UK-Studie reduzierte man die Arbeitstage von 4,8 ebenfalls auf 4,5 Tage. In der Presse hiess es dann, dass die 4-Tage- Woche umgesetzt werden konnte. Nichtsdestotrotz zeigen diese Studien eindeutig, dass sich eine Arbeitszeitreduktion positiv auf die Krankenquote, auf die Mitarbeiterzufriedenheit und ein Stück weit auf die Produktivität auswirkt.

Es muss also nicht zwingend eine 4-Tage-Woche sein.

Letztlich sollte der eigentliche Schlüssel die Flexibilität sein. Wenn die 4-Tage-Woche für ein Unternehmen passt und die Mitarbeitenden das super finden, ist das schön, aber kein Allheilmittel.

Einige Unternehmen erwägen, die Arbeitswoche zu verkürzen. Was würden Sie empfehlen?

Wir (Anm. d. Red.: SSZ Beratung) haben bereits einige Firmen in diesem Vorhaben begleitet. Zuerst prüfen wir die Wochenarbeitszeit und die Produktivität. Dann, welche Reduktion sich das Unternehmen leisten kann. Dazu gehört die Frage, ob sich das Unternehmen zusätzliche Mitarbeitende leisten kann, wenn es mal eng wird. Schliesslich braucht es eine Lösung, die für die Mitarbeitenden wirklich Vorteile bringt, aber eben auch nicht ihren Arbeitsplatz gefährdet, indem wir das Unternehmen in eine wirtschaftlich schwierige Situation bringen.

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Anführungszeichen des Zitats

 

 

 

«Die Studien werden häufig falsch dargestellt.»

 

 

 

Welche Rolle spielt KI bei der Umsetzung einer verkürzten Arbeitswoche?

Hier kommt es auf die Branche an. In der Produktion ist eher die mechanische Automatisierung das Thema. In der Wissensarbeit wird es zunehmend KI werden. Doch ich empfehle, abzuwarten, bis die Effizienzgewinne wirklich da sind, bevor man über die 4-Tage-Woche diskutiert. Über KI wird einfach zu viel spekuliert.

Sie sagen also, die 4-Tage-Woche hat Potenzial, aber wir sind etwas vorschnell in der Umsetzung?

Viele der Studien wurden erst in White-Collar-Bereichen durchgeführt. Beim Thema 4-Tage-Woche laufen wir wieder Gefahr, dass es sich zum Beispiel in der Administration verlustfrei umsetzen lässt, aber nicht in der Produktion. Wenn wir nicht aufpassen, entsteht dadurch eine Zweiklassengesellschaft.

Buchtipp: Guido Zander, Wundermittel 4-Tage-Woche?, Haufe, 2023, 150 Seiten.

Kommentieren 0 Kommentare HR Cosmos

Online-Redaktorin, HR Today. jc@hrtoday.ch

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