Führungskräfte entwickeln

Peer-Coaching: Stärkung des Rückgrats von Unternehmen

Die Zeiten, in denen das Personal einfach ausgewechselt werden kann, sind definitiv vorbei. Umso wichtiger ist es, Mitarbeitenden eine interne Entwicklung zu ermöglichen und Führungspotenzial frühzeitig zu erkennen. Peer-Coaching ist eine spannende Variante, Führungskräfte zu entwickeln und gleichzeitig das Gemeinschaftsgefühl zu stärken.

Führungskräften, die nahe bei ihren Mitarbeitenden sind, sind das Rückgrat jeder Organisation. Projekt-, Team- oder Abteilungsleitende und Co. verfügen über viel Knowhow, bringen ein hohes Commitment mit und sind näher bei den Mitarbeitenden als Führungskräfte auf höheren Führungsebenen. Sie haben massgeblichen Einfluss auf die Motivation, das Engagement, den Zusammenhalt und die Verantwortungsübernahme in ihrem Team oder in ihrer Abteilung. Zudem können sie ein effektiverer Treiber für Veränderung sein, wenn diese aus der Mitte des Unternehmens initiiert, anstatt Top-down verordnet wird.

Führungspotenzial aufdecken

Wie aber lässt sich dieses Rückgrat – die mittlere Führungsebene – aufbauen und stärken? Die erste Herausforderung für Unternehmen besteht darin, das Führungspotenzial seiner Mitarbeitenden zu entdecken. Dies geschieht meistens anhand von Leistungsbeurteilungen der Vorgesetzten in Mitarbeitergesprächen. Anschliessend bekommen gute und engagierte Mitarbeitende ihre erste Führungsposition als Projekt- oder Teamleitende.

Doch eignet sich die beste Fachkraft auch als Führungsperson? Es wird oft nicht geprüft, ob die ausgewählten Personen über das nötige Führungspotenzial verfügen. Weiter werden die neuen Führungskräfte selten bewusst auf ihre neue Rolle vorbereitet. Nicht zuletzt fehlt meist auch eine adäquate Begleitung, die gerade in der Anfangsphase wichtig wäre. Geschuldet ist dieser Umstand in der Regel den knappen Zeitressourcen.

Reflexion als Schlüssel zur Entwicklung

Viele junge Führungskräfte bemängeln, dass sie keine Führungsausbildung haben, sich gewünscht hätten, besser auf die Führungsrolle vorbereitet zu werden, und eigentlich gar keine Zeit zum Führen haben, respektive gar nicht wissen, was eine gute Führungsperson tut. Der Druck bei der Arbeit, sowie der hektische Führungsalltag lassen den Führungspersonen keinen Raum zum Nachdenken und Reflektieren. So fordert der bekannte Professor für Betriebswirtschaftslehre und Management, Henry Mintzberg, dass Führungskräfte heutzutage vor allem eins brauchen: Entschleunigung und Reflexion (Mintzberg, 2009). Peer-Coaching ist eine Methode, welches genau hier ansetzt. Denn Peer-Coaching schafft einen entschleunigten Raum, in dem Reflexion und Entwicklung ermöglicht werden. Die Rückmeldungen von Führungskräften belegen, dass die Zeit zur Selbstreflexion hilfreich ist für die Weiterentwicklung. Da genau dies im stressigen Alltag untergeht, wird diese Zeit besonders geschätzt und als wertvoll empfunden.

Aber was genau ist Peer-Coaching? Peer-Coaching ist der Aufbau von kleinen Gruppen engagierter Führungskräfte auf gleicher Hierarchiestufe, die gemeinsam Herausforderungen aus ihrem Arbeitsalltag reflektieren, diskutieren und in Beziehung zu konzeptionellen Ideen setzen. Im Peer-Coaching werden sowohl die kollektive Intelligenz eines Unternehmens genutzt, in dem verschiedene Personen ihr Wissen und ihre Erfahrungen einbringen, wie auch theoretische Konzepte, was Zugang zu einer grossen Vielfalt an Perspektiven eröffnet. Das effektive an Peer-Coaching ist, dass der Austausch immer in Kontext der Erfahrungen der Führungspersonen in der Organisation stattfindet. Dadurch haben die Themen eine hohe Relevanz für den Arbeitsalltag der beteiligten Personen, sowie einen grossen Wiedererkennungseffekt.

Die regelmässigen, geleiteten und strukturieren Treffen stellen sicher, dass sich die Führungskräfte Zeit nehmen, um über wichtige Fragen nachzudenken und zu diskutieren. Durch das Peer-Coaching werden die Teilnehmenden sowohl individuell als auch als Gruppe befähigt, sich selbst, ihr Team und ihr Unternehmen zu verbessern, wie Groysberg und Russman Halperin (2022) belegen. Ebenfalls führen sie auf, dass Peer-Coaching den Aufbau von Freundschaften und Beziehungen unterstützt, die die Führungskräfte darin unterstützen, in der unbeständigen und unsicheren Welt sicherer und geerdeter zu agieren. Im Peer-Coaching lernen die Führungskräfte zuzuhören, um zu verstehen, anstatt zuzuhören, um zu antworten, so Sylvia van Meerten, von Vynamic, wo Peer-Coaching zur Führungsentwicklung eingesetzt wird (Groysberg & Russman Halperin, 2022). So lernen die Führungspersonen in einem sicheren Umfeld sich kritisch zu reflektieren, klarer zu kommunizieren und ihre Mitmenschen wertzuschätzen, van Meerten weiter. Durch das Peer-Coaching trainieren die Führungskräfte also klassische Führungskompetenzen, die eine gute Führungskraft auszeichnen.

Gemeinsam stärker werden

Bereits in den 1990er Jahren belegten Showers and Joyce in Studien, dass Peer-Coaching gleich wirksam ist, wie die Beratung einer Führungskraft durch erfahrene Führungspersonen oder externe Berater (Showers & Joyce, 1996). Ebenso fanden sie heraus, dass sich Peer-Coaching positiv auf die Zusammenarbeit und die kollegiale Unterstützung ausserhalb des Peer-Coachings auswirkt, weil die beteiligten Personen die gemachten Erfahrungen derart schätzten (Showers & Joyce, 1995). Die Wirkung von Peer-Coaching kann mit der sozialen Lerntheorie von Albert Bandura (1977) erklärt werden, die besagt, dass lernen ein kognitiver Prozess ist, der in einem sozialen Kontext stattfindet und allein durch Beobachtung oder direkte Anweisung erfolgen kann. Das heisst konkret, dass Menschen ihre Umgebung und Verhaltensweisen von Mitmenschen beobachten, darüber reflektieren und dann neue Verhaltensweisen lernen und adaptieren.

Im organisationalen Kontext des Peer-Coachings bedeutet dies, dass Führungskräfte durch das Teilen ihrer Erfahrungen, die Reflexion darüber und das In-Beziehung-Setzen zu konzeptionellen Ideen lernen und sich weiterentwickeln, wie Management Professor Mintzberg (1973) in seinem Buch «The Nature of Managerial Work» feststellte. Ebenso zeigte sich, dass die Wirkung schnell abnimmt, wenn die Teilnehmenden versuchen, sich gegenseitig zu sagen, was sie tun sollten, anstatt sich gegenseitig unterstützen, es selbst herauszufinden.

Entfaltung von Führungspotenzial

Peer-Coaching ermöglicht eine gemeinsame Reflexion über grundlegende Themen wie Führung, Kommunikation, Rolle, Konflikte usw. und fördert somit die Entwicklung der Führungskompetenzen. Dies liefert nicht zuletzt einen wertvollen Beitrag zur Stärkung der Unternehmenskultur. Eine fehlende Reflexion kann zu schlechten Erfahrungen und Frustration führen, weil sich die Führungskraft als nicht wirksam erlebt, dies zu Verunsicherung führt, was sich wiederum negativ auf die Führungsausstrahlung auswirkt. Dies verhindert die Entfaltung und Nutzung von Führungspotenzial. Teilnehmende berichteten, das Peer-Coaching habe ein besseres Bewusstsein für die eigene Rolle als Führungskraft geschaffen, das Selbstvertrauen gestärkt und den kollegialen Austausch gefördert.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Peer-Coaching ein einfaches und sehr wirksames Instrument ist, um Führungskräfte in ihrer persönlichen Entwicklung zu begleiten und Führungskompetenzen aufzubauen.


Quellen:

Bandura, A. (1977). Social learning theory. Englewood Cliffs, NJ: Prentice Hall.

Groysberg, B. & Russman Halperin R. (2022). How to Get the Most out of Peer Support Groups. Harvard Business Review. Zuletzt abgerufen am 24.11.2022 von https://hbr.org/2022/05/how-to-get-the-most-out-of-peer-support-groups

Joyce, B., and B. Showers. (1995). Student Achievement Through Staff Development: Fundamentals of School Renewal (2nd ed.). White Plains, New York: Longman.

Mintzberg, H. (1973). The Nature of Managerial Work. New York: Harper and Row.

Mintzberg, H. (2009). Rebuilding Companies as Communities. Harvard Business Review. Zuletzt abgerufen am 24.11.2022 von https://hbr.org/2009/07/rebuilding-companies-as-communities

Showers, B., & Joyce, B. (1996). The Evolution of Peer Coaching. Educational Leadership, 53, 12-16.

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Michael Peters

Dr. Michael Peters, Outvision-People-Diagnostik-Experte und Coach Outvision GmbH beschäftigt sich seit 15 Jahren mit der Beratung von Unternehmen im Bereich People-Diagnostik und Leadership. Dadurch hilft Outvision objektiv und hochspezialisiert, die richtigen Personalentscheidungen zu treffen, Mitarbeitende stärkenbasiert einzusetzen und gezielt zu entwickeln.

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