Eine Lean-Kultur im Unternehmen entwickeln

Um auf Dauer Spitzenleistungen zu erbringen, benötigt ein Unternehmen eine auf kontinuierliche Verbesserung ausgerichtete Kultur. Mit einem sogenannten Lean-Lernprojekt legte Swisscom 2013 die Basis dafür. Das angestrebte Ergebnis sind an einem Prozess beteiligte Mitarbeitende, die zu hoher Kundenorientierung und Effizienz führen. Im Zentrum steht dabei die Entwicklung der Verbesserungskompetenz der Mitarbeitenden.

In jedem erfolgreichen Unternehmen ist die kontinuierliche Verbesserung ein integraler Bestandteil der (Führungs-) Arbeit. Mit dem so genannten «Improve»-Programm befähigt Swisscom ihre Mitarbeitenden, Verbesserungen in ihrem Umfeld zu erkennen, anzupacken und somit Verschwendung zu vermeiden. Die Improve-Aktivitäten erzielten rasch messbare Erfolge. Versuche, funktionsübergreifende Prozesse zu vereinfachen, scheiterten jedoch noch zu oft an Bereichsgrenzen. Zudem ist für viele Mitarbeitende und Führungskräfte das Streben nach Verbesserung eine Zusatzaufgabe und nicht integraler Bestandteil der Alltagsarbeit. Erst vereinzelt haben Vorgesetzte dieses Potential erkannt und systematisch in ihre Führungsagenda aufgenommen.

Lean

Der Begriff Lean Management (schlankes Management) bezeichnet Denkprinzipien, Verfahrensweisen und Tools zur effizienten Gestaltung einer gesamten Wertschöpfungskette. Lean ist eine Strategie, die zu operativer Exzellenz führt. Ziel ist es, möglichst alle Aktivitäten, die für die Wertschöpfung notwendig sind, optimal aufeinander abzustimmen und gleichzeitig überflüssige Tätigkeiten zu vermeiden. Zentral ist es, einen Future State zu formulieren, der den Mitarbeitenden Gestaltungsraum öffnet und Experimente auf dem Weg hin zum Nordstern zulässt. Unternehmen, die primär auf Lean Tools fokussiert sind, statt die Führungsarbeit zu berücksichtigen, gelingt es nicht, eine solche Kultur nachhaltig zu etablieren. Der Einbezug und die Förderung der Beteiligten ist match-entscheidend.

Startschuss für den Lean-Pilot

Anfang 2013 hat die Geschäftsleitung der Swisscom entschieden, ein Lean-Lernprojekt mit folgendem Auftrag zu starten:

  • Das Streben nach Verbesserung soll zu einem integralen Bestandteil der Kultur und Führungsarbeit von Swisscom werden.

Swisscom wählte das Münchner Beratungsunternehmen Kudernatsch Consulting & Solution als externe Begleitung und bestimmte drei unterschiedliche Bereiche, um den Ansatz mit Blick auf Kultur und Dienstleistungsgeschäft zu verstehen:

  • Privatkundenbereich (Customer Support/Hotline; Ziel: das Kundenerlebnis nach der Beschwerdenbearbeitung in eine zufriedene Ausgangslage verlängern, ohne dass dabei höhere Kosten entstehen).
  • Grosskundenbereich (Marketing & Sales; Ziel: Durchlaufzeit und Aufwand für die Offertenstellung und Projektplanung massiv senken).
  • Bereich Human Resources (Shared Services; Ziel: Aufwand für das Verwalten der geplanten Abwesenheiten (z.B. Sabbatical, Mutterschaftsurlaub) senken und Mehrwert gegenüber der Linie anbieten).

Trainingslager und Gemba-Walk zahlen sich aus

Im April 2013 absolvierte jedes Pilot-Team ein zweitägiges «Trainingslager» und vertiefte die Lean-Prinzipien anhand einer Lego-Spielsimulation. Die «Chügelibahn» (siehe Bild) zeigt das angestrebte System der kontinuierlichen Verbesserung.

Im Gemba-Walk (vor-Ort-gehen) wurden Prozessbeteiligte und Kunden an ihrem Arbeitsplatz beobachtet und befragt. Im eintägigen Wertstrom-Mapping visualisierten und diskutierten die Mitarbeitenden die gewonnenen Erkenntnisse.

Die Darstellung des Ist-Zustandes zeigt die im Wertstrom involvierten Stellen; wie lange ein Prozess dauert und welche Aufwände dabei entstehen. Mit sogenannten «Kaizen-Blitzen» markierten die Teilnehmer aus Kunden- und Unternehmenssicht die Problemzonen im Wertstrom. Statt nun den Ist-Zustand zu verbessern, formulierten die Teams einen Nordstern (idealer Zielzustand) und Wertstrom-spezifische Design-Prinzipien. Daraus erstellten sie den Ziel-Zustand – eine Wertstrom-Skizze, bloss mit den wichtigsten Aktivitäten auf Papier und Post-its.

Fokus auf Themenschwerpunkte legen

Im Ziel-Zustand wurden Themenschwerpunkte festgelegt, die dann in einzelnen Workshops systematisch (Massnahme um Massnahme) angegangen wurden. Als Herzstück des Verbesserungsprozesses gilt der PDCA-Zyklus. Er beschreibt eine Vorgehensweise in vier Phasen: die Planung einer Massnahme («Plan»), deren Ausführung («Do»), die Überprüfung der Wirkung («Check») sowie die Handlung auf diese Ergebnisse («Act»). Idee ist, dass gewisse Massnahmen zu Standards ernannt werden.

Verbesserungskompetenz der Mitarbeitenden entwickeln

Herausragende Unternehmensergebnisse sind das Resultat «guter» Prozesse. Im pilotierten Ansatz sind diese das Ergebnis «guter» Mitarbeitenden, welche die Arbeitsprozesse (Wertströme) verstehen, hinterfragen und verbessern. Dazu braucht es eine Führungsarbeit, die Mitarbeitende fordert und ihre Verbesserungskompetenz fördert. Alle Führungskräfte haben gelernt, die Mitarbeitenden individuell zu fördern, um gewünschte Verbesserungen umzusetzen.

Die Leitfragen für die Coaching-Gespräche sind:

  • Was ist der Ziel-Zustand?
  • Was ist der aktuelle Ist-Zustand?
  • Was hindert dich daran, den Ziel-Zustand zu erreichen?
  • Welches Hindernis gehst du als nächstes an und was ist dabei der nächste Schritt?
  • Wann können wir uns ansehen, was du aus dem letzten Schritt gelernt hast?

Diese Mitarbeiter-Gespräche fanden im Team an der Shopfloor-Tafel (Visualisierung der KPIs) statt. Gemeinsam wurde einmal wöchentlich die Wirkung der umgesetzten Massnahmen verfolgt und entscheiden, welche von diesen zu neuen Standards werden sollen.

Einstieg in eine Lean-Leadership-Kultur

Ein abschliessender Workshop zeigte, dass die pilotierten Methoden sich auf Dienstleistungsunternehmen übertragen lassen. Zentrale Erfolgsfaktoren sind das systematische, bereichsübergreifende Vorgehen und das gezielte Coachen der Führungskräfte.

Die Bilanz nach einem Jahr: Dieser Ansatz erntet nicht rasch «tief hängende Früchte», sondern macht die Mitarbeitenden zu Obstgärtnern. Die Konsequenz des Vorgehens mit dem selektiven Einsatz einzelner Methoden wie die Coaching-Kata, PDCA und visuelles Management (KPIs auf der Shopfloor-Tafel) eignen sich sehr gut, um die Unternehmenskultur zu entwickeln und damit das Streben nach Verbesserung zu verankern.

Der Lean-Ansatz kommt bei Swisscom in der nächsten Phase in weiteren Wertströmen zum Einsatz. Die beteiligten Mitarbeitenden aus dem Pilot sind dazu wunderbare Botschafter für ihre Kollegen, die nun Bekanntschaft mit diesem etwas langsameren, aber intensiven und nachhaltigen Vorgehen machen.

Kommentieren 0 Kommentare HR Cosmos

Lars Diener-Kimmich leitet das Improve-Programm bei Swisscom AG und hat das Lean-Pilotprojekt geleitet. Er tritt auch als Referent zu den Themen «Lean Leadership», «Design Thinking» sowie «Continuous Improvement» auf. Er ist Vater von drei Kindern, begeisterter Windsurfer und Blogger (http://ludensfaber.wordpress.com/).

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Dr. Daniela Kudernatsch ist Inhaberin der Unternehmensberatung Kudernatsch Consulting & Solutions, Stasslach bei München. Sie unterstützt Unternehmen bei der Einführung von Lean Management, Lean Leadership, KATA und Hoshin Kanri (Policy Deployment). www.kudernatsch.com

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