HR Today Nr. 1/2023: Debatte

Ist Gen Z zu anspruchsvoll?

Über die junge Generation wird viel geschrieben, vor allem, dass sie viele Forderungen stellt und Arbeit für sie nicht mehr der wichtigste Wert ist. Eine Debatte.

Benjamin Visser, allygatrBenjamin Visser

CEO und Gründer von Allygatr sowie operativer HR-Tech Venture Capitalist

 

«Wovon reden wir, wenn wir von der «Gen Z» sprechen? Vermutlich hat jede und jeder ein anderes Bild vor Augen. Was mir auffällt: Individuelle Unterschiede sind grösser als die Gemeinsamkeiten der Generation Z. Wenn ich mir unser Team ansehe, sehe ich sehr viel Persönlichkeit und Individualität. Keine und keiner ist wie die oder der andere. Eines aber eint die Gen Z: Sie brennen für ihren Job. Das ist vor allem für Arbeitgebende harte Arbeit. Wieso?  Weil die Gen Z sich nichts bieten lässt, was nicht (zu ihr) passt. Die Gen Z steht meines Erachtens so sehr für sich und ihre Werte ein, wie kaum eine andere Generation vor ihr. Ganz besonders hervorzuheben ist dabei die Sinnhaftigkeit. Über allem schwebt bei ihnen die Frage: «Warum soll(te) ich das machen?» Ergibt die Arbeit allgemein oder der Arbeitsauftrag im Speziellen keinen Sinn, fällt es der Gen Z schwer, sich zu motivieren. Um gar nicht erst dorthin zu kommen, wird genauestens geprüft, ob sie zur Firma oder dem Job passen. Dann kann es aufseiten der Arbeitgebenden hin und wieder sehr ungemütlich werden. Ich glaube, das ist alles richtig und wichtig. Manchmal wünsche ich mir, die Gen Z wechselte ihre Perspektive und stellte sich Fragen wie:

  • Wie sieht das von meiner Seite aus, wie von der Seite des Arbeitgebenden?
  • Kann ich das erwarten oder kann mein Unternehmen das überhaupt noch stemmen?
  • Was habe ich schon alles und braucht es das (wirklich auch) noch?

Wir leben im New Work: Das fängt an mit flachen Hierarchien, geht über viel Respekt und Transparenz, von passenden Aufgaben und Kreativität bis hin zu vollständiger Freiheit bei der Frage: Homeoffice oder Büro? Ist die Gen Z dann im Büro, höre ich oft als Erstes «Oh Mann, schon wieder keine Hafermilch da!». Dann muss ich schmunzeln. Und gleichzeitig freut mich das auch, wenn das ein Problem ist, bin ich als Chef glücklich. Solche «Probleme» sind ja in Wirklichkeit gar keine.»


Ioannis Martinis HWZ

Ioannis Martinis

Head Legal Tech Coop Rechtsschutz

 

Maximal unverbindlich soll sie sein und Schwierigkeiten haben, Entscheidungen zu treffen. Sie stehe unter enormem Leistungsdruck, suche Geborgenheit in der Familie und sei immer online. Über die Generation Z wird viel geschrieben. Was davon zu halten oder wahr ist, wissen nur deren Vertreterinnen und Vertreter. Über einen Kamm scheren lässt sich diese Generation genauso wenig wie alle Generationen vor und nach ihr.

Allerdings steht fest, dass die Gen Z bereits im digitalen Holozän aufgewachsen ist; geprägt von der Plattform-Ökonomie, von Apps, eCommerce und dem Smartphone. Ein Umstand, der einen erheblichen Einfluss auf ihr Verhalten hat. Ein Verhalten, mit dem einige Arbeitgebende anscheinend Mühe haben, weil sie diese jungen Menschen als besonders anspruchsvoll wahrnehmen.

Trifft die Gen Z auf einen Wirtschaftszweig, der sich mit Veränderung schwertut, wird es besonders spannend. Beispielsweise in der Rechtsbranche, in der grosse Innovationen im Grunde seit der Entwicklung des Codex Hammurapi vor rund 4000 Jahren ausgeblieben sind. Eine Branche, in der die digitale Transformation zudem nur in kleinen Schritten vorankommt. Es dürfte junge Arbeitnehmende amüsieren, zu sehen, wo wir 2022 in der Rechtsbranche in Sachen Digitalisierung stehen. Umso grösser die Herausforderung der Arbeitgebenden, die Gen Z nicht nur mit monetären Anreizen zu begeistern, sondern mit einem Arbeitsumfeld, das den Ansprüchen echter «Digital Natives» gerecht wird. Insbesondere, wenn ein Unternehmen die besten Talente sucht.

Wer einen Effort macht, profitiert doppelt: Die Firma gewinnt gute Mitarbeitende und auch solche, welche die angestossene digitale Transformation mit frischen Impulsen vorantreiben. Damit verschafft sich ein Betrieb einen erheblichen Vorteil gegenüber seiner Konkurrenz. Es ist unbestritten, dass Technologie erheblich verändert, wie Rechtsdienstleistungen erbracht und konsumiert werden. Die Schlagworte heissen «Legal Tech» und «New Law».

Erstmals in der Rechtsgeschichte tangiert Technologie den Kernbereich der juristischen Tätigkeit: den versierten, präzisen Umgang mit der menschlichen Sprache. In diesem neuen Zeitalter werden sich Rechtsdienstleister an der Spitze befinden, die sich dieser Veränderungen bewusst sind und den Wandel mitgestalten. Und wer könnte das besser als junge Talente mit einer frischen Denke?


Ivana Baumann, HRworksIvana Baumann

Head of HR & Recruiting, HRworks GmbH

 

«Wie sehen meine Entwicklungsmöglichkeiten aus? Kann ich zu 100 Prozent im Homeoffice arbeiten? Und wann fängt bei Ihnen der Feierabend an? Für Bewerberinnen und Bewerber älterer Generationen wären diese Fragen undenkbar gewesen. Doch für Angehörige der Generation Z gehören sie zunehmend zum Standard.

Ist das schlimm? Grundsätzlich nicht. Denn die Arbeitswelt hat sich entwickelt und stellt die Mitarbeitenden mitsamt ihren Bedürfnissen immer mehr in den Mittelpunkt. Doch gelegentlich beschleicht HR-Managerinnen und -Manager das Gefühl, dass die neuen jungen Kolleginnen und Kollegen die vielen Verbesserungsmassnahmen von HR als selbstverständlich ansehen und dann auch noch mehr fordern. Und ganz ehrlich, wer wünscht sich nicht das perfekte Verhältnis von Freizeit und Arbeitsleben?

Bei Mitgliedern der Gen Z geht der Wunsch nach maximaler Flexibilität aber oft mit einer gewissen Unverbindlichkeit einher, die vor nichts Halt macht: weder vor der Beziehung noch vor dem Job. Die Generation Z legt sich ungern fest, denn das Glück könnte gleich um die nächste Ecke warten. Natürlich stellen sie für Mitarbeitende der Personalabteilungen eine Herausforderung dar, wenn sie grösstmögliche Freiheiten für sich wünschen, dabei aber nur wenige Garantien bieten.

Letztendlich hilft hier vor allem eines, nämlich ein regelmässiger Austausch. Nur so lassen sich die Wünsche der Gen Z mit den Unternehmensinteressen in Einklang bringen. Und nur so entsteht bei der neuen Generation von Arbeitnehmenden das Verständnis dafür, dass eine Arbeitsbeziehung ein Geben und Nehmen ist für beide Seiten. Obwohl dieser ständige Austausch herausfordernd ist, lohnt er sich für HR. Denn die Generation Z bestimmt den künftigen Arbeitsmarkt. Je früher sich Unternehmen auf deren Bedürfnisse einstellen, desto eher profitieren sie von den Qualitäten der neuen Arbeitnehmenden. Denn durch ihre digitale Affinität bringen sie unverzichtbare Qualifikationen für die Arbeitswelt von heute und von morgen mit.»

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