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Alle gegen Einen? Tipps für Führungskräfte in der Kritik

Kritik am Chef kommt nicht nur in den sprichwörtlich besten Familien, sondern auch in den erfolgreichsten Teams vor. Es gibt viele Gründe, warum Führungskräfte in die Kritik der Mitarbeiter geraten. Ursula Wawrzinek darüber, wie Führungskräfte konstruktiv damit umgehen können.

Spitzenreiter der kritisierten Führungskräfte ist der Chef, der keine Zeit für Führung hat. Er geht in der Fachaufgabe unter und vernachlässigt seine Führungsaufgaben sträflich. Zu Missverständnissen kommt es, wenn der Chef «verdeckte» Aufträge des Topmanagements erfüllen muss. Er wird dann als vermeintlicher Gegner wahrgenommen. Schwierig ist für Mitarbeitende auch der Umgang  mit dem neuen Chef, der die Historie nur unzureichend würdigt und allen das Gefühl gibt, dass in der Vergangenheit keine gute Arbeit geleistet wurde. Schliesslich kann es auch an der Person selbst liegen: Jemand zeigt beispielsweise mangelnde Führungskompetenzen oder pflegt einen ungünstigen Führungsstil. Wer zum Beispiel seine Mitarbeiter anschreit, erweist er sich der Würde seiner Rolle nicht gewachsen. Zu Missgunst zwischen den Mitarbeitenden kommt es, wenn Chefs unzureichend mit ihrem Team kommunizieren, dieses mit Arbeit überladen oder ihre Lieblinge bevorzugen.

Aus Angst vor negativen Konsequenzen drücken die meisten Mitarbeiter ihre Unzufriedenheit nur subtil aus – in Anspielungen, eigenartigen Kommentaren, Ironie oder ablehnender Körpersprache. Wer da nicht Meister im «zwischen den Zeilen lesen» ist, deutet die Anzeichen möglicherweise vollkommen falsch und erkennt die Brisanz nicht rechtzeitig.

Hinter dem Rücken vom Chef wird die Kritik heftig geäussert. Manchmal führt das dazu, dass sich die Mitarbeiter im Schutz der Gruppe an höherer Stelle über den Boss beschweren. Dann wird es schwierig: das Ganze ist nämlich kein sachliches Problem, sondern eine hoch emotionale Angelegenheit. Der Chef fühlt sich angegriffen und versteht nicht, warum sich die Mitarbeiter mit ihrer Kritik nicht direkt an ihn wenden. Doch auch die Mitarbeiter sind sauer, enttäuscht, verzweifelt und denken: jetzt reicht es, jetzt muss was passieren.

Verhaltenstipps:

Ihre Einstellung ist jetzt mindestens der halbe Erfolg. Die Kunst besteht darin, Ihre abwehrenden Gefühle zu überwinden und sich der Kritik stellen. Nur das bringt Sie jetzt weiter. Doch wie?

  1. Entdramatisieren Sie die Situation
    Falsch: Sie nehmen den Angriff persönlich und fühlen sich gekränkt, hintergangen, ungerecht behandelt und bedroht. Das ist absolut verständlich. Doch so umfassend brauchen Sie die Kritik nicht an sich heranzulassen.
    Richtig: Machen Sie sich bewusst, dass Sie nicht als Privatperson mit Ihrem Wesen in der Kritik stehen, sondern dass es lediglich darum geht, wie Sie Ihre Führungsrolle ausüben. Das hilft Ihnen Abstand zu gewinnen und sich auf den Führungsjob zu fokussieren.
     
  2. Öffnen Sie sich für die Anliegen Ihrer Mitarbeiter
    Falsch: Indem Sie Ihre Enttäuschung über das Vorgehen der Mitarbeiter ausdrücken und aufzeigen, wie sehr Sie das kränkt, stellen Sie Ihre Gefühle in den Vordergrund. Die Mitarbeiter fühlen sich mit ihren Problemen nicht wahr- und ernstgenommen.
    Richtig: Geben Sie die Erlaubnis, dass die Kritik offen Ihnen gegenüber ausgesprochen werden darf. Sie holen damit die Hintergrundgespräche in den Vordergrund. Dadurch können Sie sie greifen und damit umgehen.
     
  3. Nehmen Sie die Kritik an
    Falsch: Missverständnisse aufklären, sich rechtfertigen, Aussagen korrigieren, Erklärungen oder gar einen Gegenangriff starten vermitteln das Gefühl, dass Sie die Kritik abwehren und nicht ernst nehmen.
    Richtig: Nehmen Sie die Kritik an. Indem Sie aufmerksam zuhören, sich Notizen machen und lediglich Verständnisfragen stellen, vermitteln Sie, dass Sie die Anliegen Ihrer Mitarbeiter ernst nehmen.

So gehen Sie mit Ihrem Team ins Gespräch:

  • Laden Sie zeitnah zu einem Teammeeting ein. Benennen Sie schlicht und ergreifend die Wahrheit der Situation. Das heisst, Sie beschreiben mit neutralen Worten, wann, wo, wie und welche Informationen Sie erhalten haben, ohne die Dinge zu bewerten.
  • Bringen Sie zum Ausdruck, dass Sie die Sicht Ihrer Mitarbeiter hören und verstehen möchten. Erteilen Sie also ausdrücklich die Erlaubnis zur Kritik und ermutigen Sie zur Offenheit.
  • Schliessen Sie das Gespräch ab, indem Sie sich für die Offenheit bedanken. Zeigen Sie, dass Ihnen das Thema am Herzen liegt. Kündigen Sie an, dass Sie darüber nachdenken werden und wieder auf die Gruppe zugehen werden, um aufzuzeigen, wie es weitergeht. Drücken Sie Zuversicht aus.
  • Lösen Sie die Probleme nicht alleine. Ihre Mitarbeiter wissen genau, was sie brauchen und können konkrete Vorschläge machen. Treffen Sie gemeinsame Vereinbarungen, deren Umsetzung Sie konsequent sicherstellen.
  • Behalten Sie das Thema im Auge. Setzen Sie es in regelmässigen Abständen auf die Tagesordnung und reflektieren Sie gemeinsam, was besser geworden ist und wo noch nachjustiert werden muss.

Manchmal ist der Konflikt zu weit fortgeschritten, als dass dies eine einzelne Führungskraft alleine regeln könnte. In solchen Fällen zeigen Sie keine Schwäche, sondern demonstrieren Professionalität, wenn Sie Hilfe von aussen holen. Die Personalabteilung wird Ihnen einen erfahrenen Konfliktberater oder eine Hilfe zur Selbsthilfe empfehlen.

 

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Ursula Wawrzinek ist Expertin für strategische Konfliktlösung im Unternehmen, Fachbuchautorin und hat einen Selbstlernkurs für Führungskräfte entwickelt, die in der Kritik ihrer Mitarbeiter stehen. www.konfliktberaterin.de

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