Adventsserie 2020: Corporate Learning

Das Lernen von (spätestens) Morgen

In diesem letzten Artikel der Adventsserie 2020 möchte ich einen Blick in die (hoffentlich nahe) Zukunft wagen und skizzieren, wie Lernen und Arbeiten als zwei Seiten einer Medaille aussehen könnten.

Jeannine arbeitet in der Produktentwicklung, Pierre ist im Kundendienst tätig, Carla leitet eine Entwicklungsabteilung und Tom ist Spezialist für Online-Marketing. Sie sind alle in der gleichen Softwarefirma beschäftigt, mögen ihren Job und sind stets bestrebt, ihre Business-Ziele zu erreichen.

Wenn Jeannine ein neues Produkt entwickelt, führt sie mit ihren Kolleginnen einen Workshop durch, in dem sie aus Konkurrenzanalysen, Marktstudien und Kundenbefragungen die Bedürfnisse an ihrem neuen Verkaufshit ableiten, um diesen dann nach bewährtem Vorgehen zu entwickeln. Wenn sie damit fertig sind, geben sie die Spezifikationen an die Entwicklungs- und Marketingabteilung weiter, damit diese für die Umsetzung und den Absatz sorgen können. Der Kundendienst erhält eine Schulung und ist damit bestens gerüstet, um die Kundinnen bei Fragen und Problemen mit dem Produkt zu unterstützen.

Unsere vier Kolleg*innen kennen sich nicht persönlich, schimpfen aber gerne herzhaft über die mangelhaften Leistungen der jeweils anderen. Pierre muss es ausbaden, wenn die Funktionen des Produkts an den tatsächlichen Bedürfnissen der Kundinnen vorbeigeht. Jeannine ärgert sich über das wenig intuitive User Interface aus der Entwicklungsabteilung. Tom hat Mühe, aus den banalen Funktionen das Next-Big-Thing zu vermarkten. Und Carla schafft es nie, in der knappen Frist und mit ständig eintrudelnden Erweiterungen, ein stabiles und durchdachtes Produkt fertigzustellen.

Voneinander lernen

Was hat das nun mit Lernen in der (hoffentlich nahen) Zukunft zu tun? Wenn Jeannine ein neues Produkt entwickeln muss, lernt sie zuerst, was der Markt sagt, wie der Wettbewerb agiert und was den Kundinnen auf ihre Fragen zu antworten ist. Jeannine könnte aber – bevor sie dann endlich loslegt – noch viel mehr lernen. Zum Beispiel von Pierre. Pierre ist jeden Tag mit den gemeinsamen Kundinnen in Kontakt und weiss viel über deren Bedürfnisse und Wünsche. Auch Tom könnte von Pierre lernen, nämlich, wie er Interessierte oder neue Kundinnen an besten mit seinen Werbebotschaften erreicht. Und von Carla könnte Jeannine jede Menge über Softwareentwicklung lernen.

Wenn sich unsere vier Arbeitskolleg*innen nun vernetzen und regelmässig austauschen, können sie jederzeit voneinander lernen. Und sie können auch miteinander lernen, indem sie gemeinsam neues Wissen erzeugen. Zum Beispiel könnten Jeannine und Pierre zusammen das neue Produkt designen, mit Carlas Mitarbeit dann ein Userinterface entwerfen, das auch Pierre im Kundendienst entlasten würde. Und Tom hätte so die Gelegenheit, tiefer ins Thema einzutauchen und mehr Munition für seine Marketingsalven zu erhalten.

Das ist aus meiner Sicht das Lernen von Morgen – auch, wenn wir besser schon heute damit beginnen sollten. Es findet nicht mehr vorwiegend in formalen Lernsettings statt, es ereignet sich zwischen Menschen, es ist in die Arbeit eingebettet, es überlässt die Organisation denen, die lernen wollen.

Stellen Sie sich dieses Szenario einmal in Ihrer Organisation vor. Und stellen Sie sich die Frage, was sich an Rahmenbedingungen und Kultur ändern muss, damit die Menschen beginnen, auf eine solche Weise ihr eigenes Lernen zu gestalten. Vernetzen Sie sich dann mit Menschen, die Ähnliches wie Sie vorhaben (am besten auch aus anderen Organisationen). Schaffen Sie – während Sie selber Erfahrungen mit dem neuen Lernen machen – co-kreativ neues Wissen über das neue Lernen in Organisationen. So schliesst sich der Kreis.

Kommentieren 0 Kommentare HR Cosmos

Mit seiner Firma Participation.Rocks unterstützt Martin Geisenhainer Organisation bei der Einführung partizipativer Lern- und Arbeitsformen. Zudem ist er Founder und Mitorganisator des Swiss Social Collaboration Summit und lizensierter Working Out Loud Coach.

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