Behavioral Branding

Das Mitarbeiterverhalten prägt den Markenerfolg

Massenmediale Branding-Massnahmen reichen nicht aus, um ein Produkt stark zu machen. Sie müssen vielmehr kombiniert werden mit einem markenkonsistenten Auftreten des Personals. Denn jede Form des Mitarbeiterverhaltens beeinflusst die Markenwahrnehmung. Mit dieser Herausforderung befasst sich das Behavioral Branding.

Die zentralen Ziele der Markenführung sind der Aufbau und die Pflege von starken Marken. Die Profilierung einer Marke erfolgt durch die Kommunikation der Markenidentität.

Die Markenidentität sollte die «wesensprägenden Merkmale, [für die] die Marke zunächst nach innen und später nach aussen stehen soll» (Meffert/Burmann 2005, S. 53) zum Ausdruck bringen. Sie kann dabei spezifische Kompetenzen hervorheben («Freude am Fahren» bei BMW), auf differenzierende Persönlichkeitseigenschaften abstellen («We try harder» bei Avis) oder aber einen spezifischen Kundennutzen in den Vordergrund stellen («Be MINI» bei MINI).

Im Zentrum des Markenmanagements stand sowohl in der Praxis als auch in der Wissenschaft jahrzehntelang die massenmediale Markenkommunikation. Der Einfluss der persönlichen Kommunikation von Mitarbeitenden auf die Markenwahrnehmung von Kunden und anderen Anspruchsgruppen blieb hingegen lange Zeit unberücksichtigt.

Der Behavioral-Branding-Ansatz greift diese Herausforderung auf. Er fordert, massenmediale Branding-Massnahmen und persönliche Kommunikation als relevante Determinanten der Markenwahrnehmung zu berücksichtigen und aufeinander abzustimmen. Gelingt dies nicht, sind Unternehmen nicht in der Lage, starke Marken aufzubauen.

Stu­dien zur Relevanz von Servicequalität implizieren, dass das Markenerlebnis des Kunden stark durch die persönliche Interaktion mit dem Mitarbeiter geprägt wird (Bendapudi/Bendapudi 2005) und die Loyalität gegenüber der Marke erhöht (Zeithaml/Berry/Parasuraman 1996). Zudem wurde nachgewiesen, dass markenkonsistentes beziehungsweise -inkonsistentes Mitarbeiterverhalten die mit einer Markenpersönlichkeit verbundenen Assoziationen positiv oder negativ beeinflusst (Wentzel/Tomczak/Herrmann 2008).

Insbesondere Mitarbeiter mit direktem Kundenkontakt finden sich in der Rolle von Markenbotschaftern wieder, von denen Kunden ein markenkonsistentes Auftreten erwarten. Brand Behavior umfasst jede Form verbalen und nonverbalen Mitarbeiterverhaltens, das die Markenwahrnehmung und den Markenwert direkt oder indirekt beeinflusst (Henkel/Tomczak/Wentzel  2007).

1. Schritt: Behavioral Branding in die Markenstrategie integrieren

Die Prämisse eines markenkonsistenten Mitarbeiterverhaltens stellt eine unternehmens­übergreifende Zielsetzung dar (siehe Abbildung unten). Folglich ist auf einer ersten Zielebene zunächst die Geschäftsleitung ­beziehungsweise das Topmanagement aufgefordert, den Beitrag der Marke zum Unter­nehmenserfolg im Sinne einer Markenvision zu formulieren.

Diese Vision gilt es, auf der zweiten Zielebene zu konkretisieren. Als Ziel­dimension empfiehlt sich dabei der Markenwert. Dieses Konstrukt bildet sowohl den finanziellen als auch immateriellen Beitrag der Marke zum Unternehmenserfolg ab.

Betrachtet man den Kunden als wichtigsten Stakeholder des Unternehmens, ist es auf der dritten Zielebene erforderlich, eine weitere Konkretisierung des Ziels Markenwert aus Kundensicht vorzunehmen. Zu berücksichtigende Determinanten sind Markenbekanntheit und Markenimage (Keller 1993).

Um die Markenwahrnehmung des Kunden positiv zu beeinflussen, bedarf es auf der vierten Zielebene schliesslich der Optimierung des markenkonsistenten Mitarbeiterverhaltens. Um dieses Ziel zu erreichen, sind konkrete Ziele in Bezug auf die zentralen Treiber des Brand Behavior – nämlich Marken­wissen, -commitment und -fähigkeiten der Mit­arbeitenden – zu formulieren.

2. Schritt: Den Brand Behavior-­Funnel als Bezugsrahmen nutzen

Als Bezugsrahmen für die Strategieentwicklung und -implementierung eignet sich der Brand-Behavior-Funnel (Funnel = Wirkungskette; siehe Abbildung Seite 26). Drei Bedingungen müssen erfüllt sein:

  • Markenwissen: Die Mitarbeiter müssen wissen und verstehen, wofür die Marke steht und wie ihr spezifisches Verhalten zur Markenbildung beiträgt (Henkel et al. 2008). So unterscheidet sich das markenkonforme Verhalten eines Servicemitarbeiters in vielerlei Hinsicht von dem eines Aussendienstmitarbeiters. Beide Mitarbeitergruppen müssen ein auf ihr Jobprofil zugeschnittenes Wissen besitzen.
  • Markencommitment reflektiert das «Wollen» der Mitarbeiter, das heisst die freiwillige Verpflichtung, sich im Sinne der Marke zu verhalten (Wentzel/Tomczak et al. 2012). Esch/Strödter (2012) definieren Markencommitment als «die psychologische Bindung der Mitarbeiter gegenüber ihrer Unternehmens-, Familien- oder Produktmarke, die zur Bereitschaft führt, Anstrengungen im Sinne dieser Marke zu ergreifen».
  • Markenspezifische Fähigkeiten umfassen physische und psychische Fertigkeiten, die ein Mitarbeiter besitzen muss, um Markenwerte in der Interaktion mit Kunden auch tatsächlich zu vermitteln (Wentzel/Tom­czak et al. 2012). Fähigkeiten können sowohl angeboren sein (zum Beispiel Intelligenz) als auch erlernt werden (zum Beispiel Fremdsprachen). So muss zum Beispiel ein BMW-Verkäufer die Kompetenz besitzen, das Auto technisch zu erklären, er muss aber auch die sozio-emotionalen Fähigkeiten haben, das BMW-Markenversprechen «Freude am Fahren» gegenüber der Kundschaft zum Ausdruck zu bringen.

3. Schritt: Behavioral Branding durch transformationale Führung umsetzen

Die erfolgreiche Implementation von Brand Behavior erfordert die konsequente Planung und Ausrichtung aller Unternehmensaktivitäten an den Markenwerten des Unternehmens. Zu unterscheiden sind Aktivitäten,

  • die auf die Förderung des einzelnen Mit­arbeiters zielen (wie Storytelling, Markenwelten, Markenschulungen und -workshops),
  • von solchen, die Strukturen und damit die Rahmenbedingungen für ein erfolgreiches Brand Behavior schaffen (unter anderem Führung, Rekrutierung, Empowerment, Anreiz- und Belohnungssysteme, Aufbau- und Ablauforganisation).

Von besonderer Bedeutung für das Behavioral Branding ist die Rolle der Führung. Nur wenn Führungskräfte sich selbst als Markenbotschafter begreifen und entsprechend handeln, können sie auch ihre Mitarbeiter zu Fans der eigenen Marke machen.

In Anlehnung an Bass (1985) ist zwischen markenorientierter transaktionaler Führung und markenorientierter transformationaler Führung zu unterscheiden (Tomczak/Morhart/Jenewein 2008; Morhart/Herzog/Tomczak 2009). Markenorientierte transaktionale Führung gibt konkrete Verhaltensstandards vor, wie Mitarbeiter ihre Rolle als Repräsentanten der Marke auszuüben haben, und sanktioniert ­deren Einhaltung. Sie überwacht aktiv das Verhalten der Mitarbeiter im Hinblick auf Konformität mit den vorgegebenen Rollenstandards und schreitet korrigierend bei Abweichungen ein.

Markenorientierte transformationale Führung artikuliert hingegen eine bestechende und differenzierende Marken­vision, die bei den Mitarbeitern Begeisterung und Stolz für die Marke weckt. Der Vorgesetzte lebt die Markenwerte selbst vor und steht den Mitarbeitern als Mentor zur Seite, um aus den Markenversprechen Implikationen für ihr tägliches Handeln abzuleiten.

Transformationale Führung fördert so die Integration der Marke in das Selbstkonzept des Mitarbeiters über reines Rollenverhalten hinaus. Aktuelle Ergebnisse der Forschung zeigen, dass die positivsten Effekte resultieren, wenn zugleich stark transformational und moderat trans­aktional geführt wird (Morhart/Herzog/Tomczak 2009).

Quellen

  • Bass, B. M. (1985): Leadership and Performance Beyond ­Expectations, New York
  • Bendapudi, N. / Bendapudi, V. (2005): Creating the Living Brand, in: Harvard Business Review, Vol. 83, No. 5, S. 124–132
  • Esch, F.-R. (1998): Wirkung integrierter Kommunikation, ­Forschungsgruppe Konsum und Verhalten, Wiesbaden
  • Esch, F.-R. / Strödter, K. (2012): Aufbau des Markencommitment in Abhängigkeit des Mitarbeiter-Marken-Fits, in: Tomczak, T. /  Esch, F.-R. /  Kernstock, J. / Herrmann, A. (Hrsg.), Behavioral Branding – Wie Mitarbeiterverhalten die Marke stärkt, Wiesbaden, S. 141–159
  • Henkel, S. / Tomczak, T. / Wentzel, D. (2007): Bringing the Brand to Life: Structural Conditions of Brand Consistent ­Employee Behavior, in: Thexis, Heft 1, S. 13–16
  • Henkel, S./Tomczak, T./Heitmann, M./Herrmann, A. (2007): Managing brand consistent employee behaviour: relevance and managerial control of behavioural branding, in: Journal of Product & Brand Management, Vol. 16, No. 5, S. 310–320
  • Keller, K. L. (1993): Conceptualizing, Measuring, Managing Customer-Based Brand Equity, in: Journal of Marketing, Vol. 57, No. 1, S. 1–22
  • Meffert, H. / Burmann, C. (2005): Theoretisches Grund­konzept der identitätsorientierten Markenführung, in: Meffert, H. /  Burmann, C. / Koers, M. (Hrsg.), Markenmanagement – Identitätsorientierte Markenführung und praktische Umsetzung, 2. Aufl., Wiesbaden, S. 37–72
  • Morhart, F. M. / Herzog, W. / Tomczak, T. (2009): Brand-Specific Leadership: Turning Employees into Brand Champions, in: Journal of Marketing, Vol. 73, (Sept. 2009), S. 122–142
  • Tomczak, T. / Herrmann, A. / Brexendorf, T. / Kernstock, J. (2005): Behavioral Branding – Markenprofilierung durch persönliche Kommunikation, in: Thexis, Heft 1, S. 28–31
  • Tomczak, T. / Morhart, F. / Jenewein, W. (2008): Markenorientierte Mitarbeiterführung, in: Bauer, H. H. /  Huber, F. / Albrecht, C.-M. (Hrsg.), Erfolgsfaktoren der Markenführung: Know-how aus Forschung und Management, München, S. 179–191
  • Tomczak, T. / Esch, F.-R. / Kernstock, J. / Herrmann, A. (2012) (Hrsg.): Behavioral Branding – Wie Mitarbeiter­verhalten die Marke stärkt, 3. Auflage, Wiesbaden
  • Wentzel, D. / Tomczak, T. / Herrmann, A. (2008): Wirkung des Mitarbeiterverhaltens auf die Markenpersönlichkeit, in: Marketing ZFP, Vol. 30, No. 3, S. 133–146
  • Wentzel, D. / Tomczak, T. / Kernstock, J. / Brexendorf, T. / Henkel, S. (2012): Der Funnel als Analyse- und Steuerungs­instrument von Brand Behavior, in: Tomczak, T. /  Esch, F.–R. /  Kernstock, J. / Herrmann, A. (Hrsg.), Behavioral Branding – Wie Mitarbeiterverhalten die Marke stärkt, Wiesbaden, S. 81–99
  • Zeithaml, V. A. / Berry, L. L. / Parasuraman, A. (1996): The Behavioral Consequences of Service Quality, in: Journal of Marketing, Vol. 60, No. 2, S. 31–46
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Prof. Dr. Torsten Tomczak ist Ordinarius für Betriebswirtschaftslehre mit Spezialgebiet Marketing an der Universität St.Gallen. An der dortigen Forschungsstelle für Customer Insight ist Tomczak zudem als Direktor tätig.

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