HR Today Nr. 11&12/2022: Arbeit und Recht

Die neuen alten Regeln der Kurzarbeit

Die meisten Unternehmen haben die Kurzarbeit hinter sich gelassen und verzeichnen keine weiteren Arbeitsausfälle. Trotzdem ist Kurzarbeit aus anderen Gründen bereits wieder aktuell. Es lohnt sich daher, rechtzeitig einen Blick auf deren Regelungen zu werfen.

Überlegen sich Unternehmen heute, ob sie Kurzarbeit einführen, sind die Gründe dafür meist in der Energiekrise und Problematik der Rohstoffbeschaffung auszumachen.

Unterscheidung je nach Grund

Ab April 2022 sind hinsichtlich Kurzarbeit im Zusammenhang mit den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie immer noch einzelne Spezial-Regelungen gültig. Weitgehend gelten jedoch wieder die alten Regeln, da die Pandemie-Ausnahmen inzwischen aufgehoben sind. So ist für die Voranmeldung beispielsweise wieder das ordentliche Verfahren anwendbar, wobei für Pandemie-Kurzarbeit keine Voranmeldefrist eingehalten werden muss. Für die Abrechnung kommt bei pandemiebedingter Kurzarbeit wieder das ordentliche Verfahren mit angepasstem Formular zur Anwendung.

Wird Kurzarbeit aus anderen Gründen als der Pandemie eingeführt, gelten die ordentlichen Bestimmungen zur Kurzarbeit. Die Pandemie-Sonderregelungen greifen nicht. Demnach ist wieder eine Voranmeldefrist von zehn Tagen einzuhalten. Die Bewilligungsdauer für Kurzarbeit beträgt bis zu drei Monaten und die maximale Bezugsdauer für Kurzarbeitsentschädigung zwölf Monate. Ausserdem sind Mitarbeitende auf Abruf mit grösseren Arbeitszeit-Schwankungen grundsätzlich nicht für Kurzarbeitsentschädigung berechtigt. Während der Pandemie wurde für diese Mitarbeitendengruppe, die in einigen Branchen und Unternehmen einen Grossteil der Belegschaft ausmacht, als Ausnahme eine Kurzarbeitsentschädigung gewährt.

Nach den ordentlichen Bestimmungen der Kurzarbeit sind diese Mitarbeitenden, wie auch jene mit befristeten Arbeitsverträgen, nicht anspruchsberechtigt. Mehrstunden sind vor Einführung von Kurzarbeit wieder abzubauen oder von den Ausfallstunden abzuziehen. Schliesslich sei daran erinnert, dass die Einführung von Kurzarbeit zwingend mit einer Arbeitszeiterfassung für alle unter Kurzarbeit stehenden Mitarbeitenden verbunden werden muss.

Energiemarktlage und Kurzarbeit

Vermehrt taucht die Frage auf, ob aufgrund der Energiemarktlage und den damit verbundenen Folgen Kurzarbeit beantragt werden kann. Zunächst sei an dieser Stelle klar herausgestrichen, dass Kurzarbeit immer einen Arbeitsausfall voraussetzt, also die Reduktion der Arbeitszeit. Wird im Betrieb jedoch gleich viel gearbeitet, hat das Unternehmen aber höhere Kosten und erreicht damit nicht mehr die gleiche Rentabilität, legitimiert das nicht zum Erhalt von Kurzarbeitsentschädigung. Daher muss davon ausgegangen werden, dass die Preissteigerung der Energiekosten nicht als alleinige Rechtfertigung für die Geltendmachung von Kurzarbeit reicht.

In der Regel werden Kostensteigerungen als normales Betriebsrisiko eingestuft, weshalb Kurzarbeit nicht bewilligt würde, selbst dann nicht, wenn ein Arbeitsausfall über 10 Prozent vorliegt. Was zum normalen Risiko gehört und welche Preissteigerung nicht mehr dem normalen Betriebsrisiko angelastet werden kann, muss im konkreten Einzelfall geprüft werden. Unternehmen tun daher gut daran, bei der Anmeldung ausführlich und spezifisch zu erläutern, wie sich die aktuelle Energiemarktlage auf ihren Betrieb auswirkt und warum der dadurch ausgelöste Arbeitsausfall nicht vermieden werden kann.

Sofern ein Arbeitsausfall darauf gründet, dass die Energie kontingentiert wird, es zu Unterbrüchen oder gar Abschaltungen kommen könnte, dürften die Voraussetzungen für Kurzarbeitsentschädigung erfüllt sein.

Diese Unterscheidung macht deutlich, dass Kurzarbeit durch die aktuelle Energiemarktlage je nach Situation bewilligt wird oder eben nicht. Firmen müssen daher bei der Voranmeldung aufzeigen, dass der Arbeitsausfall auf ausserordentliche Umstände zurückzuführen ist. Zudem sollte aus der Begründung hervorgehen, dass die Kurzarbeit vorübergehend ist und das Unternehmen Massnahmen trifft, um aus der Kurzarbeit herauszukommen. Schliesslich sollte nachvollziehbar sein, dass dadurch die Arbeitsplätze erhalten werden und damit ein drohender Stellenabbau für die nächsten Monate abgewendet werden könnte.

Zustimmung der Mitarbeitenden einholen

Die Zustimmung zur Kurzarbeit ist von jedem betroffenen Mitarbeitenden einzuholen. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass auch der damit verbundenen Lohnreduktion zugestimmt wird. Unternehmen und Betriebe mit gewählter Arbeitnehmervertretung haben einen entscheidenden Vorteil, denn die Arbeitnehmervertretung kann die erforderliche Zustimmung anstelle der Mitarbeitenden erteilen. Wichtig ist, dass die Arbeitnehmervertretung über die Gründe und die Folgen der beabsichtigten Kurzarbeit rechtzeitig und ausreichend orientiert wird. Nur so kann sie auch eine Zustimmung erteilen.

Diesbezüglich sei nochmals in Erinnerung gerufen, dass Mitarbeitenden Kurzarbeit durchaus ablehnen können. Der Arbeitgebende ist dann verpflichtet, den jeweiligen Personen den vollen Lohn (100 Prozent gemäss Arbeitsvertrag) zu zahlen, auch wenn diese infolge Kurzarbeit ebenfalls weniger oder vorübergehend gar nicht arbeiten. Ob überhaupt eine Lohnzahlungspflicht besteht oder nicht, ist natürlich entscheidend. Besteht für den Arbeitsausfall keine Lohnzahlungspflicht, führt die verweigerte Zustimmung einzelner Mitarbeitenden zu keinem Aufleben der Lohnzahlung.

Die Diskussionen und unterschiedlichen Rechtsauffassungen, ob nun eine Pandemie und die damit verbundene Nichtbeschäftigung zu einer Lohnzahlungspflicht des Arbeitgebenden führt oder nicht, sind noch recht präsent. Bei der Herabsetzung der Arbeitszeit infolge steigender Energiekosten ist jedoch eher davon auszugehen, dass eine Lohnzahlungspflicht besteht. Zurückhaltung ist geboten, einem Mitarbeitenden zu kündigen, der die Zustimmung zur Kurzarbeit verweigert. Das könnte eine missbräuchliche Kündigung darstellen und eine Strafzahlung nach sich ziehen. Das, sofern die Kündigung nicht aus wirtschaftlichen Gründen ausgesprochen werden musste.

Fazit: Wann kann man aus wirtschaftlichen Gründen Kurzarbeit beantragen?

Auch wenn die Situation in gewissen Branchen und Unternehmen stark an die Pandemie erinnert und die Auswirkungen auf das Unternehmen nicht weniger einschneidend sind, müssen die Fragen zur Kurzarbeit aktuell nach den ordentlichen Regeln beantwortet werden. Die Begründung muss präzise sein, warum die Energiemarktlage zu einem Arbeitsausfall führt. Ein allgemeiner Hinweis auf gestiegene Energiepreise ist unzureichend und würde zu einer Ablehnung der Kurzarbeitsentschädigung führen.

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Brigitte Kraus ist ­Inhaberin der Agentur konzis. Sie ist Juristin und Unternehmenskommunikatorin und begleitet Unternehmen in Ver­änderungssituationen, ­insbesondere bei Betriebsübernahme, Neuausrichtung, Personal­massnahmen sowie bei der Gesprächsführung und Verhandlung mit Gewerkschaften und Arbeitnehmer­vertretungen.

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