Experten und vorhandene Fertigkeiten in einem Unternehmen aufzufinden ist eine Herausforderung, nicht nur für das HR-Management, sondern oft auch für den so genannten normalen Mitarbeiter. Kann ein Kollege ein Problem, das während der Arbeit auftritt, nicht alleine lösen, muss ein kompetenter Ansprechpartner her. Oft ist das genau die Challenge: Je grösser eine Organisation, desto wahrscheinlicher existiert bereits ein geeigneter Mitarbeiter – doch desto schwieriger wird es, diesen aufzufinden. Hier helfen «Expertise Recommender Systeme» (ERS), welche Kompetenz-Informationen erheben und bereitstellen, um entsprechende Ansprechpartner (Experten) adressierbar zu machen. In diesem Sinne kann zu den ERS auch das Instrument «Soziale Netzwerkanalyse» (kurz SNA) gezählt werden, denn sie kann neben den Vernetzungen von Personen auch deren jeweilige Skills aufzeigen.
In der Geschäftswelt ist es an sich elementar, ein eventuell intuitiv, also aus eigenem Wissen heraus betriebenes Management sozialer Netze zu professionalisieren: sprich, Effizienz hineinzubringen und den Nutzen zu erhöhen. Die SNA beschäftigt sich, im Kontext dieses Artikels, zunächst mit den Beziehungen zwischen Akteuren (Personen wie auch Organisationen) und den Strukturen oder Beziehungsmustern, welche durch diese Beziehungen entstehen. SNA funktioniert aber auch auf aggregierter Ebene (Familien, Cliquen, Teams, Abteilungen, Standorte oder ganze Firmen). Die Basis von Beziehungen sind primär soziale Interaktionen, also die aktive Wechselwirkung zwischen zwei oder mehreren Akteuren. Ob via direktem Gespräch oder per E-Mail, im Grunde meint dies jede Form technologiegestützter oder direkter zwischenmenschlicher, auch nonverbaler Kommunikation. Beziehungsnetze sind nicht primär geschäftlicher Natur, die Pflege privater sozialer Netzwerke à la Facebook wird wiederum immer mehr Bestandteil des täglichen Büroalltags – umstrittenerweise.
Via Drehkreuze und Vermittler verbunden
Wer sich fragt, welche Personen für ein Netzwerk, sprich für für Struktur und Zusammenhalt, wichtig sind, dem hilft die Netzwerktheorie weiter. Herausragende Akteure lassen sich anhand ihrer Vernetzung einteilen. «Hubs» (engl.: Drehkreuze) sind jene Personen, welche viele Beziehungen zu anderen Personen in sich vereinen. Hubs sind etwa Prominente, die stark von der Öffentlichkeit und meist in gewissen Rollen wahrgenommen werden, wie etwa Vertrauensperson, Meinungsmacher oder Vorbild.
Während bei einem Hub (Abbildung 1) viele Beziehungen zusammenlaufen und er damit eine essenzielle Position im Netzwerk besitzt, kann ein «Broker» weniger Beziehungen haben, im Extremfall nur zwei. Dennoch ist er für ein Netzwerk wesentlich. Im einfachen Netzwerk (Abbildung 2) kommen beim Broker nur drei Beziehungen zusammen, er würde also als Hub schlechter abschneiden als Akteur A. Bei der Struktur des Netzwerks fällt jedoch auf, dass A die Akteure B, C, D und E nur über den Broker erreicht. Der Broker übernimmt also die Rolle eines Vermittlers und spielt somit eine wichtige Rolle für die Integrität von Netzwerken. Die bedeutende Position beinhaltet aber auch ein gewisses Risiko. Im Beispiel-Netzwerk ist der Broker der «Single Point of Failure». Fällt er weg, brechen die beiden Netzwerke auseinander. Eine Kommunikation zwischen den Personen A und B, C, D und E wäre nicht mehr möglich.
Praktizierte Netzwerktheorie
Die Netzwerktheorie ist ein Forschungsgebiet, das mittels mathematischer und statistischer Methoden Netzwerke vielfältiger untersucht. Praktische Anwendung findet die Theorie beispielsweise bei der Definition der Wichtigkeit einer Website («Webometrie»: Suchmaschinen wie Google arbeiten auf Basis dieser Prinzipien), in der Ausbreitungsdynamik von Krankheiten (Epidemiologie), der Systembiologie oder eben sozialen Netzwerken.
Die Intuition kleinerer Netzwerke versagt im Grossen
Das Beziehungsnetz eines durchschnittlich sozialen Menschen umfasst schnell mehrere Hundert Personen. Die Pfadanalyse, wo jeder Pfad zwischen einzelnen Beziehungen eine gewisse Länge oder ausgeprägte Stärke besitzt, hilft dabei, den Pfad zur Zielperson zu finden. Ist die Beziehung zu einer Person auf dem Weg zum Ziel stark, haben wir also eine gute Beziehung zur nächsten Person im Netzwerk, so ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass uns diese Person der nächsten vorstellen wird und uns gar persönlich unterstützt. Während man das in kleinen Netzwerken intuitiv machen kann, ist das bei grösseren Netzwerken kaum mehr möglich. SNA bietet hier Berechnungsmethoden, welche den oder die optimalen Pfade durch ein Netzwerk aufzeigen.