Selbstmanagement

Mindful Leadership: Achtsame (Selbst-)Führung

Führungskräfte stehen in der sich rasch verändernden VUKA-Welt massiv unter Druck. Deshalb müssen sie lernen, ihre gewohnten Denk- und Handlungsmuster zu durchbrechen. Wie Achtsamkeit dabei hilft.

Führungskräften spüren verstärkt: Wir leben in einer rasch sich verändernden und wenig planbaren VUKA-Welt, in der man das eigene Denken und Handeln regelmässig überprüfen und neu justieren muss. Derzeit gibt es drei Bereiche, in denen sich viele Führungskräfte gefordert und teilweise überfordert fühlen:

  1. Bereichsführung: Wie werden die vorgegebene Ziele erreicht, wenn sich die Rahmenbedingungen immer schneller ändern?
  2. Mitarbeitenden- und Teamführung: Wie werden im Team Situationen bewältigt, in der sich auch die Zusammenarbeit verändert und die Kommunikation zunehmend virtuell erfolgt?
  3. Selbstführung: Wie bewahrt man die eigene (Arbeits-)Zufriedenheit, um als Führungskraft Zuversicht und Energie auszustrahlen?

Die Veränderungen sensibel wahrnehmen

Für das Lösen aller hieraus sich ergebenden Aufgaben benötigen Führungskräfte eine hohe Sensibilität – und zwar für die Veränderungen,

  • die sich im Umfeld ihres Verantwortungsbereichs vollziehen – zum Beispiel aufgrund des Ukraine-Kriegs, des Klimawandels, der Covid-Pandemie,
  • die sich bei ihren Mitarbeitenden und in der Zusammenarbeit vollziehen – zum Beispiel aufgrund der Arbeit im Homeoffice, des Generationswechsels in der Belegschaft, des spürbaren Fachkräftemangels,
  • die sich bei ihnen selbst (im Denken und Handeln) vollziehen – zum Beispiel aufgrund der Entwicklung der (Welt-)Wirtschaft, der steigenden Unsicherheit und sinkenden Planbarkeit, des gestiegenen Handlungsdrucks.

Was bedeutet VUKA?

Der Begriff VUKA stammt aus dem militärischen Bereich und bezeichnet eine Welt, die zunehmend komplex, unsicher, unberechenbar und mehrdeutig wird.

  • Das V steht für volatil (flüchtig, schwankend). Es bezieht sich auf die zunehmende Zahl und Geschwindigkeit der Veränderungen. Was gestern noch galt, kann heute aufgrund veränderter Rahmenbedingungen ganz anders sein.
  • Das U steht für unsicher. Die Zukunft ist immer weniger vorhersehbar beziehungsweise prognostizierbar, eine längerfristige Planung wird immer schwieriger.
  • Das K steht für komplex. Alles hängt zunehmend zusammen. Zahllose Verknüpfungen, Abhängigkeiten und Einflussfaktoren wollen bedacht werden. Die Ursache und Wirkung von Entscheidungen sind kaum mehr nachvollziehbar.
  • Das A steht für ambivalent (mehrdeutig). Die Zeit des «Schwarz-weiss-Denkens» sowie der langfristigen Erfolgsrezepte ist vorbei. Beim Denken, Planen und Managen sind zahlreiche Widersprüchlichkeiten und Schattierungen zu beachten. Sowohl-als-auch-Fakten erschweren das Entscheiden.

Die gewohnten Reiz-Reaktionsmuster durchbrechen

Für dieses bewusste Wahrnehmen der vielfältigen Veränderungen hat sich der Begriff «Mindful Leadership» etabliert, zu Deutsch «Achtsame Führung». «Mindfulness» bezeichnet eine besondere Form der Konzentration, bei der man bewusst wahrnimmt, was im Moment geschieht – und zwar ohne das Wahrgenommene zunächst zu bewerten, um nicht automatisch in die gewohnten Reiz-Reaktionsmuster zu verfallen.

Ein Vordenker in diesem Bereich war Jon Kabat-Zinn. Er entwickelte vor knapp 50 Jahren mit seinem Team an der University of Massachusetts Medical School in Worcester das Trainingsprogramm MBSR (Mindfulness Based Stress Reduction). Sein Ziel, nachhaltig besser mit Stress und den Herausforderungen im Leben umzugehen. Wissenschaftliche Untersuchungen belegen die positiven Wirkungen solcher Trainingsprogramme auf der psychologischen und neuronalen Ebene. Das heisst, im Programmverlauf verändern sich auch die Gehirnstrukturen der Teilnehmenden positiv.

Fähigkeit zur Selbststeuerung erhöhen

Im Zentrum der Programme steht die Entwicklung der Selbststeuerungsfähigkeit der Teilnehmenden durch eine bewusstere Wahrnehmung der Prozesse, die sich in ihrem Umfeld und ihnen selbst vollziehen. Durch eine erhöhte Präsenz im Moment wird ermöglicht, sensibler wahrzunehmen, was im eigenen Bewusstsein geschieht, um so unbewusst wirkende Denk-, Fühl- und Verhaltensmuster zu erkennen und diese bei Bedarf ausser Kraft zu setzen.

Diese Form des Bewusstseins-Managements ermöglicht ein der Situation angemesseneres Verhalten. Da zwischen dem Reiz und der Reaktion eine kleine Zeitspanne vergeht, haben Führungskräfte die Möglichkeit, ihre Reaktion auf den Reiz bewusst zu wählen:

  • Im Bereich Bereichs- und Betriebsführung kann das bedeuten, dass einer Führungskraft bewusst wird, dass man manchmal «auf Sicht fahren» muss – selbst wenn man gerne einen langfristigen Plan hätte.
  • Im Bereich Mitarbeiteenden- und Teamführung kann das bedeuten, dass einer Führungskraft bewusst wird, wenn sie bei ihren Mitarbeitenden Widerstände gegen Veränderungen spürt, dass diese verunsichert sind – und deshalb weniger Druck ausübt.
  • Und im Bereich Selbstführung? Hier kann das bedeuten, dass einer Führungskraft bewusst wird, dass es gerade in Stress-Situationen oft wichtig ist, einen Gang runter zu schalten, um nicht in einen blinden Aktionismus zu verfallen.

Mit anderen Worten: Eine erhöhte Achtsamkeit ermöglicht, gewohnte Denk- und Verhaltensroutinen sowie Reiz-Reaktionsmuster zu durchbrechen und ein zielführenderes Verhalten zu zeigen.

Die Achtsamkeit der Führungskräfte fördern

Diese Fähigkeit zur Selbstreflexion sollten Unternehmen bei ihren Führungskräften fördern, weil sie damit ihre Führungsaufgaben wirkungsvoller und somit erfolgreicher wahrnehmen. Genannt seien folgende positiven Effekte:

Für das Unternehmen:

  • höhere Produktivität aufgrund einer effektiveren Führungsarbeit
  • höhere Motivation und Zufriedenheit im Team
  • verbesserte Work-Life-Balance und weniger Fehltage
  • höhere Veränderungsfähigkeit und -bereitschaft
  • qualitativ hochwertige (Projekt-)Arbeit durch vernetztes und proaktives Handeln
  • geringere Fluktuation aufgrund eines mitarbeiterorientierten Betriebsklimas

Für die Führungskräfte:

  • verbesserte Selbst- und Fremdwahrnehmung
  • höhere Empathie und Netzwerk-Kompetenz
  • Konzentrationsfähigkeit, Intuition und Kreativität
  • Resilienz und Fähigkeit, äusserem Druck standzuhalten
  • konstruktiver Umgang mit Misserfolgen
  • proaktives Verhalten und eine höhere Change Kompetenz
  • flexibler Umgang mit Herausforderungen
  • ein starker Fokus und höhere Wirksamkeit als Person

Bessere Führung durch eine bessere Selbstführung

Die Basis für eine achtsame Führung ist eine bewusste Selbstführung. Achtsame Führungskräfte sind sich ihrer Selbst bewusst. Dieses Selbst-Bewusstsein, das auch eine nachhaltige Verhaltensänderung bewirkt, ist das Resultat regelmässiger Übung. Der Schlüssel zum Erfolg ist eine vertiefte Achtsamkeitspraxis.

Das heisst: Führungskräfte sollten sich täglich etwa 20 Minuten Zeit dafür nehmen,

  • ihre Wahrnehmung von sich selbst und ihrer Umwelt sowie
  • ihre Sensibilität auch für schwache Veränderungssignale zu trainieren – zum Beispiel durch eine gezielte Meditation.

Ob dieses In-sich gehen und Sich-besinnen zuhause oder bei einem Spaziergang im Wald geschieht, ist sekundär; wichtig ist, dass es zu einer täglichen Routine wird.

Wirksame Führung stützt sich auf die Qualität der Bewusstseinsprozesse, die dem Handeln zugrundeliegen. Deshalb sollte ein Mindful-Leadership-Programm genau dort ansetzen: bei der Fähigkeit der Teilnehmenden zu einer bewussten Selbststeuerung und -führung. Aus dem achtsamen Umgang mit sich selbst können dann Handlungsprinzipien für den Führungsalltag abgeleitet werden.

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Barbara Liebermeister leitet das Institut für Führungskultur im digitalen Zeitalter (IFIDZ), Frankfurt (www.ifidz.de). Im August 2020 erschien das neuste Buch der Managementberaterin und Vortragsrednerin «Die Führungskraft als Influencer: In Zukunft führt, wer Follower gewinnt».

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