Selbstmanagement hat in den vergangenen Jahren als Thema stark an Bedeutung gewonnen. Die Anforderungen und der Druck sind in vielen Bereichen der Arbeitswelt deutlich gestiegen. Die hohe Dynamik, Komplexität und Vernetzung, die zunehmende Vielfalt und Menge der zur Verfügung stehenden Informationen sowie die zahlreichen neuen Kommunikationstechnologien verändern Lebens- und Arbeitsfelder nachhaltig. Die permanente Verfügbarkeit von Informationen (E-Mails) und ständige Erreichbarkeit lässt die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verwischen.
Menschen können tagtäglich aus einer Vielzahl von Optionen frei wählen (Multioptionsgesellschaft), was hohe Ansprüche an das Orientierungsvermögen und die Entscheidungskompetenz stellt. In vielen Unternehmen führt der wirtschaftliche Kosten- und Rationalisierungsdruck dazu, dass mit weniger Personal in kürzerer Zeit die gleichen oder gar wachsende Aufgaben zu bewältigen sind.
Ein wirkungsvolles Selbstmanagement wird immer mehr zu einem Erfolgsfaktor und ist heute eine Kernkompetenz in Unternehmen. Mitarbeitende und Führungskräfte sind gefordert, die verschiedenen Aufgabenfelder so zu organisieren und auszubalancieren, dass einerseits die berufliche Tätigkeit erfolgreich und sinngebend gestaltet wird und andererseits genügend Zeit und Energie für andere Lebensbereiche zur Verfügung stehen. Hierzu braucht es unter anderem handlungswirksame Ziele und klare Prioritäten, ein geschicktes Zeit- und Informationsmanagement oder die bewusste Aktivierung und Nutzung von Ressourcen im beruflichen Alltag. Dies ist umso wichtiger, als verschiedene Studien den Zusammenhang zwischen arbeitsbedingtem Stress und physischen bzw. psychischen Beschwerden aufzeigen (vgl. beispielsweise Ulich/Wiese 2011, Badura 2010, Zok 2010, Poppelreuter/Mierke 2008).
Die steigenden Anforderungen im Arbeitsalltag führen immer häufiger zu Überforderung, Demotivation, Dequalifikation, Erschöpfung und Burnout. Ein gezieltes Selbstmanagement wirkt präventiv, indem frühzeitig Ressourcen und benötigte Kompetenzen aufgebaut und vorhandene Belastungsfaktoren auf individueller und organisationaler Ebene abgebaut werden.
Definition Selbstmanagement-Kompetenz
Selbstmanagement-Kompetenz ermöglicht, die eigene Leistungsfähigkeit (Wissen, Kompetenzen, Arbeitsmarktfähigkeit, Gesundheit, mentale/körperliche Fitness) und Leistungsbereitschaft (Engagement, Identifikation) langfristig zu erhalten und Wohlbefinden und Balance im Leben zu realisieren.
Modell der Selbstmanagement-Kompetenz
Im Modell der Selbstmanagement-Kompetenz sind die wesentlichen Themenbereiche, die es für ein wirkungsvolles Selbstmanagement braucht, umfassend integriert. Es grenzt sich hierdurch von Konzepten ab, die nur einzelne Aspekte ins Zentrum stellen, zum Beispiel Zeitmanagement oder Stressmanagement. Das Modell unterscheidet drei Ebenen und neun Bausteine (vgl. Abb. 1). Die drei Bausteine Selbstverantwortung, Selbsterkenntnis und Selbstentwicklung bilden das dynamische Kernmodell. Sie verdeutlichen den fortwährenden und dynamischen Prozess, den es für die Entwicklung von Selbstmanagement-Kompetenz braucht.
Das Modell der Selbstmanagement-Kompetenz liefert eine hilfreiche Grundlage, um Selbstmanagement-Kompetenz auf individueller und organisationaler Ebene gezielt und nachhaltig zu fördern. Für jeden Baustein lassen sich effektive Verhaltensweisen und Einstellungen identifizieren, die für Selbstmanagement-Kompetenz erforderlich sind. Eine Übersicht findet sich im beigefügten Download-Artikel von Graf 2013b: Sich selbst wirkungsvoll führen (am Ende des Artikels).
Die Summe aller Verhaltensindikatoren aus den neun Bausteinen ergibt ein idealtypisches Portfolio an Verhaltensweisen und Einstellungen, die für Selbstmanagement-Kompetenz relevant sind. Das Modell kann so als Instrument genutzt werden, um systematisch alle Bausteine hinsichtlich vorhandener Stärken, Schwächen und Potenziale zu analysieren und zu reflektieren. Dies hilft, mehr Klarheit darüber zu gewinnen, in welchen Bereichen wesentliche Ansatzpunkte für die Förderung und Entwicklung von Selbstmanagement-Kompetenz zu finden sind. Für Unternehmen dient das Modell als Landkarte, um ein effektives Portfolio an Massnahmen und Instrumenten für die Stärkung der Selbstmanagement-Kompetenz in der Organisation zusammenzustellen.