Strategie

Wertsteigerung 
durch integrierte Förderung

Der Kern der Herausforderung, der integrierte Talent-Management-Programme «rechtfertigt», ist die notwendige Performance-Steigerung bei wachsendem Wettbewerbsdruck.

Talent Management, oft auch als «internes Headhunting» bezeichnet (vgl. Michael Thomas: «Internes Headhunting. Talente entdecken, Führungskräfte entwickeln»), ist längst als eine der Kernkompetenzen der Personalarbeit anerkannt. Ob nun als Reaktion auf demografisch bedingten Fach- und Führungskräftemangel oder als strategisches Tool, um nachhaltig für die High Performance der Organisation zu sorgen: Talent Management im Sinne der Rekrutierung, gezielten Entwicklung und langfristigen Bindung von Potenzialträgern steht im Fokus des Interesses, der Planung und der Aktivitäten der Unternehmen. Längst bezieht sich diese Konzentration nicht mehr allein auf Konzerne und global aktive Organisationen, auch der Mittelstand begreift Talent Management inzwischen als prioritäre Aufgabe, um Erfolg, Umsatzsteigerung und Wachstum zu sichern und sich Marktanforderungen wie etwa dem internationalen Wettbewerb kompetent zu stellen (vgl. Martin Classen, Capgemini Consulting: «HR Barometer 2007»).

Die Herausforderungen an Human-Resources vor dem Hintergrund von Wachstum, Globalisierung, Kundenfokus, Wettbewerb, Technologie und Talentmangel lassen sich wie folgt verschlagworten:

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Neuer Wertbeitrag von HR zu definieren, ist Aufgabe der Personalabteilung.
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Schnellerer Aufbau von Qualifikationen bei Fach- und Führungskräften ist notwendig für die Marktfähigkeit des Unternehmens.
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Steuerung des Wandels ist Aufgabe nicht allein des Topmanagements, sondern gleichermassen der Fach- und Führungskräfte.
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Management von Talenten ist Anliegen der Gesamtorganisation.

Die praktische Umsetzung und die tatsächlich erzielten Resultate von Talent-Management-Programmen und -Systemen lassen sich zudem am finanziellen Unternehmenserfolg messen und zeigen insbesondere die Kluft zwischen materiellen und immateriellen Vermögenswerten (siehe Grafik).

Gegenwärtig kommen unterschiedliche Mittel und Methoden im Talent Management zum Einsatz. Zumeist umfasst das HR Portfolio nur die Standards klassischer Personalarbeit:

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Suche
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Entdeckung und Ansprache von Potenzialträgern
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Auswahl und Positionierung
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nachhaltige Entwicklung
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Bindung beziehungsweise nachhaltige Motivation von Mitarbeitenden im Unternehmen

Doch greifen die sich auf diese Kernaspekte reduzierenden Personalmassnahmen häufig zu kurz. Vor allem solange sie folgenden Aspekten nicht Rechnung tragen:dem wachsenden Druck von Abwerbungsangeboten des Wettbewerbs, dem Rückgang der Verfügbarkeit von Fachkräften, der – gerade in Change-Management-Situationen – notwendig zu verstärkenden Team- und virtuellen Zusammenarbeit. Dazu kommen die gesteigerten Anforderungen an Unternehmenskultur und langfristige Entwicklung seitens der Arbeitnehmer.

Anders gesagt: Solange die Personalpolitik eines Unternehmens primär ihre Aufgabe in der Besetzung vakanter beziehungsweise zukünftig vakanter Positionen begreift und Human Resources nicht als vorausschauend agierender Business Partner der strategischen Planung verstanden wird, können Arbeitsprozesse nur verzögert, Vakanzen immer nur mittelfristig besetzt und der Talent Pool in Zeiten hoher Fluktuation und kurzer Projektzyklen nur wenig verlässlich gefüllt werden.

Was bedeutet integriertes 
Talent Management?

Bewerberansprache und -auswahl intern ebenso wie extern, Einstellung und Entwicklung von Talenten erfolgen dann zielgerichtet, wenn über die Faktoren wie Unternehmenskultur und langfristige Planung, den Planungshorizont der kommenden Jahre, Klarheit herrscht. Und wenn der HR Business Partner einerseits als interner Unternehmensberater die Personalplanung mitgestalten und andererseits das Selbstverständnis eines internen Headhunters entwickeln kann. Je genauer Zielsetzung, Dauer, Relevanz, Positionierung und Auswirkungen von Prozessen und Projekten definiert werden, desto effizienter wird sich die Gestaltung beziehungsweise die Nutzung von Instrumenten wie Ausschreibungen, Interviews oder Entwicklungsmassnahmen und desto geringer fallen Mehrkosten durch Streuverluste im Channel Management, Mismatching, kostenintensive Coachings und Personalentwicklung aus. Denn: Kandidaten werden nicht länger allein aufgrund ihrer passenden Qualifikation für einen bestimmten Job, sondern wegen ihrer Kompetenzen, die zur Optimierung von Arbeitsprozessen beitragen, eingestellt.

Freilich verlangt das weniger nach standardisierten, positionsspezifischen Anforderungsprofilen als vielmehr nach einer transparenten Prozess- und Prozessplanung sowie Flexibilität in der Teamkonstellation. Die Offenheit der Führungskräfte für Rotationen und Kreativität ihrer Mitarbeitenden in der Gestaltung und Umsetzung konkreter Aufgaben ist ebenfalls wichtig. Neben der gezielteren Suche nach Talenten, nicht länger nach kompetenten Nachfolgern und valideren Matchingergebnissen, besteht ein weiterer Vorteil des integrierten Talent Managements in Motivation und Bindung der Mitarbeitenden. Denn Vergütung und Incentives als monetäre Anreizsysteme sind längst nicht hinreichend, um Talente zu binden. Vielmehr ist es (neben der Attraktivität der Arbeitgebermarke sowie der Loyalität des Managements) die Möglichkeit und persönliche Erfüllung, dadurch on the job die Kompetenzen einzubringen und zu erweitern, die High Potentials heute einen Planungshorizont gibt.

Mehr und mehr werden in der Rekrutierung ebenso wie in der Bindung von Mitarbeitenden die Hauptprobleme der Personalarbeit gesehen. Integriertes Talent Management greift an beiden dieser neuralgischen Pole der Talent Management Suite. Diese bildet demzufolge die Klammer um folgende Faktoren:

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Abgleich mit Businesszielen und Businessstrategie
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Aktiver Austausch mit dem Topmanagement
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Talentfokus bzgl. kritischen Positionen ebenso wie Organisations-, Personalentwicklung, Unternehmenskultur und Wettbewerbsvorteil
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Gemeinsame Verantwortung für Talent Management liegt bei Business und
HR
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Instrumente zur Stärken-Schwächen-Analyse der Mitarbeiterschaft
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Massnahmenpaket zur Führungskräfte- und Talententwicklung über Performance Management hinaus
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Sensibilität für die unterschiedlichen 
Leistungsniveaus und entsprechende Talentansprache, -bindung und -vergütung
  • 
Analyse von Bindungsbereitschaft bezüglich kritischer Positionen

Als Talent Management Suite wird die Integration verschiedener Systeme und Lösungen bezeichnet, die in der klassischen HR-Arbeit zum Einsatz kommen und sich bislang als singuläre Ansätze je auf Recruiting, Personal- und Qualifikations-, Nachfolge- und Performance Management konzentrierten. Anstelle von Insellösungen kann die saubere Datenerfassung und -analyse, etwa über SAP-Prozesse, abgebildet werden. Sie ermöglichen, dass etwa mit der Erfassung der Performance eines Mitarbeitenden zugleich die Gap-Analyse von Soll- und Ist-Profil, die entsprechenden Empfehlungen für die individuellen Entwicklungsmassnahmen und Implementierungsmöglichkeiten der Nachfolgeplanung ausgesagt werden. Der Einsatz von standardisierter Software kann in der Gesamtprozessbegleitung einen massgeblichen Beitrag zu Effizienzsteigerung und Kostensenkung, zuvorderst zu Prozessvalidität und Transparenz, liefern.

Wie stellt sich die Personalabteilung zukunftsfähig auf?

Doch besteht der Mehrwert des Talent-Managements nicht etwa in der Technologielösung an sich. Häufig sind neben dem Datenmanagement die klassischen Bereiche Personalbetreuung, Compensation und Benefits, Payroll und Personalentwicklung anzutreffen. Auch innerhalb solch generisch gewachsener Strukturen ist es notwendig, Verantwortlichkeiten für Prozesse wie Personalbeschaffung, Betreuung, Entwicklung oder Retention zu definieren. Gleiches gilt für die Entwicklung einer verlässlich arbeitenden transparenten Landschaft von Systemen und Arbeitsprozessen und der Organisation als aktives Planungsorgan. So kann HR sich nicht nur als Partner positionieren, sondern ist hinsichtlich sich wandelnder Businessstrukturen ebenfalls flexibel aufgestellt. Diese Flexibilität wird dann relevant, wenn aufgrund von Outsourcing-Massnahmen sich etwa Betreuungsverhältnisse ändern, Standortfragen einer Organisation diskutiert werden und zu Vergrösserungen -beziehungsweise Zukäufen führen oder dergestaltige Wandlungsprozesse Einfluss auf die Unternehmenskultur nehmen und seitens HR 
Bindungsprogramme forciert werden müssen.

Das bedeutet auch, dass bereits etablierte Massnahmen wie Shared Service Center und Outsourcing, sofern zielführend und effizient, auch in HR Anwendung finden sollen. Der Abbau von Bürokratie zugunsten einer businessnahen, das heisst auf Kernkompetenzen reduzierten Struktur wird zur verbesserten Akzeptanz der Personalabteilung nicht länger als «Versorgungsstelle», sondern vielmehr als Strategiepartner in der Gesamtorganisation führen. Kriterien wie die Prozess- und Kundennähe, die Achtung geografischer Bedingungen (insbesondere für Personalplanungsprozesse), teambasierte Aufstellung in der schnellen Zusammenarbeit untereinander sowie mit dem Kunden und schliesslich die Matrixorganisation, um Doppelzuständigkeiten zu vermeiden und Know-how optimal zu nutzen, sind Charakteristika einer zukunftsfähigen Abteilungslogik. Darüber hinaus kann die Auslagerung hochspezialisierter Prozesse (neben Payroll etwa Recruiting) in die Hände von Lieferanten unter der Voraussetzung guter Prozesskommunikation entscheidend zu Effizienz und Einsparungen beitragen.

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Dr. Johanna Dahm, Novartis Pharma GmbH, Head Talent Management & 
Organizational Development.

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