15 Jahre HR Shared Services – und (k)ein bisschen weiser?
Viele Firmen haben inzwischen Erfahrungen mit HR Shared Service Centers. Die Praxis zeigt jedoch: Die notwendigen Veränderungen umzusetzen, birgt nach wie vor Tücken.

«Man hat lange nichts mehr über HR Shared Services gehört – was tut sich da eigentlich?» Als mich die Redaktion von HR Today anrief und mit obiger Aussage konfrontierte, war ich zunächst etwas perplex. Schliesslich erlebe ich in meiner täglichen Arbeit ständig, wie sich Firmen um den Auf- oder Ausbau ihrer Shared Service Centers (SSC) kümmern. Aber nachdem Anfang bis Mitte des letzten Jahrzehnts eine Art Run auf HR SSC einsetzte und viele Unternehmen dieses Konzept für sich entdeckten, hat sich der Hype inzwischen gelegt, und HR SSC als solche sind akzeptiertes Allgemeingut geworden. Der Reiz des Neuen ist weg und damit auch der Kommunikationsdrang in grösserer Öffentlichkeit. Viele Firmen mussten feststellen, dass die Umsetzung gar nicht so einfach ist wie allgemein angenommen, dass es kein «Plug & Play»-Konzept gibt, das sich einfach von einer Firma auf die andere übertragen lässt.
Ein kurzer Rückblick: Dave Ulrich hat sich 1997 (daher die 15 Jahre) in einer vielbeachteten Publikation mit der Rolle der HR-Funktion beschäftigt. Seitdem konnten sich das Konzept zur strategischen Neuorientierung der Personalarbeit und die konsequente Aufteilung in strategische und operative Bereiche weltweit verbreiten. Als wesentliches Element übernehmen dabei ein oder mehrere HR Shared Service Centers die administrativen Prozesse. Die Konzentration von Know-how sowie eine effizientere Prozessdurchführung ermöglichen einerseits Kosten- und Qualitätsvorteile. Andererseits eröffnet sie den HR Business Partnern in den Geschäftsbereichen die Möglichkeit, sich auf strategisch relevante Themen ihrer Bereiche zu konzentrieren. Zur Vervollständigung des Zielbilds gehört die sogenannte «Center of Expertise (CoE)»-Organisation. Das CoE ist dabei für die strategische Ausrichtung des HR im Unternehmen zuständig, indem es die HR-Programme und -Richtlinien (HR Policies) entwirft und zur Umsetzung vorschlägt.
Eine der wesentlichen Voraussetzungen für das Gelingen von Ulrichs HR-Konzept ist eine gleichzeitige oder zumindest zeitnahe Ausrichtung der HR-Funktion auf alle drei genannten Rollen. Viele Firmen unterschätzen diese Notwendigkeit; sie sind sich zu Beginn ihrer HR-Transformation oftmals der Wechselwirkungen zwischen den Rollen nicht bewusst – dafür umso mehr gegen Ende. Die drei Rollen bedienen unterschiedliche Bedürfnisse an HR-Arbeit im Unternehmen. Wird eine vernachlässigt, heisst das immer auch, dass die anderen beiden diese Bedürfnisse übernehmen müssen. Dadurch sinkt die Rollentransparenz für die Nutzer – und kurz danach auch deren Akzeptanz.
Tatsächlich haben in den letzten Jahren viele Firmen in der Schweiz HR Shared Service Centers eingeführt, um folgende Ziele zu erreichen (ohne Rangfolge): Effizienz erhöhen, Kosten reduzieren, Qualität steigern, Prozesse standardisieren.
Meiner Erfahrung nach wird oft substanziell in den Aufbau eines SSC investiert, in den allermeisten Fällen jedoch der Umbau der restlichen HR-Organisation vernachlässigt. Dies führt am Ende dazu, dass zwar massiv im administrativen Bereich im HR gespart wird, aber viel zu selten in der Fläche.
Wo bleiben Business Partner und CoE?
In einer PwC-Studie Ende 2011 wurden neun national und international tätige Schweizer Grossunternehmen, die alle nach dem Ulrich-Modell aufgestellt sind beziehungsweise dieses gerade anstreben und Umsätze zwischen 2,5 und 50 Milliarden Franken aufweisen, nach ihrem Status befragt. Obwohl bis auf zwei Teilnehmer alle schon seit Jahren im Thema unterwegs waren, waren die meisten noch weit weg von international erzielten Spitzenwerten bei der HR-Ratio, ja selbst vom Median. Dieser liegt laut «PwC Saratoga Benchmarks» europaweit im Jahr 2011 für die Branchen Technology, Communications/Media und Pharma um die 1:76 (ein HR FTE betreut 76 Mitarbeiter) und bei Banking und Chemicals bereits bei ca. 1:100. Dieser Wert gilt im Durchschnitt auch für Länder wie Deutschland oder UK.
Die HR-Ratio der meisten an der Schweizer Studie beteiligten Unternehmen (von 1:33 bis 1:93) ist auch deshalb im internationalen Benchmark nicht auf dem Niveau der Besten, da die Firmen nach wie vor sehr viele HR-Mitarbeiter (in dieser Untersuchung im Schnitt etwa zwei Drittel aller HR-Mitarbeiter) weiterhin ausserhalb der SSC-Organisation als CoE, BP oder aber lokale HR-Manager einsetzen. Um im Benchmark ins erste Quartil zu kommen, müsste sich dieser Wert praktisch umkehren.
Durch eine solche Verteilung ergeben sich für die Firmen in direkter Konsequenz gleich zwei weitere Herausforderungen bei der Transformation. Erstens werden die in der Fläche nach wie vor sichtbaren HR-Mitarbeiter gerne von den Linienmanagern der Firmen zur Unterstützung in der HR-Arbeit herangezogen, obwohl viele der Aufgaben jetzt eigentlich über das SSC laufen sollten. Und zweitens fällt es schwer, die Rollen CoE und Business Partner entsprechend ihrer neuen Ausrichtung zu etablieren.
Den Titel angepasst, die Rolle nicht
Unternehmen taufen oft schon lange vor dem Ende der HR-Transformation (oder auch nur vor Erreichen eines «point of no return») ihre lokalen HR-Repräsentanten in «HR Business Partner» um – ohne aber die Rollen spürbar zu verändern. Dies führt in den Geschäftseinheiten schnell zu Frustration – bis hin zur Häme. Es gibt Firmen, in denen der Begriff des Business Partners inzwischen so verbrannt ist, dass er nicht mehr offiziell benutzt werden darf.
Nur wenn die Unternehmen das in der Designphase beschlossene Konzept wirklich einhalten, können sie die angestrebten Ziele erreichen. In aller Regel tun sie sich jedoch ausserordentlich schwer damit, die notwendigen, vor allem organisatorischen Entscheidungen im Laufe eines mehrjährigen Projekts tatsächlich so zu beschliessen, wie es dem Konzept entsprechen würde. Es ist zugegebenermassen sehr viel leichter, im Vorfeld dem eher abstrakten Business Case zuzustimmen, als die geforderten Veränderungen in der Realität umzusetzen. Denn hier kommt eine persönliche Komponente hinzu: Die Topmanager kennen sich in der Regel seit Jahren – und damit auch die Erfolge und Misserfolge der jeweils anderen. Dies macht es sehr viel schwerer, unbequeme Entscheidungen in der Berichtslinie umzusetzen, bei denen es um direkten Zugriff auf Menschen geht. Und das ist letztlich bei allen HR-Veränderungen der Fall.
Wie immer führen auch hier viele Wege nach Rom. Welcher davon der richtige für das Unternehmen ist, hängt von vielen Faktoren ab, wie zum Beispiel der geografischen Ausprägung, der Diversität der Geschäftsbereiche, dem Grad der IT-Harmonisierung, um nur einige zu nennen. Am wichtigsten ist jedoch die Unternehmenskultur, die bestimmt, ob ein Programm top-down durchgeführt werden kann oder ob es geschickter ist, bottom-up vorzugehen – also den Standorten oder Divisionen erst einmal Freiheit in der Zusammenführung und Optimierung ihrer HR-Arbeit zu gewähren. Unglücklicherweise ist es nicht immer von Anfang an ersichtlich, welcher Weg der beste ist, und viele Firmen mussten dies durch ein kostspieliges Trial-and-Error-Verfahren herausfinden.
Unabhängig vom gewählten Weg gilt aber auch: Es gibt keine Abkürzungen. Die verschiedenen Reifegrade (siehe Abbildung) müssen alle durchlaufen werden, und zwar unabhängig davon, ob das Unternehmen den Weg ganz alleine, mit Hilfe von Beratern oder aber gleich mit einem Outsourcing-Anbieter in Angriff nimmt.
Allen Unkenrufen zum Trotz: Die Tatsache, dass nicht mehr allzu viele Worte über HR Shared Services verloren werden, zeigt dann eben doch, wie etabliert das Konzept inzwischen ist. Zahlreichen Firmen ist es gelungen, dieses sowohl effizient als auch effektiv umzusetzen. Alle Umfragen zeigen in die Richtung einer weiteren Professionalisierung der HR-Arbeit durch SSC, auch in Ländern mit tieferen Löhnen.
Ein HR-Vorstand eines DAX-Unternehmens fragte mich einmal, ob man überhaupt eine Transformation machen müsse oder ob es besser sei, auf das nächste Konzept zu warten. Daraufhin bat ich ihn, Folgendes zu bedenken: Erstens: Ich hätte zwar viele Varianten des Ulrich-Modells gesehen, mir sei derzeit aber kein radikal anderes Konzept in der Praxis bekannt (oder am Horizont erkennbar). Und zweitens: Wenn man nicht sicher ist, im Unternehmen bereit für eine Transformation zu sein, was macht einen dann sicher, den übernächsten Schritt erfolgreich bewältigen zu können? Schliesslich ist jede Weiterentwicklung des HR-Bereichs eine Evolution – Revolutionen dagegen sind äusserst selten.
Erfolgsfaktoren für die HR-Transformation
Folgende Faktoren klingen zwar plakativ, sind aber wesentliche Garanten für eine erfolgreiche HR-Transformation:
Ganzheitliche Planung: Von Anfang bis Ende das Konzept durchdenken, auch über mehrere Jahre. Es sind immer jene Firmen am erfolgreichsten, die einem Plan folgen, der zu ihnen passt.
Wunsch und Wirklichkeit: Schätzen Sie Ihre Stärken und Schwächen, sowohl inhaltlich wie auch kapazitätsmässig, realistisch ein und planen Sie entsprechend.
Zielsetzung: Definieren Sie ein ambitioniertes, aber machbares Ziel (etwa die HR-Ratio) und verfolgen Sie die Zielerreichung des Business Case über die gesamte Laufzeit.
Top-Management: Unterstützung und Einbindung des Topmanagements sichern, Sponsorship durch Vorstandsmitglied von Beginn an sicherstellen. HR-Transformationen werden vom Business getragen, in den seltensten Fällen allein von HR.
Change Management: Begleiten und Steuern der Veränderungen von Tag 1 an, nicht erst in der Umsetzung.
IT: Stellen Sie eine frühe Einbindung der IT-Experten sicher; so können Designdefizite rechtzeitig erkannt und behoben werden.
Entscheidungen: Treffen Sie eine zügige Entscheidung, wenn die relevanten Fakten bekannt sind, und bleiben Sie dabei. Immer wiederkehrende Diskussionen um dieselben Themen («Zombie-Entscheidungen») verzögern den Fortgang und verwirren die Projektteilnehmer.
Route zum Erfolg: Welcher Ansatz zum Erfolg führt, hängt in der Regel von der Unternehmenskultur ab. Ein Top-down- Ansatz funktioniert bei sehr autonomen Unternehmensteilen nicht allzu oft.