IV-Revision

180 Tage Arbeitsversuch ohne 
Risiko für den Arbeitgeber

Mit der 6. IV-Revision sollen vermehrt Menschen mit Behinderung in den Arbeitsmarkt eingegliedert 
werden. Das gelingt nur, wenn Firmen diese Menschen auch wirklich einstellen. Integrationsmassnahmen, Massnahmen beruflicher Art und Auffangregelungen sollen ihnen dies erleichtern.

Die Invalidenversicherung (IV) ist mit rund 15 Milliarden Franken verschuldet und schreibt einen Jahresverlust von rund einer Milliarde Franken. Die Sanierung ist dringend. Der Bundesrat hat darum einen Mehrstufenplan erstellt, der nun konsequent umzusetzen ist. Die oberste Maxime lautet dabei «Eingliederung vor Rente». Mit der 5. IV-Revision wurde dieser Paradigmenwechsel eingeleitet, wobei vor allem Instrumente geschaffen wurden, um Menschen mit einer Behinderung im Arbeitsprozess zu behalten.

Die 6. IV-Revision setzt den Umbau zur Integrationsversicherung fort und will namentlich die Einstellung von bisherigen Rentenbezügern fördern. Mit solchen «Eingliederungen aus der Rente» soll von 2012 bis 2018 der Bestand von heute 242 000 gewichteten Renten um rund 5 Prozent, also rund 12 000, reduziert werden. Um dieses Ziel zu erreichen, braucht es die Anstrengung der Arbeitgeber, der IV-Stellen und der Betroffenen.

Integrationsinstrumente 
der IV-Revision 6a

Der erste Teil der 6. IV-Revision, die sogenannte IV-Revision 6a, wurde in der Frühjahrssession vom Parlament verabschiedet und soll – vorbehältlich eines Referendums – per 1. Januar 2012 in Kraft treten. Im Zentrum steht das Ziel, vermehrt Menschen mit Behinderung in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren.

Freie Arbeitsplätze sollen mit Behinderten besetzt werden, deren Beeinträchtigungen für die Stelle keine Rolle spielen oder mit geeigneten Integrationsmassnahmen der IV überwunden werden können. Dazu wird ein vielfältiges Instrumentarium bereitgestellt, das die negativen Anreize für Arbeitgeber und Betroffene, an denen die Eingliederung heute oft scheitert, abbauen soll.

Arbeitsversuch und Auffangregelung

Um den Eingliederungserfolg zu erreichen, sieht die Revision u.a. die Möglichkeit eines sogenannten «Arbeitsversuchs» während mindestens 180 Tagen vor. Dabei handelt es sich um eine Massnahme der IV. Der Arbeitsversuch ist daher für beide Seiten ohne Risiko. Ein Versicherungsschutz entlastet den Arbeitgeber weitgehend von möglichen Verpflichtungen. Der Arbeitgeber kann zudem – wichtig bei psychisch labilen Menschen – bei der Betreuung der Betroffenen auf die fachliche Unterstützung (Coaching) der IV-Stellen zählen. Arbeitsversuch, Betreuung und weitere Massnahmen bauen personalpolitische und finanzielle Risiken ab, welche bisher manche Arbeitgeber daran hinderten, eine Eingliederung zu versuchen.

Für die Betroffenen sieht die Revision eine dreijährige Auffangregelung für den Fall vor, dass die Wiedereingliederung scheitert. Bei einer erneuten, gesundheitsbedingten Leis-tungseinbusse während dieser drei Jahre richtet die IV unbürokratisch und rasch eine Übergangsleistung aus, und der Invaliditätsgrad wird neu überprüft. Damit wird den bisherigen Ängsten der Betroffenen, bei einem gescheiterten Wiedereingliederungsversuch die Rente zu verlieren, wirkungsvoll begegnet.

Der Arbeitgeber seinerseits muss den Versicherungsfall nicht der Krankentaggeld-Versicherung melden und ist damit vor allfälligen Prämienerhöhungen oder einer Kündigung der Police geschützt. Für den Arbeitgeber ebenfalls zentral ist, dass die Ausrichtung der Übergangsleistung und das erleichterte Wiederaufleben der Rente in Koordination mit der 2. Säule erfolgt. Dadurch, dass während dreier Jahre die bisherige Vorsorgeeinrichtung zuständig bleibt, müssen sich Arbeitgeber, die eine Person nach einer Wiedereingliederung anstellen, während dieser Schutzfrist nicht den Schwierigkeiten aussetzen, die mit dem Anschluss dieser Arbeitnehmenden an ihre eigene Vorsorgeeinrichtung verbunden sind.

Bedeutung der IV-Stellen

Die geschilderten Massnahmen verbessern die Rahmenbedingungen für die Betroffenen und die Arbeitgeber grundlegend. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor bei der Erreichung des angestrebten Eingliederungsziels liegt in der Beziehung zwischen den Arbeitgebern und den kantonalen IV-Stellen. Diesen obliegt es, im Prozess der Arbeitsvermittlung, also beim Matching zwischen Stellenprofil sowie Ausbildungs- und Eingliederungsprofil des Betroffenen, den «Feldkontakt» zu den Arbeitgebern herzustellen. Ähnlich wie den Regionalen 
Arbeitsvermittlungszentren (RAV) in der 
Arbeitslosenversicherung kommt ihnen im Bereich der IV-Eingliederung eine zentrale 
Bedeutung zu. Auch private Stellenvermittlungs-Plattformen im Internet tragen zur Verbesserung des erwähnten Matchings bei («Jobs für Behinderte – Behinderte für Jobs» der Stiftung My-Handicap, «Netzwerken Arbeit», «IPT Integration für alle» und «Profil – Arbeit und Handicap»).

Kommentieren 0 Kommentare HR Cosmos

Alex Oberholzer ist Beauftragter für IV-Kommunikation beim Bundesamt für Sozialversicherungen in Bern.

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