Studie zum Schweizer Arbeitsmarkt 2025

55plus in der Altersfalle

Trotz Fachkräftemangel bleibt die Altersdiskriminierung auf dem Schweizer Arbeitsmarkt Realität: Laut der neuen Studie «55plus in der Altersfalle» von von Rundstedt und HR Today erleben rund drei Viertel der befragten HR-Professionals und Führungskräfte Benachteiligungen älterer Arbeitnehmender. Die Untersuchung zeigt eine deutliche Kluft zwischen den öffentlichen Bekenntnissen zu Diversität und der tatsächlichen Personalpolitik.

Der Outplacement-Anbieter von Rundstedt und das Fachmagazin HR Today haben in der diesjährigen Arbeitsmarktstudie die aktuelle Praxis der Arbeitgebenden und deren Personalpolitik in Zusammenhang mit älteren Arbeitskräften 55plus unter die Lupe genommen. 

Dass Personen 55plus zu den Risikogruppen im Arbeitsmarkt gehören, ist schon lange bekannt und unbestritten. Warum dem aber so ist, wie sich die Arbeitgeber im Spannungsfeld von Fachkräftemangel und Produktivitätsdruck verhalten und wie sie in der Realität mit dieser Gruppierung umgehen, ist weniger klar. «Genau da setzt die diesjährige Studie ein», erklärt Pascal Scheiwiller, CEO von von Rundstedt. «Es ist auffällig, wie stark in vielen Firmen die Realität der Personal- und Führungsarbeit von den öffentlichen Bekenntnissen abweichen.» 

Die Studie stützt sich auf eine ausführliche Umfrage, an der über 1500 HR-Professionals und Führungskräfte teilgenommen haben. Die Ergebnisse liegen differenziert nach Branchen, Regionen und Unternehmensgrössen vor.

Hier die Hauptaussagen, welche die Studie hervorbringt:

1. Ältere Arbeitskräfte sind klar im Nachteil


77 Prozent beobachten trotz Fachkräftemangel eine allgemeine Altersdiskriminierung, wobei 54 Prozent glauben, dass es dabei auch auf das Verhalten des Einzelnen darauf ankommt. 46 Prozent sehen sogar für ältere Arbeitskräfte mit sehr grossem Engagement und viel Eigeninitiative schwarz.

2. Pensionierungsalter als Fessel


Eine grosse Mehrheit der Befragten will eine Flexibilisierung des Pensionierungsalters, wobei der gewünschte Fokus stärker auf Frühpensionierung (70 %) als auf Weiterbeschäftigung im Pensionierungsalter (57 %) liegt. 

Der Flexibilisierungswunsch steht im Einklang mit den Forderungen von Politik und Arbeitgeberverbänden. Trotzdem zeigt eine grosse Mehrheit der Unternehmen dabei kaum Flexibilität. Eine grosse Mehrheit von 73 Prozent der Unternehmen fokussiert weiterhin auf das reguläre Pensionierungsalter. Das Pensionsalter ist somit für viele kein Referenzalter, sondern eine fixe Grenze.

3. HR Manager und Führungskräfte von der eigenen Personalpolitik enttäuscht und mit ihren eigenen Erwartungen widersprüchlich


Viele HR-Professionals und Führungskräfte sind als Hauptakteure in der Personalführung selber von dieser Personalpolitik und der mangelnden Flexibilität enttäuscht. So befürworten 68 Prozent eine gezielte Rekrutierung von 55plus, wobei nur rund 20 Prozent diesen Schwerpunkt im eigenen Unternehmen erkennen. Sogar 70 Prozent wünschen sich eine Priorität in der Begleitung in die Frühpensionierung, was nur bei der Hälfte der Firmen in Realität der Fall ist. Fast alle (93 %) fordern die Bindung und Beschäftigung von 55plus bis zum regulären Pensionierungsalter, was wiederum nur bei 73 Prozent der Arbeitgeber der Fall ist. Und 57 Prozent möchten die Weiterbeschäftigung über das reguläre Pensionierungsalter hinaus fördern, was wiederum nur von 43 Prozent der Firmen mitgetragen wird. 

Das erstaunt und zeigt einmal mehr die Kluft zwischen Wort und Tat, oder zwischen Möchtegern und Realität in Unternehmen auf, aber halt auch die widersprüchlichen Erwartungen, mit denen Unternehmen konfrontiert sind. Es stellt sich dringend die Frage, wer die effektive Personalpolitik denn massgeblich beeinflusst.

4. Widersprüchliches Verhalten der Arbeitgeber


Eigentlich spricht alles dafür, dass man ältere Arbeitskräfte so lange wie möglich beschäftigt: Flexibilisierung des Pensionsalters ist erstrebenswert (57 %) und macht Sinn (70 %), inklusivere Rekrutierung würde den Fachkräftemangel entschärfen (89 %), die verschiedenen Generationen sind punkto Bedürfnisse viel ähnlicher als erwartet (81 %) und die Fähigkeiten und der Mehrwert von Ü55 wird hoch wertgeschätzt. 

Trotzdem werden ältere Arbeitskräfte diskriminiert (77 %). Warum nur? – Es herrscht ein hartnäckiges Credo, das tief verwurzelt ist. HR-Professionals und Führungskräfte glauben, die frühzeitige Pensionierung sei ein wünschenswertes Privileg für ältere Mitarbeitende. 58 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass, wer es sich leisten kann, so früh als möglich in Pension gehen sollte. 70 Prozent befürworten sogar, dass Unternehmen Frühpensionierungen fördern sollen. Das trägt natürlich nicht zur Motivation der Arbeitgebenden bei, auf eine Weiterbeschäftigung über das Pensionierungsalter hinaus hinzuwirken oder in 50plus zu investieren oder 55plus gar neu anzustellen.

5. Wenig Mut, Einfluss und Erfahrung von HR und Personalführung


Mögliche Ursachen des Problems kommen in der Studie klar zum Ausdruck: 

  1. Firmen fehlt ein klarer Fokus. Die digitale Transformation beherrscht die Agenda der Firmen und wird als existenziell wichtiger als der demografische Wandel bewertet (87 %);
  2. Den Firmen fehlt es allgemein an Flexibilität (89 %);
  3. Es fehlt bei den Firmen auch an Wissen und Erfahrung, wie die Altersproblematik angegangen und gelöst werden kann. So ist Altersförderung für viele auf das BGM und flexible Arbeitsmodelle beschränkt. Vom Talent Management, Upskilling und von Mobilitätsprogramme sind 55plus mehrheitlich ausgeschlossen;
  4. Firmen fehlt die Erfahrung, die Potenziale von 55plus zu erschliessen (78 %).

6. Es braucht eine ganzheitliche, von Geschäftsleitung und Verwaltungsrat geförderte und geforderte, verankerte und konsequente 50plus-Kultur und -Personalpolitik


Die Personalpolitik fängt im Verhalten und bei den Aussagen der Unternehmensspitze an. Sie muss als Kultur vorgelebt und konsequent eingefordert werden. Gemäss Umfrage und Studie stehen verschiedene Schlüssel zur Lösung des Altersproblems zur Verfügung. Es braucht die Entwicklung einer 50plus-Personal- und Firmenkultur, das heisst Themen wie Talent Management 50plus, Rekrutierung 55plus, flexible Pensionierungsvorbereitung 65plus müssen kreativ angegangen, klar geregelt und konsequent umgesetzt werden: Aufhören mit der Generationenpolemik, Inklusion stattdessen leben, dafür volle Individualisierung von Arbeitsbedingungen.

Weitere Hintergrundartikel und Beiträge zum Studieninhalt und zum Thema 55Plus finden Sie auf der Projekt-Webpage www.research.hrtoday.ch.

Die vollständigen Ergebnisse und Zahlen der gesamten Studie werden im «Whitepaper 55PLUS» veröffentlicht. Es kann per E-Mail an info@rundstedt.ch bestellt werden. Es ist ab dem 15. November auch direkt auf der Webpage www.rundstedt.ch/news-und-events/ verfügbar.

 

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Porträtfoto von Edgar Spieler

Edgar Spieler ist Director Public & Innovation bei von Rundstedt.

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