Betriebliches Gesundheitsmanagement

Absenzen: Eine klassische
 Lose-lose-Situation

Die tatsächlichen Kosten für Absenzen werden oft unterschätzt. Ein Rechenbeispiel zeigt, wo die kritischen Beträge anfallen und warum kranke Mitarbeiter, von Firmen per Kündigung abgeschoben, zum «Bumerang» werden können.

Zu den wirtschaftlichen Gründen für betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) zählen nicht nur die Ausfallstunden oder die reduzierte Leistungsfähigkeit der Mitarbeitenden während ihrer Anwesenheit. Die Kosten für das Unternehmen in diesem Zusammenhang gehen weit darüber hinaus:  Prämien von Krankentaggeld- und Unfallversicherung, Beiträge an Invaliden- und Arbeitslosenversicherung und gegebenenfalls indirekte Kosten(-anteile) der Sozialhilfe (Steuergelder). Auf keinen Fall vergessen gehen dürfen auch die Beiträge an die Berufliche Vorsorge, denn auch sie werden durch Invalidisierungen massiv beeinflusst.

Es gibt kaum Aufstellungen über die entstehenden Gesamtkosten. Verschiedene Organisationen rechnen je Ausfalltag mit 400 bis 750 Franken. Gehen wir für die weiteren Betrachtungen von der exemplarischen Firma Muster AG aus. Sie beschäftigt 300 Mitarbeitende, was (bei einer Absenzquote von 5.2 Prozent Krankheit / Unfall) zwischen 1.6 und 3 Millionen Franken pro Jahr an Ausfallkosten bedeutet.

Rechnet man «nur» die ausgezahlten Löhne, für welche die Firma keine Arbeitsleistung erhalten hat, sind es, bei einem durchschnittlichen Jahreslohn von 80 000 Franken, 1,25 Millionen Franken jährlich. Dem gegenüber stehen, vor allem bei längeren Absenzen, Versicherungsrückzahlungen; diese müssen aber vorher erst mit den entsprechenden Prämien finanziert werden. Die Muster AG hat ungefähr 1,2 Millionen Franken Versicherungsbeiträge (Krankheit und Unfall) im Jahr berappt und rund 600 000 Franken zurückvergütet bekommen. Die Kosten für die häufigen Kurzabsenzen (sie sind oftmals ein Indiz für mögliche Langzeitabsenzen) trägt der Arbeitgeber aber fast immer selber.

Vorsorgestiftung des ehemaligen Arbeitgebers muss zahlen

Nehmen wir nun das Beispiel eines einzelnen Mitarbeiters dieser Firma. Es zeigt, dass auch die Betroffenen, nebst einer Einbusse der Lebensqualität, grosse Kosten respektive Einkommenseinbussen zu tragen haben (Quelle: www.faso.ch; Mann, JG 1957, geschieden, erwachsene Kinder, Teamleiter, Eintritt August 2002, Jahreslohn CHF 80 000; 2004; 12x CHF 6670). Nach mehreren kurzen Absenzen im Vorjahr erkrankte der Mitarbeiter im Januar 04 (Erschöpfungszustände mit körperlichen Symptomen, Schmerzzustände), was eine 100-prozentige Arbeitsunfähigkeit zur Folge hatte.

Per 30. November 04 wurde ihm die Kündigung ausgesprochen. In der Folge bezog er von der Krankentaggeldversicherung bis Januar 06 (80 Prozent), d.h. jährlich CHF 64 000 respektive monatlich CHF 5330 (in der Zwischenzeit erfolgte im November 2005 die IV-Anmeldung). Ab Februar 06 bezog er von der Arbeitslosenversicherung (bis zum Vorliegen des IV-Entscheides) ein Jahr lang monatlich CHF 2200. Ein Jahr später musste er sich bei der Sozialhilfe anmelden. Dort erhielt er das Existenzminimum von CHF 1900/Monat.

Im September 08 verfügte die Invalidenversicherung, dass eine Arbeitsfähigkeit von 50 Prozent in einer angepassten Tätigkeit erreicht werden kann. 2005 begann sein Rentenanspruch. Er bekommt nun von der IV CHF 1104 / Monat und von der beruflichen Vorsorge (zum Glück mit überobligatorischer Versicherung) CHF 1400 / Monat. Gesamthaft gibt das ein Renteneinkommen von CHF 2500 / Monat. Zudem muss er sich um den von der IV theoretisch berechneten möglichen Verdienst bemühen.

Mit der Kündigung per Ende November 04 erhoffte sich der Arbeitgeber eigentlich die Lösung dieses Problemfalls. Da die Invalidität aber auf die Zeit der Anstellung zurückzuführen ist, zahlt die Vorsorgestiftung unserer Musterfirma eine Rente von gesamthaft etwas über 300 000 Franken, bis der betroffene Arbeitnehmer das ordentliche Rentenalter erreicht hat.

Mit der Kündigung die 
Einflussmöglichkeiten aufgegeben

2004 hatte die Muster AG drei weitere Rentenfälle infolge Krankheit zu verzeichnen. Dadurch wird die Vorsorgestiftung mit einer weiteren Million zusätzlicher Rentenkosten belastet. (Die durchschnittlichen Kosten pro Invaliditätsfall bis zur Erreichung des ordentlichen Rentenalters liegen gemäss verschiedenen Expertenaussagen bei CHF 350 000 [Krankheit] und CHF 650 000 [Unfall].) Mit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses hat die Firma also nichts gewonnen, sondern lediglich ihre Einflussmöglichkeiten zur eventuellen Verhinderung einer Langzeitinvalidität aufgegeben und wertvolles Fachwissen verloren. Mit gezielter Prävention und Reintegration hätte dieser Fall möglicherweise ganz verhindert werden können.

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Katharina Walser ist Präsidentin des Schweizerischen Verbands für Betriebliche Gesundheitsförderung SVBGF und Inhaberin der Walser Consilart GmbH, die Fachberatungen zum erfolgreichen Auf- und Ausbau von BGM anbietet.

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