Arbeit und Recht

Achtung Kleingedrucktes: Worauf bei Personalreglementen zu achten ist

Personalreglemente, Allgemeine Anstellungsbedingungen, Mitarbeiter-Handbücher, Dienstordnungen: Wie immer man sie nennt, sie haben eines gemeinsam: die Festlegung wesentlicher und allgemeingültiger Eckwerte der Arbeitsverhältnisse innerhalb eines Unternehmens. Wichtig dabei ist eine klare Differenzierung zwischen Weisungs- und Vertragsbereich – 
andernfalls setzen Unternehmen die Möglichkeit aufs Spiel, Weisungen rasch und einseitig ändern zu können.

Personalreglemente erfreuen sich in der Schweiz grosser Beliebtheit. Sie sollen eine einheitliche, klare und effiziente und dennoch möglichst flexible Vertragsgestaltung gewährleisten. Damit sie halten, was man sich von ihnen verspricht, ist bei der Schaffung, der Einführung und Überarbeitung von Personalreglementen auf folgende Punkte zu achten:

Separate Dokumente erleichtern 
spätere Änderungsmöglichkeiten

Personalreglemente sollen Standards festlegen und rationellere Abläufe garantieren: Das, was für die grosse Mehrheit der Arbeitnehmenden gilt, wird generell – «ein für alle Mal» – festgelegt. Dabei unterscheiden viele Personalreglemente nicht zwischen Bestimmungen, die Vertragscharakter haben, also  vereinbart werden – wie z.B. Arbeitszeiten, Kündigungsfristen, Lohnfortzahlung bei Mutterschaft oder Krankheit, Überstunden oder Konkurrenzverbote –, und Bestimmungen, die Weisungscharakter haben, das heisst einseitig bestimmt werden, z.B. Merkblätter zu Mobbing und sexueller Belästigung, Hygienevorschriften oder Bestimmungen zu Internet- und E-Mail-Nutzung).

Durch diese fehlende Differenzierung riskieren Unternehmen, dass die Bestimmungen mit Weisungscharakter als vereinbarte Vertragsbestandteile qualifiziert werden und nur noch einvernehmlich geändert werden können. Die Möglichkeit der einseitigen und rascheren Änderung solcher Bestimmungen – welche bei Weisungen sonst besteht – ist damit gefährdet. Um dieses Risiko zu minimieren, empfiehlt es sich, die Bestimmungen im Weisungsbereich und die Bestimmungen mit Vertragscharakter in separaten Dokumenten festzulegen. Falls dies nicht gewünscht ist, sollten die verschiedenen Bestimmungen zumindest klar auseinandergehalten werden.

Damit sich Unternehmen auf die Bestimmungen im Personalreglement berufen können, ist deren Übernahme in den Einzelarbeitsvertrag Voraussetzung. Hinweise wie «Das Personalreglement ist integrierender Bestandteil des Arbeitsvertrags» genügen jedoch nicht. Es ist notwendig (und das Unternehmen ist dafür beweispflichtig), dass der Mitarbeiter das Reglement erhalten und zur Kenntnis genommen hat. Problematisch ist, wenn das Reglement dem Mitarbeiter anlässlich der Vertragsunterzeichnung überreicht wird, dieser also kaum Gelegenheit erhält, dessen Inhalt wirklich zu kennen, bevor er unterzeichnet. Im Idealfall wird das Reglement dem Mitarbeiter einige Tage im Voraus übergeben, damit dieser Zeit hat, es im Detail zu studieren.

Für Änderungen genügend 
Zeit einplanen

Auch dies genügt jedoch nicht immer. Auf gewisse, so genannte «ungewöhnliche» Bestimmungen im Personalreglement muss der Arbeitgeber im Einzelarbeitsvertrag explizit hinweisen. Diese sind z.B. Konkurrenzverbote und Konventionalstrafen. Hinzu kommt, dass das Gesetz bezüglich einzelner Vereinbarungen Schriftlichkeit verlangt (z.B. Abänderung der gesetzlichen Kündigungsfristen, Ausschluss der Überstundenentschädigung und -kompensation, abweichende Regelungen der Lohnfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit). Auch auf diese Punkte muss im Einzelarbeitvertrag hingewiesen werden.

Bei der Einführung von neuen Personalreglementen in bestehende Arbeitsverhältnisse ist zu prüfen, inwiefern die neu einzuführenden Bestimmungen von den bestehenden Arbeitsverträgen abweichen. Bringt das neue Reglement potenziell negative Veränderungen mit sich, ist das Unternehmen gut beraten, deren Einführung sorgfältig zu planen. Um nicht Massen-Änderungskündigungen mit den entsprechenden Vorschriften zur Massenentlassung durchführen zu müssen, ist zu empfehlen, das Einverständnis der einzelnen Mitarbeitenden einzuholen und diesen genügend Bedenkzeit einzuräumen. So können notwendige Änderungskündigungen auf Einzelfälle beschränkt werden. Bei klar gravierenden Verschlechterungen wird mit Vorteil von Anfang an genügend Zeit für die (Massen-) Änderungskündigungen eingeplant.

Vorsicht bei einseitigen Änderungsrechten

Viele Unternehmen wollen sich die Freiheit vorbehalten, das Personalreglement jederzeit rasch anpassen zu können. Entweder wird eine einseitige Änderungsmöglichkeit explizit erwähnt oder es wird «das jeweils gültige» Personalreglement für anwendbar erklärt. Aber Achtung: Auf solche Klauseln sollte ebenfalls im Einzelarbeitsvertrag verwiesen werden, da sie als ungewöhnlich eingestuft werden können. Ob sie durchsetzbar sind oder nicht, kann nicht generell bejaht oder verneint werden, sondern muss in jedem Einzelfall neu beurteilt werden. Es hängt oft davon ab, wie einschneidend die vorzunehmenden Änderungen sind.

Grundsätzlich gilt: Was im Weisungsbereich liegt und als solches klar deklariert wurde, kann einfacher abgeändert werden als was im Vertragsbereich liegt. Geht es um wesentliche «Kerngebiete» des Arbeitsvertrags, wie Lohn(fortzahlungs)- oder Ferienansprüche sollten klare Verschlechterungen wiederum auf jeden Fall via Änderungskündigungen umgesetzt werden. Bei eher geringfügigeren Verschlechterungen (z.B. Streichung gewisser bisher freiwillig eingeräumter Freitage oder von Jubiläumsgeschenken), welche zudem sachlich gerechtfertigt sind und rasch umgesetzt werden sollen, kann die Einwilligung der Mitarbeitenden gesucht und so die kurzfristige Änderung einvernehmlich bewirkt werden. Blind auf das einseitig eingeräumte Änderungsrecht abzustellen, ist aufgrund fehlender eindeutiger Präjudizien zu riskant.

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Gudrun Österreicher Spaniol

Gudrun Österreicher Spaniol
ist Fachanwältin SAV Arbeitsrecht und Partnerin bei Burckhardt. Sie berät vorwiegend Arbeitgeber sowie Arbeitnehmer in Fragen des Arbeits- und Sozialversicherungsrechts.

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