Employer Branding

Auch der Gemeinderat beteiligte sich an der Personalmarketing-Kampagne

2011 musste die Sevitec AG, ein Informatik-KMU, eine komplette Geschäftseinheit schliessen. Wegen Personalmangels. Um Gegensteuer zu geben, startete die Firma eine innovative Kampagne, mit der sie selbstbewusst auf sich und die Region aufmerksam macht.

Der Fachkräftemangel in der Schweiz und in umliegenden Ländern – schon viel wurde darüber geschrieben und debattiert. Auch in der Zukunft wird uns dieses Thema stark beschäftigen.

Manche KMU, insbesondere in der IT-Branche, kämpfen aus diesem Grund tagtäglich ums Überleben. Für das Entwickeln einer Software braucht es hochqualifizierte Mit­arbeitende, und wenn es an diesen mangelt, müssen Kundenaufträge ­abgelehnt, geniale Eigenentwicklungen auf «Standby» geschaltet und potenzielle Neukunden auf unbestimmte Zeit vertröstet werden. All dies schadet nicht nur dem Firmenimage, sondern löst auch eine Unsicherheit bei den Mitarbeitenden aus.

In solchen Firmen versuchen Geschäftsleitung und HR mit allen Mitteln, eben diesen treuen Mitarbeitenden mit Visionen neuer Geschäftsmodelle sowie mit umfassenden Retention-Programmen Zukunftsperspektiven aufzuzeigen.

Qualifizierte Mitarbeiter ausserhalb der Ballungszentren? Fast unmöglich

Die Sevitec AG ist ein KMU mit Sitz in Eschlikon TG und entwickelt seit zwölf Jahren massgeschneiderte Software für namhafte Kunden in der ganzen Schweiz. Zudem bringt Sevitec in diesen Tagen das einzigartige ­Vorlagen-Management-System OneOffixx auf den Markt. Diese Software erlaubt allen Firmen, sämtliche Office-Dokumente wie Word, Excel, PowerPoint und Outlook-Mails in perfektem Corporate Identity formatiert zu erstellen. Dies funktioniert auch in Cloud-Infrastrukturen und stellt dank den weltweiten Absatzmöglichkeiten eine Revolution auf dem Markt dar.

Nur dank den rund 20 bestausgebildeten Mitarbeitenden, darunter Software-Ingenieure und Applikationsentwickler, gelingt es Sevitec, qualitativ hochstehende Arbeiten abzuliefern und damit die Kundenzufriedenheit auf einem hohen Niveau zu halten.

Täglich sind das HR und die Geschäftsleitung von Sevitec mit dem Fachkräftemangel konfrontiert, denn seit rund zwei Jahren ist es nahezu unmöglich geworden, qualifizierte Mitarbeitende ausserhalb der Ballungszentren zu finden. Auch musste 2011 eine komplette Geschäftseinheit aus Personalmangel geschlossen werden. Und dies, obwohl der zeitliche und finanzielle Aufwand für die Personalsuche um ein Vielfaches gestiegen ist.

Mit voller Kraft voraus – mutig, innovativ und ein wenig frech

Manchmal muss man Zeichen setzen. Das hat sich auch Sevitec gesagt und macht deshalb mit einer breit abgedeckten Personalmarketingkampagne auf das Unternehmen und die Region aufmerksam:

Inseratekampagne: Der Slogan «Eschlikon ­Silicon Valley» zeigt treffend auf, dass, wie im Silicon Valley, auch im Südthurgau auf hohem Niveau und mit zukunftsweisenden Technologien gearbeitet wird (Bild oben).

  • Während zweier Wochen hängen an den Bahnhöfen von Winterthur bis nach Wil Plakate mit dem Slogan «Eschlikon ­Silicon Valley».
  • Unterstützung seitens des Gemeinderats: Der Gemeindepräsident Robert Meyer  (Bild oben) lud zur Pressekonferenz ein und lüftete dabei das Geheimnis, wer hinter der Plakataktion stand. Dabei wurde in mehreren Regionalzeitungen und im Regional-TV berichtet.
  • Zwei dieser Filme sind auf Youtube, auf der Website und auf Facebook abrufbar.
  • Inserate in IT-Fachzeitschriften Deutschlands.
  • Inserate in regionalen Zeitungen.

Rekrutierungs-Website www.cloud-developers.ch: Mit dieser für die Rekrutierung speziell ausgearbeiteten Website (Bild) erhält der Interessent umfangreiche Informa­tionen zu den offenen Stellen von Sevitec, aber vor allem auch zur Region und zu den Vorteilen, die ein Leben und Arbeiten «im Grünen» bietet.

Social-Media-Strategie: Auch darauf wollte Sevitec nicht länger verzichten und hat sich bewusst und zielgruppengerichtet ein Konzept von einer Social-Media-Agentur ausarbeiten lassen. So ist Sevitec mit der Firmensite www.facebook.com/clouddevelopers auf Facebook präsent, postet regelmässig aktuelle Beiträge und erreicht so mittels gezielter Werbung Leute aus der Branche. Mit Youtube wird die Kampagne visuell untermauert. Auf Xing und LinkedIn ist Sevitec schon länger aktiv.

Studentenanlässe: Nebst regelmässiger Präsenz an Job-Börsen von Fachhochschulen setzt Sevitec auch hier neue Massstäbe. Mittels Direktansprache der Fachhochschüler (Flyer auf Red-Bull-Dose unter dem Motto «Meet you in the Cloud») wurden die Absolventen dieses  Jahr zusätzlich auf Sevitec aufmerksam gemacht und zu Drinks in einer Bar im höchstgelegenen Turm in Winterthur eingeladen. Auch ein «Grillabend in der Cloud bei Sevitec» steht an, um die Firma besser kennen zu lernen.

Tipps für KMU: Personalmarketing mit einfachen Mitteln

In grossen Unternehmen ist das Personalmarketing institutionalisiert. Doch auch Kleinunternehmen haben eine Chance, mit einfachen Mitteln Personalmarketing zu betreiben und damit grosse Wirkung zu erzielen. Hier ein paar Tipps für KMU:

Besinnung auf die eigenen Werte sowie Vorteile, und dies über die eigene Firmensicht hinaus
Ganz wichtig ist, dass man sich auf die Stärken und Werte der Firma besinnt und in einem Prozess der Selbstreflexion eruiert, wo im Gegensatz zur Konkurrenz der eigene Mehrwert liegt. Bei Sevitec war dies nebst der absolut zukunftsweisenden Technologie, mit der im Unternehmen gearbeitet wird, natürlich auch die vorteilhafte Lage, eine Minute vom S-Bahnhof entfernt, verkehrstechnisch optimal erreichbar. Dann aber auch die modern eingerichteten Arbeitsplätze sowie das junge Team. Allem voran die Vorzüge der wunderschönen Wohnlage, kein Pendeln, weniger Fahrzeit zur Arbeit etc.

Selbstbewusst auftreten, zu den Werten stehen und an die Öffentlichkeit gehen
Wichtig ist, dass man die Werte und Vorteile, die die Firma, der Ort, die Region etc. zu bieten haben, auch selbstbewusst hervorhebt, sei es durch einen Beitrag auf der Website, sei es auf speziellen Werbeplakaten etc. Das darf ruhig auch mal etwas frech rüberkommen und übertrieben wirken, um die gewünschte Aufmerksamkeit zu bekommen. Sevitec konnte mit dem schlagkräftigen Slogan «Eschlikon ­Silicon Valley» eine treffende Message finden, welche für alle IT-Fachleute ein Begriff ist.

Synergien suchen und nutzen
Im Fall von Sevitec konnte die Gemeinde vom Vorhaben überzeugt werden. Als aufstrebende Gemeinde mit einem überdurchschnittlichen Wachstum an Einwohnern und Unternehmen zeigte der Gemeinderat grosses Interesse daran, die Gemeinde mittels Werbeslogan noch bekannter zu machen. Dies war auch Zündstoff für eine kurz vorangegangene Debatte, bei welcher ein Grossteil der Bevölkerung der Gegend sich für den Namen «Hinterthurgau» und nicht «Südthurgau» starkmachte. Angefragt wurden von Sevitec auch weitere Firmen in der Region, die bis heute jedoch leider kein Interesse an der Kampagne zeigten.

Dank dem Einsatz des Gemeindepräsidenten und der knackig formulierten und geheimnisversprechenden Einladung zum Medienanlass ist es Sevitec gelungen, in einem Masse kostenlose Medienresonanz auf Zeitungs-Frontseiten und in TV-Hauptbeiträgen zu erlangen, wie es im Alleingang niemals möglich gewesen wäre.

Mitarbeitende einbeziehen
Bei allen Schritten wurden die Mitarbeitenden von Anfang an informiert und miteinbezogen. Ihre Meinung und ihre Ideen wurden ernst genommen und trugen ebenfalls zum guten Gelingen der Kampagne bei.

Kostenfaktor
Zugegeben, für eine breit abgedeckte Kampagne wie die von Sevitec braucht es finanzielle wie auch personelle Ressourcen. Da das Unternehmen einen Teil seines Marketingbudgets in ein nachhaltiges Personalmarketing inves-tiert, setzte es einen hohen fünfstelligen Betrag dafür ein (siehe unten).

Fazit – und ein Wort zur Nachwuchsförderung

Als Folge der Kampagne sind schon einige Bewerbungen bei Sevitec eingegangen, die zuversichtlich stimmen. Wie erfolgreich und nachhaltig die Kampagne wirklich ist, wird sich jedoch erst mittel- bis langfristig zeigen, indem Sevitec weitere  Schritte plant und an der Strategie festhält. Ziel ist es, fünf bis acht Software-Entwickler/Engineers im Jahr 2012 einzustellen. Sevitec ist überzeugt, dass auch KMU eine Chance haben, ein aktives Employer Brandig zu betreiben und damit Fachkräfte zu überzeugen, dass es auch ausserhalb der Ballungszentren geniale Arbeitsplätze gibt.

Sevitec bietet jährlich zwei Praktikumsstellen und aktuell vier Lehrstellen an. Dies ist im Vergleich zur Anzahl der restlichen Mit­arbeitenden (14 Personen) ein sehr hoher ­Anteil an Ausbildungsplätzen. Das Unternehmen sieht es jedoch auch als seine Pflicht, für IT-Nachwuchs zu sorgen. Leider hört man zum Teil von grossen IT-Unternehmen, dass sie ein Minimum an  Ausbildungsplätzen anbieten. Dabei sichern gerade in der IT-Branche genügend Ausbildungsplätze – und somit genügend Fachkräfte – den Erfolg von morgen.

Budget Personalmarketing Sevitec 2012

Werbeagentur klassische Medien: 14 000
Plakate im Grossformat an Bahnhöfen und Strassen: 7 000
Medienkonferenz mit Pressetext und Video: 2 000
Printinserate in regionaler Presse: 3 000
Printinserate in Fachzeitschriften: 5 000
Online-Stelleninserate: 6 000
TV-Beitrag Tele-Top, 6 Minuten: 0
6 Grossartikel in Zeitungen, davon 2 x auf Frontseite: 0
Messestände an Fachhochschulen: 5 000
Bewerberanlässe (Grill, Apéro etc.): 5 000
Werbeagentur Social Media: 5 000
Social-Media-Werbung: 1 000
Rekrutierungs-Website mit Jobvideos: 2 000
Total: 55 000
 

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Ursula Däscher Geiser arbeitet seit 15 Jahren in verschiedenen Posi­tio­nen im HR und hat sich zur eidg. dipl. HR-Leiterin an der Akad weitergebildet. Seit Beginn 2011 ist sie als HR-Leiterin bei Sevitec und zudem in selbständiger Tätigkeit als HR Consultant tätig.
 

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