Auch Spielen kann harte Arbeit sein
Lego Serious Play bringt Bewegung in festgefahrene Denkstrukturen: Mit der spielerisch-strukturierten Methode lassen sich komplexe HR-Themen wie Führung, Kultur oder Veränderung sichtbar machen – und gemeinsam im Team neu gestalten.

Spielen ist nicht nur etwas für Kinder. (Bild: ChatGPT / Canva)
Ob Personalentwicklung, Führungskräfte-Workshops oder Change-Prozesse: Die Herausforderungen im HR-Umfeld sind komplex – und klassische Methoden oft nicht mehr ausreichend, um Beteiligung, Klarheit und echte Veränderung zu ermöglichen. Genau hier setzt die Methode Lego Serious Play (LSP) an. Was zunächst verspielt klingt, ist ein wissenschaftlich fundierter, strukturierter Prozess, der in Unternehmen weltweit erfolgreich zur Anwendung kommt – insbesondere, wenn es um Lernen, Kulturarbeit und Veränderung geht.
Das ist Lego Serious Play – und warum es heute so relevant ist
LSP wurde von der Lego-Gruppe in den 1990er-Jahren gemeinsam mit Forschungspartnerinnen und -partnern am International Institute for Management Development IMD mit Sitz in Lausanne im Zuge der Globalisierung, neuer Technologien und innovativer Strategieentwicklung entwickelt.

Der zentrale Ansatz: Alle Teilnehmenden beantworten eine Frage, indem sie ein Modell mit Lego-Steinen bauen – und es der Gruppe erklären. Dabei wird nicht nur gesprochen, sondern gebaut, erzählt, zugehört, hinterfragt und gemeinsam reflektiert. LSP ist eine strukturierte Methode mit verschiedenen Baustufen, die dazu dient, komplexe Themen greifbar zu machen. Dabei wird die innere Welt modellhaft dargestellt, um verborgene Erkenntnisse sichtbar und nutzbar zu machen. Durch das Bauen entstehen konkrete Modelle als Antworten auf zentrale Fragen. Selbstreflexion, Dialog und Partizipation führen zu gemeinsamem Verständnis und geteiltem Wissen.
Wie eine LSP-Session verläuft
Der Prozess folgt einem klaren Ablauf und wird von zertifizierten Facilitatorinnen oder Facilitatoren begleitet. Für die Wirksamkeit sind eine sorgfältig vorbereitete Fragestellung, ein sicherer Raum und Offenheit für Neues zentral. Nach der Materialkunde und dem Skill Building bauen alle ein individuelles Modell als Antwort auf eine «Serious Question». Jedes Modell erzählt eine Geschichte. Die Teilnehmenden erläutern, was sie gebaut haben und welche Bedeutung einzelne Elemente haben. Storytelling ist zentral: Das Arbeiten mit den Händen aktiviert das Denken auf mehreren Ebenen.

So entsteht Klarheit im eigenen Denken und ein tieferes Verständnis bei den Zuhörenden. Perspektiven werden sichtbar, Emotionen greifbar – der Raum wird zur Bühne für Dialog, Erkenntnis und Beteiligung. Anschliessend werden die individuellen Essenzen herausgearbeitet und konkrete Massnahmen festgehalten. Je nach Format verdichtet die Gruppe diese Einzelmodelle zu einem gemeinsamen Modell und bezieht externe Einflussgrössen ein – so werden Abhängigkeiten, Spannungen, Risiken und Chancen sichtbar. Fotos, Videos und Post-its halten die Ergebnisse fest, aus denen sich konkrete Folgeaufgaben ableiten lassen.
Was LSP so wirksam macht – gerade in Teams und Organisationen
LSP verbindet Konstruktionismus, Imagination sowie Spieltheorie und nutzt gezielt das «Hand-Hirn-Prinzip»: Rund 70 bis 80 Prozent der Nerven im Gehirn sind mit den Händen verbunden. Wenn etwas mit den Händen gestaltet wird, wird das Denken aktiv auf mehreren Ebenen angeregt. Das ermöglicht ein «Begreifen» im wörtlichen Sinn – abstrakte Themen werden konkret, komplexe Zusammenhänge sichtbar. Genau darin liegt die Kraft von LSP: Gedanken, die im Kopf noch vage sind, werden durch das Bauen klarer – und durch das Erzählen begreifbar für einen selbst und andere. Zusammenarbeit wird transparenter, Vertrauen wächst und Teams entwickeln ein gemeinsames Bild ihrer Wünsche, Erwartungen, Interpretationen und der Zukunft. Aus einem Team kann so ein echtes Superteam werden.
Alle, bei denen Menschen in den Austausch gehen sowie Kommunikation und Kollaboration im Zentrum stehen. LSP bringt Menschen spielerisch in tiefen Austausch und eröffnet neue Wege, Organisationen wirksam und menschlich zu gestalten. Besonders eignet sich der Einsatz für Team- und Führungskräfteentwicklung, Wertearbeit und Unternehmenskultur, Strategie und Zukunftsbilder, Kommunikation und Zusammenarbeit, Veränderungsprozesse und Retrospektiven, Innovation und Prototyping, Kunden- und Kandidatenperspektive sowie Lern- und Entwicklungsprozesse.
Wie LSP konkret wirkt
Kürzlich habe ich mit einem kleinen Team eines internationalen Unternehmens das proklamierte Thema «Service Excellence» mithilfe der LSP-Methode bearbeitet und im wahrsten Sinne des Wortes «(be-)greifbar» gemacht. Durch den spielerischen Zugang gelang es uns, ein zunächst als grosse Herausforderung empfundenes Thema in nur einem halben Tag visuell und transferorientiert zu erfassen. So konnte das Team Klarheit darüber gewinnen, wie es «Service Excellence» konkret in den Arbeitsalltag integrieren möchte. Die Geschäftsleitung einer Stiftung hat mit LSP ein gemeinsames Führungsverständnis sowie ein Manifest für eine ideale Zusammenarbeit im Team entwickelt. Das Bauen über mehrere Prozessphasen ermöglichte tiefere Erkenntnisse und schuf eine tragfähige, kollektive Basis.
In einem anderen Unternehmen setzen Recruiterinnen und Recruiter Lego Serious Play ein, um die kulturelle Passung von Kandidatinnen und Kandidaten zu reflektieren. Beim Bauen von Talenten oder Werten treten verborgene Potenziale zutage – und durch das Erzählen der damit verbundenen Geschichten entsteht zusätzliche Selbsterkenntnis. Abstrakte Begriffe, die individuell unterschiedlich interpretiert werden, werden nicht länger diskutiert, sondern durch persönliche Geschichten anhand konkreter Modelle greifbar gemacht.
Wo LSP an Grenzen stösst
LSP wirkt dort, wo es um Reflexion, Perspektivenvielfalt und gemeinsames Lernen geht. Die Methode passt hingegen nicht, wenn das Ergebnis schon feststeht, rein technische Inhalte vermittelt werden sollen oder kein Raum für Reflexion besteht. Auch wenn es schnell gehen soll, ist LSP nicht das richtige Werkzeug. Seine Stärke liegt dort, wo Perspektivenvielfalt und Entdeckung gefragt sind und wo Themen durch Modelle und Geschichten (be-)greifbar gemacht werden sollen.
Wie der Skepsis gegenüber der Methode – gerade von Führungskräften – begegnet werden kann
Viele haben mittlerweile davon gehört, und manche reagieren zunächst irritiert: «Was, mit Lego spielen?» Der schnellste Zugang: Erleben statt erklären. Deshalb habe ich immer ein Säckchen Klemmbausteine dabei und zeige die Methode kurz an einer aktuellen oder hypothetischen Frage. Wer eine Session mitmacht, spürt sofort, wie tiefgründig und strukturiert LSP ist. Die Methode basiert auf fundierten Erkenntnissen aus Psychologie, Systemtheorie und Neurowissenschaft – und sie schafft eine Qualität des Dialogs, die klassische Meetings selten erreichen. a