HR Today Nr. 3/2022: Kultur II – Feedforward-Methode

Auf den Kopf gestellt

Feedback ist auf die Vergangenheit gerichtet und schürt Verunsicherung und Ängste. Im Gegensatz dazu steht die zukunftsgerichtete Feedforward-Methode, die sich auf die positive Gestaltung von Visionen und Zielen fokussiert. Damit steigen die psychologische Sicherheit sowie die Leistungsfähigkeit in Teams und Organisationen. Die Einführung erfordert jedoch einen Struktur- und Kulturwandel.

Feedback in der einen oder anderen Form gehört zum Tagesgeschäft jeder Organisation. Mit gutem Grund: Zurückzublicken und kritisch zu evaluieren, was gut lief und was nicht, lohnt sich, denn wenn wir Fehler nicht erkennen, können wir auch nicht aus ihnen lernen.

Die Sache hat jedoch einen Haken: Feedback funktioniert in der Praxis oft nicht so, wie wir uns das in der Theorie vorstellen. Menschen sind keine Roboter, die Informationen kühl und neutral verarbeiten, sondern emotionale Wesen mit individuellen Einstellungen, Werten und Persönlichkeitsmerkmalen. Deshalb hängt die Wirkung von Feedback stark davon ab, wie dieses von den Angesprochenen interpretiert wird.¹ So ist Feedback für viele Menschen eine ausgesprochen negative Erfahrung, die sie demotiviert, verunsichert oder sogar komplett paralysiert.² Die Folge: In bis zu 50 Prozent aller Feedback-Situationen ist dieses nicht nur nutzlos, sondern hat sogar einen negativen Effekt auf die Arbeitsleistung.³

Von der Zukunft lernen

Feedback ist fundamental auf die Vergangenheit ausgerichtet: Mitarbeitende erhalten eine kritische Rückmeldung über Sachverhalte, die sie nicht mehr beeinflussen können. Im Kontrast dazu richtet sich der Blick bei Feedforward in die Zukunft: Der Ist-Zustand ist nur das Sprungbrett, um gemeinsam mit Mitarbeitenden positive Visionen zu entwickeln und Ziele zu definieren.

Feedforward erhöht die Leistung von Mitarbeitenden⁴ sowie die psychologische Sicherheit in Teams und Organisationen.⁵ Letztere ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor in einer Organisations- und Teamkultur⁶: Fühlen sich Menschen in ihren Teams psychologisch sicher, trauen sie sich, Ideen auszusprechen, Dinge auszuprobieren und Wissen zu teilen.

Die Umsetzung kann einfach und mit wenig Aufwand zu einer Feedforward-Situation umgestaltet werden:

  • Die Teamleiterin und das Teammitglied nehmen den ­Ist-Zustand wertungsfrei zur Kenntnis.
  • Die Teamleiterin bittet das Teammitglied, seine Zukunftsvisionen und Ziele zu formulieren.
  • Die Teamleiterin hört aktiv zu und reagiert mit positiven Inputs und lässt hierfür alle Ideen zu.
  • Die Teamleiterin und das Teammitglied einigen sich auf konkrete Ziele.

Neue Strukturen, neue Kultur

Nach Jahren und Jahrzehnten sind wir auf Feedback-Prozesse konditioniert, sodass eine Ad-hoc-Nutzung von Feedforward anfänglich unnatürlich und ungewohnt erscheint. Dieser Prozess erfordert deshalb neue Strukturen. Wird es nicht explizit verankert und aktiv eingefordert, fallen Teams und Organisationen allzu schnell in gewohnte Feedback-Routinen zurück.

In der Praxis funktioniert Feedforward, wenn Vorgesetzte es quartalsweise digital unterstützt durchführen und Mitarbeitende aktiv danach fragen. Hierzu sollten sie nur wenige Fragen stellen. Nach Abschluss aller Feedforwards werden diese aufbereitet und in einer Teamdiskussion in konkrete Aufgaben gefasst. Dieses Vorgehen lässt sich einfach und effizient über die gesamte Organisation ausweiten.

Feedforward bedeutet auch einen Kulturwandel. Damit es eine Wirkung zeitigt, müssen sich Teams und Organisationen von klassischen Hierarchien weg- hin zu einer Bottom-up-Kultur entwickeln. Warum? Weil positive Visionen und Ziele, die in Feedforwards formuliert werden, auch die Arbeit der Teamleitung, des Managements oder der Geschäftsleitung betreffen können. Beispielsweise, weil ein Teammitglied eine zündende Idee hat, wie eine Teamleaderin einen Prozess effizienter gestalten könnte, um mehr Zeit für die eigentliche Arbeit zu gewinnen.

Der strukturelle und kulturelle Change-Prozess, der mit der Einführung von Feedforward stattfindet, dauert mindestens ein Jahr. Doch das Commitment zu dieser Veränderung lohnt sich, denn es schafft ein Klima des Mit- und Vorwärts-­Denkens. Damit erreichen Organisationen, was sie sich schon lange gewünscht haben: Mitarbeitende fassen Mut und ­werden aktiv dazu angeleitet, das in ihnen schlummernde Potenzial zu entfalten.

Quellen:

  • ¹ Ilgen, Daniel R., Cynthia D. Fisher, and M. Susan Taylor. «Consequences of Individual Feedback on Behavior in Organizations.» Journal of Applied Psychology 64, no. 4 (1979): 349–71.
  • ² Smither, James W., Manuel London, and Richard R. Reilly. «Does Performance Improve Following Multisource Feedback? A Theoretical Model, Meta-Analysis, and Review of Empirical Findings.» Personnel Psychology 58, no. 1 (2005): 33–66. https://doi.org/10.1111/j.1744-6570.2005.514_1.x.
  • ³ Kluger, Avraham N., and Angelo DeNisi. «Feedback Interventions: Toward the Understanding of a Double-Edged Sword.» Current Directions in Psychological Science 7, no. 3 (June 1, 1998): 67–72. https://doi.org/10.1111/1467-8721.ep10772989.
  • ⁴ Budworth, Marie-Hélène, Gary P. Latham, and Laxmikant Manroop. «Looking Forward to Performance Improvement: A Field Test of the Feedforward Interview for Performance Management.» Human Resource Management 54, no. 1 (2015): 45–54. https://doi.org/10.1002/hrm.21618.
  • ⁵ Kluger, Avraham N., and Dina Nir. «The Feedforward Interview.» Human Resource Management Review, Human Resource Management in Israel, 20, no. 3 (September 1, 2010): 235–46. https://doi.org/10.1016/j.hrmr.2009.08.002.
  • ⁶ Newman, Alexander, Ross Donohue, and Nathan Eva. «Psychological Safety: A Systematic Review of the Literature.» Human Resource Management Review 27, no. 3 (September 1, 2017): 521–35. https://doi.org/10.1016/j.hrmr.2017.01.001.
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Fabian Jäger ist Mitgründer und CEO des HR-Tech Unternehmens Joineer.

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Marko Kovic ist Sozialwissenschaftler bei Joineer.

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