Heft Nr. 10/2015: swissstaffing-News

Automation & MINT – die Triebfeder allen Wachstums

Ohne technischen Fortschritt gibt es kein Wachstum. Umso wichtiger sind gut ausgebildete Ingenieure, Informatiker und Naturwissenschaftler. Die Angst vor der Automation ist im Menschen verankert. Um die Zukunft mit dem gleichen Wohlstand zu meistern, muss die Schweiz den technischen Fortschritt annehmen.

Schon im Mittelalter hatten die Menschen Angst, durch Maschinen ersetzt zu werden. Wirtschaftshistoriker wissen: Im Mittelalter gab es ein ungeschriebenes Gesetz, neue Produktionstechniken nicht zu nutzen, um einen Anstieg der Arbeitslosigkeit zu verhindern. Dieses Gesetz wurde erst durchbrochen, als in England eine riesige Kolonial- und Binnennachfrage auf eine innovationsfreudige Gesellschaft traf. Der Rest der Geschichte ist bekannt. Die industrielle Revolution brachte der Menschheit ungeahnten Wohlstand.

Geheimnis dieses Wohlstands: Seit 250 Jahren werden in der Tat Jahr für Jahr Menschen durch Maschinen ersetzt. Dennoch ist die Arbeitslosenrate gleich geblieben. Warum? Obwohl ganze Berufsgruppen verschwunden sind, hat der technische Fortschritt neue Jobs und Industrien geschaffen, die es vorher nicht gab.

Ohne Fortschritt, kein Wachstum

So schlimm der Wegfall der alten Arbeitsplätze für die betroffenen Menschen auch ist, so ist es doch der einzige Weg, damit sie an anderer Stelle in der Wirtschaft produktiver eingesetzt werden können und die Ökonomie als Ganzes wachsen kann. Zusammenfassend: ohne technischen Fortschritt kein Wachstum.

Doch warum überhaupt Wachstum? Die Antwort liegt auf der Hand: Nur Wachstum wird es uns ermöglichen, viele gesellschaftliche Herausforderungen zu meistern. Ein Beispiel: Sollte es der Schweiz gelingen, ein durchschnittliches Wachstum von einem Prozent zu erreichen, wird es 70 Jahre dauern, bis sich der Wohlstand hierzulande verdoppelt. Schaffen wir durch kluge Köpfe in Politik, Wirtschaft und vor allem in der Forschung ein Wachstum von zwei Prozent, wären es nur 35 Jahre, bei drei Prozent Wachstum sogar nur gut 20 Jahre.

Wachstum erlaubt Umverteilung

Wie wichtig diese Wohlstandsgewinne für die Schweiz sind, zeigt ein Blick auf den demografischen Wandel. Mit der Alterung der Gesellschaft müssen nicht nur steigende Pensionskosten geschultert werden, sondern auch zunehmende Gesundheitsausgaben – und das von immer weniger Erwerbstätigen. Bei Einführung der AHV im Jahr 1948 lag das Verhältnis zwischen Leistungsempfängern und Erwerbstätigen noch bei 1:7.

Heute kommen auf einen über 65-Jährigen knapp vier Erwerbstätige. Im Jahr 2050 werden es nach Schätzungen des Bundesamts für Statistik gut zwei sein. Ein jährliches Wachstum von zwei Prozent würde es uns bis dahin gerade erlauben, Geld von Jung nach Alt umzuverteilen und unseren heutigen Wohlstand beizubehalten. Hier ist die Politik gefordert, die Sozialsysteme umzugestalten, ohne die wirtschaftliche Entwicklung zu behindern.

Mint-Beruf kommt Schlüsselrolle zu

Eine Zukunft ohne Wohlstandsverluste muss hart erarbeitet werden. Innovation und technischer Fortschritt fallen nicht vom Himmel. Für die Entwicklung neuer Techniken und Produkte benötigen wir gut ausgebildete Ingenieure, Informatiker und Naturwissenschaftler. Damit kommt den MINT-Berufen eine Schlüsselrolle im Wachstumsprozess zu. Wir sollten deshalb alles tun, um den Nachwuchs in diesem Bereich zu fördern.

Ein erster Schritt könnte sein, MINT-Studierende mit Stipendien zu unterstützen. Neue Studien für die Schweiz zeigen nämlich: Studierende, die ihre Lebenshaltungskosten durch einen Nebenerwerb finanzieren müssen, wählen seltener ein MINT-Fach. Sozialpolitik wäre in diesem Fall Wachstumspolitik.

Technik macht auch Angst

Da technischer Fortschritt die Grundlage für jegliches Wirtschaftswachstum ist, verwundert der weltweite Ruf von Politik und Wissenschaft nach mehr Bildung kaum. Medial werden dabei häufig Ängste vor der Technologisierung der Arbeitswelt oder den Millionen von chinesischen Ingenieuren geschürt. Aus Sorge vor den Anforderungen und der ausländischen Konkurrenz entsteht die Angst, man könne mit vielen anderen Schweizern zurückbleiben.

In der Vergangenheit war diese Furcht wohl ebenso unbegründet, wie sie es in der Zukunft ist. Erstens müssen wir nicht alle ein Steve Jobs werden, sondern nur möglichst viele Menschen gut ausbilden. Schliesslich weiss man vorher nicht, wem Innovationen gelingen. Zweitens lösen technische Neuerungen erst wirkliche Revolutionen aus, wenn sie für die breite Masse nutzbar sind.

Verantwortung an Spezialisten abgeben

Die digitale Revolution konnte auch erst einen Wachstumsschub erzeugen, als die neue Technik von nahezu jedem mühelos bedient und genutzt werden konnte. Als «normaler» Arbeitnehmer muss man die Zukunft daher nicht fürchten. Unsere Aufgabe ist es lediglich, während unseres Erwerbslebens beherrschbare Dinge zu lernen. Einen Teil der Verantwortung können wir getrost an die Spezialisten abgeben, die mit dem Forschungsplatz Schweiz die Innovation weiter vorantreiben.

Mit der zunehmenden technischen Komplexität wird die Forschung schwieriger. In der Spitzenforschung dürfte daher die Bedeutung von Teams weiter zunehmen, da sich ein Mensch nur auf wenige Fachgebiete spezialisieren kann. Entscheidend für den Wachstumsprozess: Spezialisten zu den Projekten zu bringen, in denen sie temporär ihr Wissen am besten einsetzen können. Personaldienstleister als Wissensmanager könnten somit in Zukunft ein wichtiger Innovations- und Wachstumsmotor werden.

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Marius Osterfeld ist Ökonom bei ­swissstaffing.

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