HR Today Nr. 2/2022: Workspaces – Zukunftsforschung

Botschaft der Arbeitsumgebung

Wie verändern sich die «Workplaces» der Zukunft, warum sind «Workplace»-Konzepte wichtig und was ist ein idealer Arbeitsplatz? Fragen, mit denen sich Lukas Windlinger Inversini gemeinsam mit seiner Forschungsgruppe Workplace Management an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften beschäftigt.

Individualisierung, Autonomie und Flexibilität stellen neue Anforderungen an Arbeitsumgebungen. Welche?

Lukas Windlinger Inversini: In den letzten Jahren gab es einen starken Trend zu mobilen und flexiblen Arbeitsweisen. Die Covid-19-Pandemie hat diese Veränderung noch beschleunigt. Dadurch ändern sich Anforderungen und Funktion des Büros, weil Mitarbeitende dort durchschnittlich weniger Zeit verbringen. Deshalb werden Arbeitsplätze nicht mehr einzelnen Personen zugeordnet, sondern mehreren Mitarbeitenden. Dadurch entstehen vielfältige und flexibel nutzbare Büroumgebungen, wo Mitarbeitende je nach Aufgabe und Bedarf selbstbestimmt in einem Bereich arbeiten.

Welche Folgen haben diese Veränderungen?

Aktuell scheint der hohe Anteil an Remote Work relativ gut zu funktionieren. Was nach dem Pandemieende passiert, ist jedoch unklar. Deshalb sollten Arbeitsumgebungen weiterhin flexibel gehalten werden. Oft ist das eher eine Frage der Einstellung und Bewirtschaftung als der Ausstattung: Viele Unternehmen nutzen offene Büroflächen, die sich relativ leicht verändern und anpassen lassen. Was aber fehlt, ist das systematische Sammeln und Auswerten von Daten, um die Funktion und Auslastung der verschiedenen Bürobereich­e bei Bedarf kontinuierlich anzupassen. Das gelingt nur mit einer aktiven Bewirtschaftung.

Welche Anforderungen müssen Büroräumlichkeiten erfüllen?

Sie müssen den Bedürfnissen der Nutzerinnen und Nutzer entsprechen. Deshalb untersuchen wir, wie Menschen Arbeitsumgebungen wahrnehmen und erleben. So beschäftigen wir uns beispielsweise mit «Privacy», also der Regulierung von sozialer Nähe und Distanz, und untersuchen die Wirkung von Pflanzen und natürlichen ­Elementen auf die Mitarbeitenden.

Was ist Ihnen an «Workplace»-Konzepten wichtig?

Dass die Arbeitsplatzkonzepte zu den Mitarbeitenden und der Organisation passen. Damit sie das tun, müssen wir verstehen, welche Mitarbeitergruppen welche Arbeit in welcher Art und Weise in den Büros ausführen. Deshalb lassen wir in unseren Konzepten wissenschaftliche Erkenntnisse zur Gesundheit, Zufriedenheit oder Produktivität einfliessen. Beispiele hierfür sind die Ausgewogenheit von Arbeitsplätzen mit offenen Bereichen und jenen mit Rückzugsmöglichkeiten. Ebenso wichtig sind die Bezüge zu Aussenräumen und vorhandenem Tageslicht oder Elemente des «Biophilic Design» – natürliche und naturnahe Materialien sowie Pflanzen. Daneben sollte die Büroumgebung den übergeordneten Rahmenbedingungen und Zielen der Organisation gerecht werden.

Das heisst?

Die Arbeitsumgebung ist Trägerin von Botschaften und damit auch ein Kommunikationsmittel. Sie sagt etwas über eine Firma aus. Unternehmenswerte sollten deshalb bei der Gestaltung der Büroräumlichkeiten berücksichtigt werden. Bisher wurden damit aber vor allem Statusunterschiede betont. Viele Organisationen sind inzwischen jedoch zu flacheren Hierarchien und weniger statusbetonten Kulturen übergegangen. Diese Veränderungen spiegeln sich in den Büros. Die Umgebung unterstützt somit auch die Transformation einer Unternehmenskultur.

Wie kommen Unternehmen zum idealen Arbeitsplatz?

Indem die Verantwortlichen analysieren, was Mitarbeitende im Büro tun, und mit der Geschäftsleitung besprechen, welche Arbeitsweisen sich ändern müssen. Die Arbeitsumgebung soll die Mitarbeitenden ja bestmöglich unterstützen. Um das zu ermitteln, können Befragungen, Beobachtungen und Workshops eingesetzt werden.

Was sind Fallstricke?

Wenn klare Ziele und Analysen fehlen, mit der Arbeitsumgebung unsystematisch umgegangen wird oder die emotionalen Komponenten vernachlässigt werden.

Ihre Arbeit basiert auf dem «Office-Ecology-Modell». Dieses beschreibt Büroumgebungen als ein System, bei dem räumlich-materielle Faktoren in Wechselwirkung mit Arbeitsprozessen, Organisationskultur, Mitarbeitenden, sozialen Beziehungen sowie Informations- und Kommunikationstechnologien stehen. Was bedeutet das?

Es illustriert, was passiert, wenn das Zusammenspiel zwischen den einzelnen Elementen nicht funktioniert. Beispielsweise, wenn Begegnungszonen wenig genutzt werden, weil der informelle Austausch von Führungskräften als «schwatzen» bezeichnet wird. Immer wieder stellen wir auch eine fehlende Passung zwischen Telefonielösungen und Mobilitätserwartungen in aktivitätsorientierten Bürokonzepten fest: Wer über schnurgebundene Telefone oder Laptops telefoniert, begibt sich für ein längeres Telefongespräch nicht von der offene Bürozone in einen abgeschlossenen Raum, wo er die Kolleginnen und Kollegen weniger stört. Wir haben auch schon erlebt, dass Mitarbeitende Aufgaben, die eine sehr hohe Konzentration, aber kaum Kommunikation erforderten, in offenen Büroumgebungen erledigen mussten. Arbeitsweisen und Arbeitsumgebung passten einfach nicht zusammen.

Was ist neu an Ihrem Modell?

Es gibt eine Vielzahl von Konzepten, die teilweise stark von der Flächeneffizienz oder der Architektur getrieben waren. Arbeitsumgebungen sollten aber als Werkzeug betrachtet werden, um Mitarbeitende bei Arbeitsaufgaben und -prozessen zu unterstützen.

Ist das Office-Ecology-Modell in jedem Betrieb umsetzbar?

Das Modell dient der Orientierung. Es gibt keine Vorgaben. Daher ist es in jedem Betrieb umsetzbar und nicht auf die Büroarbeit beschränkt.

Wie gestaltet sich eine ideale «Workplace Experience»?

Die Workplace Experience könnte als Wechselspiel zwischen Intentionen und Erwartungen von Mitarbeitenden und der wahrgenommenen Arbeitsumgebung bezeichnet werden. Passen beide Seiten zusammen, entsteht ein positives Erlebnis.

Von der Vision zum Konzept

Ein neues Workplace-Konzept zu erarbeiten, dauert in der Regel drei Monate. Der Auftakt der Neukonzeption beginnt mit einem Workshop mit der Geschäftsleitung, um die Vision und die Ziele eines neuen «Workspaces» zu definieren. Die Gründe für eine Neugestaltung von Büroflächen sind vielfältig: Etwa, um Geld zu sparen, sich zu transformieren, als attraktiver Arbeitgebender zu gelten oder die Gesundheit und das Wohlbefinden der Mitarbeitenden zu stärken. Ist die Frage nach dem Wozu geklärt, beginnt eine Vor-Ort-Analyse. Dazu werden Mitarbeitendebefragungen sowie eine über mehrere Tage dauernde Beobachtungsstudien durchgeführt. Dabei wird analysiert, wie und zu welchen Zeiten Büroflächen genutzt werden. Bei der Auswertung zeigt sich dann, ob sich das subjektive Empfinden der Mitarbeitenden mit den Beobachtungen deckt. Die Daten aus den verschiedenen Quellen werden zu einer Mobilitäts- und Tätigkeitsanalyse zusammengefasst, um zu verstehen, wie viel Zeit die Mitarbeitenden tatsächlich im Büro verbringen und welche Tätigkeiten sie an welchen Orten erledigen. Dadurch lassen sich verschiedene Schlussfolgerungen zu Anzahl und Eigenschaften verschiedener Arbeitsplatztypen oder -zonen ziehen. Aufgrund dieser Analysen wird ein Workplace-Konzept erstellt, das in Zusammenarbeit mit einem Büroplaner umgesetzt wird. Im Hinblick auf die Umsetzung wird das räumliche Konzept in der Regel durch ein Betriebskonzept ergänzt.

 

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Christine Bachmann ist stellvertretende Chefredaktorin von HR Today. cb@hrtoday.ch

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