Gesundheitsmanagement

Burnout: Wenn die Firma die Angestellten krank macht

In den letzten Jahren ist die Zahl der Burnout-Erkrankungen sprunghaft gestiegen. Viele Menschen scheinen den Anforderungen der modernen Arbeitswelt nicht mehr gewachsen zu sein. Die Zahl der Krankheitstage hat sich zum Beispiel in Deutschland zwischen 2004 und 2009 verzehnfacht.  Wie kann man diesen Anstieg erklären?

Die Ursache für Burnout wird in der öffentlichen Diskussion hauptsächlich an personalen Faktoren der Betroffenen festgemacht. Sie können nicht Nein sagen, sich nicht abgrenzen. Es boomt der Ratgebermarkt für Burnoutbetroffene.

Schlechtes Arbeitsklima ist ein «guter» Nährboden für Burnout-Fälle

Verschiedene, hauptsächlich amerikanische Autoren, zum Beispiel Christina Maslach oder Michael Leiter, widerlegen aufgrund ihrer Untersuchungen diese vorherrschende Sicht allerdings und sagen: Organisationale Faktoren, zum Beispiel schlechtes Arbeitsklima oder mangelnde Wertschätzung, sind begünstigend für ein Burnout von Menschen in Organisationen.

Beide Erklärungsmodelle greifen jedoch zu kurz: Personale Faktoren erklären nicht, warum in den vergangenen zehn Jahren die Zahl der Burnoutfälle massiv zugenommen hat. Organisationale Faktoren ihrerseits erklären die Tatsache nicht, dass Menschen, die den genau gleichen organisationalen Bedingungen ausgsetzt sind, sehr unterschiedlich reagieren: Die eine Person kann die Belastung verkraften, während die andere immer stärker in eine Burnoutspirale gerät.

Tragfähige Modelle

Um diesen Begrenzungen der personalen und organisationalen Faktoren zu begegnen braucht es ein tragfähiges Modell, das die Zusammenhänge zwischen Person und Organisation auf einfache Weise verständlich macht: In seiner Masterarbeit erklärt der Autor Burnout deshalb durch ein Ungleichgewicht zwischen der Person mit ihren Ressourcen und der Organisation mit ihren Belastungen und eventuell fehlenden Ressourcen.

Gleichzeitig ist es nötig, ein umfassenderes Modell möglicher Burnoutfaktoren als Bezugsrahmen zur Verfügung zu haben. Darin müssen auch die Ebenen «Politik – Gesellschaft – Welt» und «Markt – Mitbewerber», die einen immer grösseren Einfluss gewinnen, in der Analyse und bei späteren Massnahmen berücksichtigt werden.

Folgerungen für die Praxis

Die beiden Modelle können – in Verbindung mit der Scherrmannschen «Burnout-Ampel» ein Kompass sein, um darauf aufbauend die in einem konkreten Burnoutfall auftretenden Ursachen zu analysieren und anschliessend Interventionen zu planen.

Dabei gilt es zu beachten, dass bei überwiegend organisationalen Faktoren ohne eine Änderung von krankmachenden Verhaltensmustern die Gefahr besteht, dass schon bald der nächste Mitarbeiter an Burnout erkranken kann. Metaanalysen haben ergeben, dass Ansätze für die Prophylaxe, Prävention und Intervention sowohl beim Individuum (Verhaltensprävention) als auch bei der Organisation (Verhältnisprävention) ansetzen müssen.

Die bisherige dominante Sicht, Mitarbeiter in eine Rehabilitation zu schicken und sie «personal fit zu machen» greift entschieden zu kurz.

Angesichts der Herausforderungen, die auf Organisationen zukommen werden (globale Veränderungen, Demographie, Mangel an Facharbeitskräften), wird es bedeutsam, die drei Ebenen Prophylaxe, Prävention und Intervention als wichtige Elemente des betrieblichen Gesundheitsmanagements zu etablieren.

Schon bei ersten Anzeichen von Burnout einschreiten

In der Prophylaxe soll Burnout verhindert werden, zum Beispiel durch Stressmanagement, Verbesserungen des Betriebsklimas oder Informationen über den Umgang mit Suchtmitteln. In der Prävention ist es wichtig, bei ersten Anzeichen von Burnout einschreiten zu können: Dabei können zum Beispiel Coaching oder die Behandlung von Stressfolgensymptomen (zum Beispiel Schlaflosigkeit) wichtig sein. Die Interventionsebene setzt bei einer ausgebrochenen Krankheit und/oder zur Rehabilitation des Mitarbeiters ein.

Burnoutfälle sind für viele Unternehmen eine Belastung. Gleichzeitig zeigen Untersuchungen auch, dass sich Investitionen in Massnahmen der Prophylaxe, Prävention und Intervention längerfristig bezahlt machen, das heisst der Nutzen (ROI) übersteigt die entstehenden Kosten.

Kommentieren 0 Kommentare HR Cosmos

Ulrich Scherrmann ist Organisationsberater, Supervisor und Coach BSO. Er lebt und wirkt in Gais AR. In seiner Masterarbeit (MSC in Organisational Management) hat Burnout fördernde, organisationale Faktoren untersucht. 

Weitere Artikel von Ulrich Scherrmann