Porträt

«Das HRM muss einen entscheidenden Beitrag ans Wirtschaftssystem leisten»

Mit und für Menschen zu arbeiten, zieht sich als roter Faden durch das Leben von Lydiah Wambui. Ihre Karriere führte die Kenianerin von der Krankenschwester bis zur Leiterin des Department Human Resources Management an der School of Business der Polytechnic of Namibia. Kürzlich hat sie die Schweiz besucht, um Einblicke in unsere HR-Praxis zu erhalten.

Ich treffe sie an einem warmen Herbsttag am Zürichhorn, und sie ist überaus entzückt. «You have so much water here, beautiful green nature, so many trees», ruft Lydiah Wambui aus. Die HR-Expertin ist zu Besuch aus Windhoek, wo sie an der School of Business der Polytechnic of Namibia das Department Human Resources Management leitet.

Lydiah Wambui ist auf Einladung der Organisation B360 education partnerships (siehe unten) in der Schweiz. Das Polytechnic of Namibia und B360 haben seit zweieinhalb Jahren eine Partnerschaft mit dem Hauptziel, den Studierenden Fachwissen aus der Privatwirtschaft zu vermitteln und ihnen die Realitäten der Businesswelt näherzubringen, so dass sie besser vorbereitet sind für die Arbeitswelt. «Die Zusammenarbeit mit Experten von Partnerschaften wie B360 ist sehr wichtig für mich, denn sie helfen, die Qualität des Unterrichts zu verbessern, und vermitteln den Studierenden die praktische Anwendung der Theorie in der Arbeitswelt. Ich selber profitiere auch viel von diesen Austauschmöglichkeiten», sagt die Besucherin. Den Flug hat sie selbst bezahlt, die Spesen übernimmt die Hochschule, in Zürich wohnt sie privat bei einer HR-Kollegin.

Wir schlendern am Zürichsee entlang, die Bäume verlieren erste Blätter, die der laue Wind uns um die Nase weht. Eine ganz andere Welt für Wambui. Auch in ihrer Wahlheimat Namibia nimmt die Landschaft zwar einen grossen Stellenwert ein, der Umweltschutz ist sogar in der Verfassung verankert, doch unterscheidet sie sich gravierend von der hierzulande.

Jedes Kind hilft, das Fortbestehen der Familie zu sichern

Der Himmel über Namibia ist immer stahlblau, die Landschaft bietet ein kontrastreiches Bild, von Feuchtgebieten und Teakholzwäldern bis zur scheinbar endlosen Wüste, auf die die Sonne das ganze Jahr über gnadenlos herunterbrennt. Nambia liegt im südwestlichen Afrika, zwischen der Namib- und der Kalahari-Wüste. Es grenzt im Norden an Angola, mit seinem nordöstlichen «Caprivi»-Zipfel an Sambia, im Osten an Botswana und im Süden an Südafrika. Der Westen ist geprägt durch die 1600 Kilometer lange Atlantikküste.

2,2 Millionen Menschen leben in Nambia auf einer Fläche von rund 824 000 Quadratkilometern, also rund vier Mal so gross wie Grossbritannien.  Etwa 25 Prozent der Bevölkerung leben von der Landwirtschaft, vorwiegend Viehhaltung, Fischerei und Bergbau. Das Land ist reich an Bodenschätzen wie Uran, Zinn, Kupfer, Blei und Zink. Ausserdem ist Namibia eines der grössten Diamantenabbauländer der Welt. Die Schere zwischen Arm und Reich sei in Namibia extrem ausgeprägt und das vorrangige Ziel müsse sein, diese Lücke mehr und mehr zu schliessen und eine gerechte Verteilung des Einkommens zu erreichen. «Jedes Kind sollte eine Chance haben, zur Schule zu gehen, denn Bildung ist aller Erfolge Anfang.»

Dabei gehe es auch darum, den Menschen grundlegende Fähigkeiten für das Leben mitzugeben, zum Beispiel: Was ist meine Rolle in der Gesellschaft, welche kulturellen Werte vertrete ich? «Aus meiner Sicht ist es sehr wichtig, dass unsere jungen Menschen lernen, sich eine Meinung zu bilden und diese auch zu vertreten. Im Arbeitsleben wie auch in der Politik. Eine politische Mitbestimmung wie in der Schweiz ist da sicherlich ein grosser Traum.»

Lydiah Wambui ist in Kenia geboren und wächst als ältestes von sechs Geschwistern in den Highlands auf einer Farm auf. Als Älteste muss sie oft auf ihre jüngeren Geschwister aufpassen und lernt früh, dass alles, was sie tut, eine Wirkung auf andere und auch auf  sie selbst und ihre Familie hat. Alle Kinder lernen von klein auf, mit anzupacken, und jedes Familienmitglied wird ermutigt, für das Fortbestehen der eigenen Existenz und der Familie beizutragen, je nach individueller 
Fähigkeit.

Im Alter von 21 Jahren verlässt sie ihr Elternhaus und gründet eine eigene Familie. Nach ihrer Scheidung ist sie alleinerziehend und versucht, Vater und Mutter gleichzeitig zu sein. Um ihren Kindern einen guten Start ins Leben zu geben, stellt Wambui ihre eigenen Karrierepläne erst einmal zurück. Sie arbeitet zunächst als Krankenschwester und bestärkt ihre Kinder immer wieder darin, eine gute Ausbildung zu erhalten und ein Fach zu studieren, das sie wirklich interessiert. Ihr Sohn arbeitet heute als Public-Relations-Manager in Kenia, ihre Tochter  arbeitet als Anwältin und lebt in England.

Wie Unternehmen Selbstbewusstsein und Kaufkraft der Mitarbeiter stärken

Als ihre Kinder grösser werden, nimmt sie sich Zeit, sich weiterzubilden. Sie absolviert den Bachelor Degree in Psychology und den Master Degree in Management und Organisationsentwicklung (Management and Organisational Development). Von 1998 bis 2000 ist sie Human Resources Director in einem Kinderspital in Nairobi. Die Arbeit mit Menschen bedeutet ihr sehr viel, doch sie sucht eine neue Herausforderung.

Sie zieht nach Namibia und doziert zunächst am Polytechnic of Namibia Human Resources Management, bis sie 2007 die Leitung des gleichnamigen Departments übernimmt. «Das Human Resources war eine willkommene Chance für mich, auf eine ganz andere Art mit und für Menschen zu arbeiten.» Wambui ist klar, dass ihre Zugehörigkeit zur Gesellschaft und ihr Status als erfolgreiche Akademikerin und Vorbild für viele andere Frauen im Land eng mit ihrer Leistung verknüpft sind. Als Ausländerin in Namibia kann sie auf verschiedene Weise beitragen, und sie hat Land und Leute schätzen und lieben gelernt. Wambui versteht unter Human Resources, jeden Menschen zu seiner individuellen Bestleistung zu ermutigen und ihm die Rahmenbedingungen hierfür zu schaffen. «Menschen sind die Grundlage dafür, dass sich die Wirtschaft in Namibia weiterentwickeln kann», betont Wambui.

In der Schweiz trifft sie verschiedene Experten und Praktiker aus dem HRM, um sich ein Bild über neue Prozesse und Entwicklungen in den verschiedenen Branchen zu machen. Als Head of Department Human Resources an der Polytechnic of Namibia, einer der drei renommierten Hochschulen im Land, hat sie nicht nur das Human Resources Management als solches im Blick. Sondern eher die Rolle des Human Resources Management in Bezug auf das gesamte wirtschaftliche System. «Hier muss das HRM einen entscheidenden Beitrag leisten», erklärt die resolute Akademikerin. Sie ermutigt ihre Studenten und künftigen HR-Manager, immer im Fokus zu haben, dass die richtigen Menschen mit den passenden Kompetenzen am richtigen Platz sein müssen. Nur dann kann ein Unternehmen wirklich produktiv sein und seinen Erfolg mit den Mitarbeitern teilen und so deren Kaufkraft und Selbstbewusstsein stärken. Aus der Perspektive einer HR-Managerin lehrt sie ihre Philosophie über das Management im HR-Bereich. Jede Organisation benötigt kompetente und motivierte Angestellte, um wettbewerbsfähig zu sein.

Mit der Rolle des HR verändert sich auch Namibias Wirtschaft

Privat engagiert sich Wambui in Aids-Aufklärungskampagnen und berät junge Leute in Lebensfragen. Als Kenianerin begeistert sie sich für Leichtathletik und treibt selbst Sport um fit zu bleiben. Sie sei ein «early morning bird», erzählt Wambui. Sie steht früh auf und ist bereits vor der Arbeit mehrmals pro Woche im «Gym» anzutreffen. Der Arbeitstag beginnt für sie um 7.30 Uhr am Polytechnic mit dem Unterricht von Klassen mit oft über 60 Studierenden oder mit administrativen Aufgaben.

Dass die Rolle des HR sich auch in Namibia verändert, ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für den Fortschritt in Wirtschaft und Gesellschaft, ist Wambui überzeugt. Sie ist vor allem neugierig, zu erfahren, wie die Schweizer es schaffen, eine niedrige Arbeitslosenquote zu halten, und welche Ressourcen hierfür mobilisiert werden. «Es scheint, dass hier HR viel produktiver und innovativer ist», stellt sie fest. «Ich glaube, es liegt einfach daran, dass die Schweiz es versteht, die Ressource Mensch, die Bildung und die Arbeitswelt gut zu managen.» So ist Wambui unterwegs, um HR-Spezialisten aus verschiedenen Schweizer Unternehmen zu treffen und einen Eindruck zu gewinnen von der hiesigen HR-Praxis, dem Implementieren neuer HR-Systeme oder neuen strategischen Ansätzen, zum Beispiel im HR-Marketing. Zudem gewähren ihr Personalberater einen Einblick in ihre Arbeit.

Zwei Wochen bleibt sie in der Schweiz, dann reist sie mit vielen neuen Eindrücken und Fachwissen im Gepäck wieder in die Heimat. Dort wird sie einen Report schreiben, sagt sie, und alles, was sie in der Schweiz 
gelernt hat, ihren Studenten weitergeben.

Lydiah Wambui (57) wurde in Kenia geboren und arbeitete nach der Schule zunächst als Krankenschwester in Nairobi, bis sie später ins Human Resources wechselte. An der United States International University Africa arbeitete sie unter anderem als Assistant Human Resources Director. Von 1998 bis 2000 war sie im Gertrude Gardens Children‘s Hospital Nairobi für das Human Resources verantwortlich. Seit 2001 lebt Wambui in Namibia, wo sie als Dozentin für Human Resources begann. Seit 2006 leitet sie als Director das Department Human Resources Management. Sie freut sich auf weiteren Austausch mit Schweizer Personalern: lwambui@polytechnic.edu.na

B360 education partnerships

Die Non-Profit-Organisation B360 education partnerships wurde 2009 von Sabina Balmer gegründet mit dem Ziel, einen Beitrag an den Auf- und Ausbau von Fachwissen im höheren Bildungswesen im südlichen Afrika zu leisten. Das Projekt appelliert deshalb an Firmen und Experten, Fachwissen und Arbeitserfahrung mit Universitäten und Hochschulen eines Entwicklungslandes zu teilen. Damit sollen Studierende nach dem Studium bessere Chancen auf eine Anstellung haben oder selbst einen kleinen Betrieb gründen können. In den knapp zwei Jahren seit der Gründung konnte B360 education partnerships dem 
Polytechnic of Namibia (Windhoek) insgesamt 
28 Expertinnen und Experten als freiwillige Gastdozierende vermitteln und im Jahr 2011 drei 
namibischen Studenten Praktikumseinsätze in Schweizer Firmen ermöglichen.

Mehr Informationen zu B360:
www.b360-education-partnerships.org
Informationen über Namibia: www.namibia-tourism.com

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