Daniela Conrad: «Neues ausprobieren und aus Fehlern lernen, ist o. k. Dazu braucht es aber keine vordefinierte Fehlerkultur.»
Der Begriff «Fehlerkultur» beruht eigentlich auf einer falschen Übersetzung: Das englische «failure culture» meint nämlich nicht den alltäglichen und vermeidbaren Fehler («mistake»), sondern den konstruktiven Umgang mit dem eigenen Scheitern, also die deutlich steilere Lernkurve. Trotzdem versichern manche Unternehmen gern, «Fehler zu akzeptieren» oder sogar eine ganze «Kultur» daraus zu machen. Ich verstehe den Gedanken dahinter. Trotzdem gibt es keinen Grund, Fehler zu idealisieren, denn sie sind und bleiben ärgerlich. Vor allem dann, wenn niemand die Verantwortung dafür übernimmt, und das ist leider die Regel und nicht die Ausnahme.
New Work ist ein gutes Beispiel. Vor allem jüngere Mitarbeitende beschäftigen sich intensiv mit neuen Arbeitsmodellen, fordern kreativen Freiraum, wollen Neues ausprobieren und aus Fehlern lernen. Ich selbst habe meine Karriere in den Nullerjahren in der Industrie gestartet – in einer völlig anderen Kultur: Man tat, was einem gesagt wurde, und wollte ja keine Fehler machen. Leider fallen wir beim Thema New Work oft ins andere Extrem. Fehler sind irgendwie cool geworden, Sorgfalt wirkt spiessig, Organisation gilt als unkreativ, und Verlässlichkeit klingt nicht mehr nach Tugend, sondern nach Trostpreis.
Wer es sich besonders leichtmachen möchte, gibt der Generation Y die Schuld. Chronisch unorganisierte und pausenlos um sich selbst kreisende Wohlstandskinder, die lieber schnell einen Fehler machen, als langsam Erfahrungen zu sammeln. Es gibt diese Menschen tatsächlich, aber sie sind trotzdem nicht das Problem. Das Problem sind diejenigen, die sie nicht führen.
Wer von seinen Mitarbeitenden Verantwortungsbewusstsein verlangt, muss zuerst selbst Verantwortung übernehmen. Und wer gute Arbeit einfordert, sollte seine eigene schon gemacht haben. Im New-Work-Prozess heisst das: Menschen individuell beurteilen, keine 08/15-Lösungen überstülpen, Besonderheiten respektieren, Grenzen setzen und personelle Konsequenzen ziehen, wo es nötig ist. Dazu gehört übrigens auch der Respekt vor den vermeintlich «Unkreativen»: Wer auf klare Leitplanken, geregelte Arbeitszeiten und den gewohnten Büro-Schreibtisch besteht, kann für ein Unternehmen wertvoller sein als jeder Heissluft-Hipster.
Übrigens: Instagram sollte ursprünglich eine App werden, mit der man an Orten eincheckt, um seinen Freunden zu zeigen, wo man gerade ist. Und Slack ist ein «Abfall-Produkt» eines Game-Anbieters. Innovationen entstehen, wenn wir bewusst und verantwortungsvoll mit den uns gegebenen Freiheiten umgehen. Dazu braucht es aber keine vordefinierte «Fehlerkultur».