HR Today Nr. 4/2019: Porträt

Der Kosmopolit

HR-Arbeit macht für Yves Birchmeier nicht an der Schweizer Grenze Halt. Seine Karriere 
beginnt er zwar im nationalen Umfeld, doch heute leitet er das HR des Uhren- und 
Schmuckkonzerns Bucherer.

«Ich wollte nie woanders als im HR arbeiten», sagt Yves Birchmeier, seines Zeichens Personaldirektor der in Luzern ansässigen Bucherer-Gruppe. Das glaubt man ihm sofort, denn seine HR-Wurzeln reichen bis in die Studienzeit zurück, als er Ende der 90er-Jahre an der Universität Zürich bei Bruno Staffelbach Vorlesungen zu Personalwesen belegt – als Ergänzung zum praktischen Militärführungsalltag.

Eine Karriere, die er ebenso zielstrebig wie seine zivile verfolgt: Zwischen Matur und Studienbeginn absolviert Birchmeier die Rekrutenschule und anfangs Studium bildet er sich in den Semes-terferien zum Offizier aus. Ein Graus für viele jungen Menschen. Nicht so für ihn. «Menschen zu führen, hat mich schon immer interessiert.» Im Militär lernt er bei der Übermittlungstruppe der Luftwaffe in Dübendorf die praktische Führungsanwendung. Der militärische Befehlston liegt ihm jedoch nicht. Dieser sei «zumeist unnötig und kontraproduktiv», findet Birchmeier. Wichtig ist ihm vielmehr, gemeinsam mit seinen Unterstellten ein Ziel zu erreichen.

Dass das Führen einer willkürlich zusammengesetzten Gruppe nicht ganz einfach ist, bekommt man im Militär schnell zu spüren. Sein Rezept? «Es braucht Fingerspitzengefühl. Man kann nicht alle Menschen über eine Messlatte schlagen. Einige brauchen eben länger, bis sie etwas verstehen. Darauf muss man eingehen.» Doch manchmal gerät auch Yves Birchmeier an seine Grenzen. «Wenn man zwei, drei Nächte wenig schläft, ist man einfach emotionaler. Man ist genervt und reagiert schon mal gereizt.» Kurz: Man lernt seine mentalen Grenzen kennen. Heute hilft ihm dies, eine Gruppendynamik besser zu verstehen. Etwa dann, wenn es darum geht, eine Situation zu entschärfen oder die Geschäftsleitung darauf einzuschwören, bei einer Veränderung ihre Mitarbeitenden kommunikativ besser zu begleiten.

Pionier der digitalen Gigme-Szene

Doch bevor er dem Ruf der Unternehmenswelt folgt, macht sich Yves Birchmeier nach dem Studium und der Rekrutenschule erst mal selbständig. Die Idee dazu entsteht im Jahr 2000 bei einem Sommerferienjob, als der 26-Jährige bei der KPMG zusammen mit rund 20 anderen Studierenden im E-Commerce-Consulting jobbt. Das daraus abgeleitete neue Geschäftsmodell: Nicht nur Unternehmen sollen ihre Daten auf einem Stellenportal eingeben, auch Kandidaten sollen dies tun, damit sich beide Parteien wie auf einem Partnervermittlungsportal finden. Rent-a-Professional ist geboren. Fortan gehört Yves Birchmeier zu den Pionieren der digitalen Gigme-Szene. Es ist eine Zeit der jugendlichen Unbesorgtheit. «Ich wollte etwas aufbauen und meine Neugier auf Neues ausleben.»

Vier Jahre lang läuft das Projekt, bevor ein technologischer Sprung ansteht und es gilt, Inves-torengelder zu sammeln, um die Entwicklung voranzutreiben. Ein Schritt, vor dem Yves Birchmeier zurückschreckt, denn seine Aufgabe wird immer verkaufsgetriebener. «Für die damalige Zeit war es eine gute Plattform», sagt Birchmeier rückblickend. «Mit der heutigen Technologie könnte man aber viel mehr machen und Ressourcen sowie Leute finden, die diesem Umfeld gewachsen sind.»

Führung will gelernt sein

2004 zieht er einen Schlussstrich und wechselt zu Adecco Schweiz. Dort betreut er das Outsourcing-Projekt eines Schaffhauser Grosskonzerns und wird zum HR-Betreuer der Stundenlohn-Beschäftigten. Nebst dieser operativen Tätigkeit setzt er sich mit einem Businessplan für Adecco Engineering auseinander, macht Marktstudien und untersucht, wie viele Ingenieure überhaupt einen Job suchen. Eine strategische Arbeit, die ihm liegt. «Ich wollte das Unternehmertum in die Firma bringen und nicht nur acht Stunden am PC arbeiten.» Eineinhalb Jahre später hat er genug. Yves Birchmeier möchte die Temporärbranche und seine Beratertätigkeit hinter sich lassen und festangestellte Fachkräfte gewinnen.

Die Chance kommt 2006 beim schnell wachsenden Industrieunternehmen Stadler Rail, wo er die HR-Leitung übernimmt und Mitglied der erweiterten Geschäftsleitung wird. Eine Rolle, auf die der 32-Jährige nicht ganz vorbereitet ist – die er aber dennoch bekommt. Unter anderem dank seiner militärischen Führungserfahrung. Vorerst gilt es aber, sich mit verschiedenen administrativen HR-Belangen vertieft auseinanderzusetzen. Vom AHV-Abzug über die Spesenabrechnung bis zu Pensionskassen- und Berufsbildungsfragen. Dinge, die er sich on the Job beibringt. Acht Monate später folgt bereits die Kehrtwende. Das HR ist ihm zu administrativ ausgerichtet. «Ich wollte strategischer und weitsichtiger arbeiten. Dafür hatten wir bei Stadler Rail damals aber keine Kapazitäten.»

Unruhige Jahre und wachsender Erfahrungsschatz

Die nächsten sechs Monate verbringt er in bekannten Gefilden, beim Executive-Search-Unternehmen E.M.S., bevor er im Januar 2008 zu Rieter wechselt. Auch bei diesem Wechsel hilft ihm sein Netzwerk. «Ich hatte bereits zu meinen Stadler-Zeiten Kontakt zum HR bei Rieter und wusste schon früh von den dortigen Veränderungen.» Gedacht, getan. Yves Birchmeier bewirbt sich als Senior HR-Manager und wird nach wenigen Monaten zum HR-Leiter des Standorts Winterthur befördert, bevor er 2012 zum Senior Vice President Human Resources ernannt wird. Fünf Jahre, die von Umbrüchen gezeichnet sind: der Aufspaltung in die heutigen Rieter und Autoneum Holding, zwei Massenentlassungen mit einem zehnprozentigen Stellenabbau in den Jahren 2008/2009 und einer ungewöhnlich langen Kurzarbeit von 16 Monaten, von der auch die Personalabteilung betroffen ist.

Das «strategische Vakuum» und die unklare Ausrichtung des Unternehmens bewegen Yves Birchmeier dazu, 2013 das Angebot eines Headhunters anzunehmen. Bei Kistler, einem führenden Sensorhersteller, übernimmt er im März 2013 die Rolle des CHRO und damit weltweit die Verantwortung für 1200 Mitarbeitende. Das einstmals national ausgerichtete KMU wächst kontinuierlich und baut seine internationale Präsenz aus. Die HR-Prozesse auf die neuen Gegebenheiten anzupassen, hat für Birchmeier deshalb oberste Priorität. Er standardisiert im HR, «was man standardisieren muss». Etwa das globale Bonussystem oder die Mitarbeiterbeurteilungen. Das habe für mehr Gerechtigkeit, Fairness und Ruhe im Unternehmen gesorgt: So sei für alle Mitarbeitenden nachvollziehbar geworden, dass ein Verkaufsleiter in Land A nach den gleichen Massstäben wie ein Verkaufsleiter in Land B vergütet und an denselben Kennzahlen gemessen werde.

Herausforderung: Internationalität

Die Arbeit ist noch nicht vollbracht, als ihn ein Gespräch mit Michael Agoras, dem ehemaligen CEO von Adecco Schweiz und Inhaber der Firma Permserv, im Sommer 2017 auf neue Ideen bringt. «In welche zehn Firmen würdest du wechseln, wenn sich die Gelegenheit ergibt?» Yves Birchmeiers Wunschliste reicht von Bühler Uzwil über Migros bis zu Bucherer. Der neue Arbeitgeber soll einen starken lokalen Brand haben, in der Schweiz verankert sein und spannende Produkte anbieten. Ohne von Birchmeiers Wünschen zu wissen, kontaktiert ihn ein Headhunter im Herbst 2017 und offeriert ihm eine Stelle – bei Bucherer. Der bisherige Personaldirektor hatte den Uhren- und Schmuck-Retailer verlassen, weil zur Umsetzung der Internationalisierungsstrategie des Familienbetriebs frisches HR-Know-how gefragt war.

Yves Birchmeier lässt sich nicht zweimal bitten. Trotz Branchenwechsel bleiben viele Herausforderungen gleich. Sein Trumpf ist, dass er den Internationalisierungsprozess eines KMU schon mal durchlebt hat. Noch hinkt die Uhren- und Schmuckbranche der Industrie um drei bis vier Jahre hinterher. Doch mit Birchmeiers Stellenantritt dürfte sich das bald ändern.

Zur Person

Mit dem Leistungsminimum begnügt sich Yves Birchmeier nicht. Das beginnt schon früh in seiner Kindheit, als er zum Eishockey findet. Auf hohem Niveau zu spielen und dafür viermal in der Woche zu trainieren, ist das eine. Dies zu seinem Beruf zu machen, das andere.

Seine Sportkarriere mit dem Universitätsstudium und dem Militär unter einen Hut zu bringen, erweist sich für Yves Birchmeier zunehmendes als Handicap. Die Rechnung ist für ihn deshalb bald gemacht. Knapp 23-jährig verlässt er 1997 den Eishockey-Sport, mit dem er es in der Junioren-Elite beim EV Zug bis zum Schweizermeister gebracht hat.

Yves Birchmeier besucht die Zuger Kantonsschule, absolviert ein Wirtschaftswissenschaftsstudium und führt mit Rent-a-Professional knapp 26-jährig sein eigenes Unternehmen. Vier Jahre später sucht er eine neue Herausforderung und heuert bei Adecco als HR Business Partner und Projektverantwortlicher an.

Es folgt 2006 eine neunmonatige Station bei Stadler Rail, bevor er zum Winterthurer Rieter-Konzern wechselt, wo er in den fünf folgenden Jahren verschiedene HR-Funktionen innehat und zur HR-Nummer zwei aufsteigt. Trotz Aussicht auf den HR-Chefposten wechselt Birchmeier im März 2013 zum Winterthurer Sensorhersteller Kistler. Dort hat er die Verantwortung für 1200 Mitarbeitende und treibt die HR-Internationalisierung voran.

Seit April 2018 amtet er als Personaldirektor bei Bucherer, wo er das HR und die Organisation für die Auslandexpansion des Familienbetriebs fit macht.

Das Video-Porträt mit Yves Birchmeier finden Sie hier: Zum Video.

 

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Chefredaktorin, HR Today. cp@hrtoday.ch

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