Personalberatung und das HRM

Der «Kunde Kandidat» 
ist ein knappes Gut

Demografie, Fachkräftemangel, Social Media, Globalisierung und der Kampf um 
das beste Arbeitgeberimage stellen den Arbeitsmarkt auf den Kopf und leiten eine neue 
Ära ein in der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Personalberatungen.

Am Arbeitsmarkt weht ein rauer Wind. Mehr denn je, so scheint es, sind die Unternehmen auf die Dienstleistungen von Personalberatungen angewiesen. Doch heute steht die Zusammenarbeit unter ganz anderen Vorzeichen als noch vor ein paar Jahren. Was das Berufsbild der Personalberater angeht, scheiden sich die Geister. Für die einen sind sie eine wichtige Grösse bei der Besetzung von Positionen, andere geben das Gebiet nicht gerne aus der Hand. Noch andere haben bereits schlechte Erfahrungen gemacht.

Eine Studie der MC Personalmanagement GmbH (MCP) aus Bad Homburg (Deutschland) zeigt, dass Unternehmen nicht mehr nur für die Besetzung von Top-Positionen auf die Dienstleistungen von Personalberatungen zurückgreifen. Die gute Nachricht also ist: Den Personalberatungen wird die Arbeit in den nächsten Jahren nicht ausgehen. Die schlechtere Nachricht lautet: Viele Unternehmen sind mit ihrer Personalberatung unzufrieden.

Leistung statt 
Golfplatzbeziehung

Über 50 Prozent der Befragten sind mit ihrem Headhunter unzufrieden, das ist ein Ergebnis der Studie. Als Mangel wurden vor allem zu geringe echte Branchenkenntnis sowie mangelnde Flexibilität genannt und die zu geringe Qualifikation der Kandidaten. «Im deutschsprachigen Raum ist der Markt sehr stark im Wandel begriffen, und nicht alle Personalberater sind hierauf gut vorbereitet», meint Andreas Daniel Huber, Autor der Studie und Partner bei MCP. «Die klassischen Mechanismen des Marktes greifen nicht mehr zu 100 Prozent.»

Personalberatung sei zwar immer noch ein Beziehungsgeschäft, und die Chemie müsse stimmen, sagt Huber. Doch der Trend gehe zu weniger personalisierten privaten Kontakten, und «Golfplatzbeziehungen» würden weniger wichtig. «Was heute primär zählt, ist echte Leistung.» Mittelfristig werde sich das momentan noch relativ starre Honorarsystem der meisten Headhunter stärker an der echten Leistung orientieren müssen und weniger am  Jahresgehalt der Kandidaten. «Klienten verlangen immer mehr ein transparentes und 
nachvollziehbares Honorarsystem», so Huber. Dabei werde es ein Nebeneinander von klassischen Modellen wie zum Beispiel der Drittellösung bei Zugrundelegung von 30 bis 50 Prozent des Jahresgehaltes (ein Drittel bei Auftragserteilung, ein Drittel bei Präsentation, ein Drittel bei Einstellung) und ganz neuen Honorarmodellen geben.

MCP arbeitet daher momentan an der Entwicklung eines aufwandbasierten «Baukastensystems». Je mehr Leistung der Kunde abfordert, desto teurer wird es. «Eine aufwändige Suche kostet natürlich mehr als ein Auftrag, der zahlreiche Synergien zu anderen Aufträgen zulässt oder bei dem der Klient zahlreiche Leistungen selber einbringt.»

Für Huber beruht gutes Headhunting vor allem auf drei Säulen: echte Branchenexpertise, Identifikation der Bedürfnisse der Klienten und Kontinuität. «In der Masse der Personalberatungen wird es zwei Gewinner geben», ist er überzeugt: erstens diejenigen mit wirklichen Branchenkenntnissen («An einer sauberen Zielfirmenliste kann das Unternehmen ganz gut erkennen, ob der Personalberater ein Branchenkenner ist») und zweitens diejenigen, die ihr Honorarsystem flexibel an die Kundenbedürfnisse anpassen.

Die Gespräche im Rahmen der Studie hätten eine weitere deutliche Tendenz gezeigt, so Huber. «Die Kunden sind risikoaverser geworden.» Vor einiger Zeit waren Unternehmen noch mehr zu Kompromissen bei der Kandidatenauswahl bereit. Heute bleibt man knallhart und ganz eng beim Anforderungsprofil und gibt weniger Kandidaten mit etwas untypischen Profilen eine Chance. Eine weitere Tendenz macht die Position für die Personalberatungen auch nicht einfacher: Gute Kandidaten waren schon immer schwer zu finden, heute aber lassen sich diese nicht mehr nur mit einem tollen Dienstwagen oder einem hohen Bonus an Bord holen. «High Potentials lassen sich heute eher mit einem Betriebskindergarten und Work-Life-Balance locken», so Huber. «Lebensqualität und Familie werden wieder wichtig und stehen vermehrt im Vordergrund.»

Thomas Muhmenthaler, Deputy Managing Director der Schweizer Personalberatung Humanis, spricht sogar vom «Kunden Kandidaten». Seiner Meinung nach wird die Dienstleistung der Personalberater heute um einen wichtigen Aspekt erweitert: das Employer Branding. Um gute Fach- und Führungskräfte zu einem Wechsel zu bewegen, müssen diese von den Vorteilen des neuen potenziellen Arbeitgebers überzeugt werden. Und das ist essenziell, denn im Zuge des zunehmenden Fachkräftemangels ist der ideale Kandidat rar.

Mehr strategische Schulterschlüsse

Hierfür setzen Unternehmen vermehrt auf strategische Partnerschaften mit Personalberatungen, um ihr Unternehmen bei potenziellen Kandidaten optimal positionieren zu können. Der Personalberater dient dabei als Markenbotschafter. Muhmenthaler spricht einerseits von Bewerbern, die sich aktiv am Markt bewegen, und von Kandidaten, die kein oder nur ein latentes Wechselmotiv haben. «Die hohe Kunst ist es, dem Kunden den Zugang zu den besten Kandidaten zu eröffnen, welche sich nicht aktiv am Markt bewegen.»

Der «Kunde Kandidat» fordert dabei seinerseits vom Berater auch ein Vertrauensverhältnis ein, um sich mit ihm über seine beruflichen Pläne zu unterhalten, obwohl er kein Wechselmotiv hegt. «Diese Nähe ergibt den Mehrwert für die Kunden und ist die Basis für unser Geschäft. Ethische Grundsätze müssten dabei eine Selbstverständlichkeit sein», so Muhmenthaler. Festgeschrieben seien diese für die Branche nicht. Und auch die selbstauferlegte «off-limit»-Klausel werde längst nicht von allen Beratern eingehalten. Diese Wertehaltung besagt, von Kunden keine Mitarbeiter abzuwerben. Muhmenthaler beobachtet zunehmend einen strategischen Schulterschluss zwischen Berater und Unternehmen. Immer häufiger gäbe es Zusammenarbeit in Form einer Rahmenvereinbarung.

Wer heute mit dem Arbeitsmarkt Schritt halten will, befindet sich permanent im Geschwindigkeitsrausch. Bewerbungen per eingeschriebenen Brief und drei Tage Zeit, um darauf zu reagieren, das war einmal. Die schöne neue Rekrutierungswelt wird geprägt durch Social Media und die Informationsbeschaffung über das Internet. «Über 90 Prozent der Bewerbungen kommen elektronisch rein», schätzt Personalberater Beat Lutz. Das Handling sei einfacher geworden, aber auch schneller. «Wenn Sie nicht innerhalb von 24 Stunden auf eine E-Mail reagieren, gelten Sie als lahme Socke.» Lutz ist ein alter Hase im Geschäft. Mit seinem kleinen Beratungsunternehmen hält er sich nun schon seit 25 Jahren am Markt. Ein Grund hierfür sind klare Grundsätze, nach denen er mit seinen Kunden arbeitet. «Vertrauen verlangt Transparenz, Offenheit, Ehrlichkeit und absolute Diskretion. Diese Eckwerte müssen stimmen.»

Es komme da weniger auf die Grösse als auf den Namen an. Kleinere Beratungsboutiquen, die sich in Nischen spezialisieren, sind genauso gefragt wie die grossen, bekannten Beratungsunternehmen mit Niederlassungen in London, New York und Singapur. Die Personalberatung Lutz & Partner AG Human Resources war nach eigenen Angaben die erste Personalberatung in der Schweiz, die sich 1993 nach ISO 9001 zertifizieren liess. «Letztlich heisst das nicht, dass wir qualitativ besser sind, aber es ist ein seriöses Zeichen dafür, dass wir die Qualität ernst nehmen und wahrscheinlich einen Fehler nicht zweimal machen.»

Kandidaten schätzen Diskretion

Lutz zählt zu seinen Kunden KMU, aber auch namhafte Schweizer Grossunternehmen. Dass Unternehmen in Zeiten des Internets  selbst geeignete Kandidaten finden könnten, verneint Lutz bestimmt. «Personalberatungen sind spezialisiert und können gezielt an geeignete Kandidaten herankommen. Ausserdem ist es eine Kapazitätsfrage. Welche HR-Abteilung kann fünf Tage lang in einen Search investieren?» Und Kandidaten selbst anzusprechen, wie im Head Hunting, kann sich kein Unternehmen erlauben. Um Diskretion zu wahren, sei man einfach gezwungen, einen externen Dienstleister dazwischenzuschalten. Auch die Kandidaten schätzten es sehr, sich erst einmal unverbindlich über die Position informieren zu können, ohne sich direkt beim Unternehmen outen zu müssen. Die Kunden, so Lutz, kämen dann, wenn es schwierig wird. «Doch auch ein Personalberater kann nicht zaubern. Gute Führungskräfte zu finden, war noch nie einfach, und sie werden wahrscheinlich immer ein knappes Gut bleiben.» Ein Honorar in Anlehnung an das Jahresgehalt bezeichnet Lutz als unseriös. «Dann könnten wir auch einen Preis nach Kilogramm Lebendgewicht ausrufen.»

Plattform mit Qualitäts-Rating

Das A und O ist, dass jeder Topf seinen passenden Deckel findet. In der fast unüberschaubaren Anzahl von Personalberatern ein schwieriges Unterfangen. Die Firma Talentory bietet eine Online-Plattform, die Unternehmen und Personalberater zielgerichtet zusammenbringt. Die Geschäftsidee stammt aus Amerika, etablierte sich dort 2007 und greift nunmehr auch im deutschsprachigen Raum. Mehr als 850 Personalberater und über 500 Unternehmen nutzen diese Plattform inzwischen. Sie soll, so Geschäftsführer Marc Krummacher, mehr Transparenz in den Markt bringen und die Dienstleistungen von Personalberatern vergleichbar machen.

Unternehmen schreiben ihre Mandate aus und bestimmen gleichzeitig den Preis. Darauf können sich Personalberater bewerben, werden von den Firmen ausgewählt und im Erfolgsfall bezahlt. Ein Qualitäts-Rating verbessert sich für diejenigen Personalberater, deren geeignete Kandidaten ins Interview eingeladen werden. «Wir drehen im Prinzip den Markt um», sagt Krummacher. «Das Unternehmen behält jederzeit die Kontrolle über den Rekrutierungsprozess und kann massgeblich mitbestimmen. Es wird keine Zeit mit Verhandlungen vergeudet, es geht einzig um die Suche nach Kandidaten.»

Die Gefahr, dass die Zusammenarbeit durch die Automatisierung einen unpersönlichen Charakter bekommt, sieht Marc Krummacher nicht. «Wir geben den Unternehmen und Personalberatern vor allem eine effiziente und kinderleicht zu benutzende Plattform, um sich für die gezielte Personalsuche weniger bürokratisch zu finden.» Die Suche nach den passenden und motivierten Kandidaten erfolge hingegen zwingend über das persönliche Netzwerk der Personalberater. «Es ist und bleibt ein echtes People-Business, das nicht von leeren Versprechungen, sondern echten Leistungen der Personalberater lebt. Die Zukunft der Rekrutierung wird neu gestaltet – und die Spreu wird sich vom Weizen trennen.»

Studie

Die Studie «Personalberater 2010/2011» ist eine Eigeninitiative der MC Personalmanagement und wurde nicht im Auftrag von Kunden erstellt. Sie basiert auf den Antworten von 90 befragten Entscheidern in Unternehmen (Personalleiter, Leiter Recruiting usw.). Zusätzlich wurden 16 Tiefeninterviews durchgeführt. Die Studie wurde branchenübergreifend von Dezember 2010 bis Januar 2011 durchgeführt. Kernbranchen der Studie sind die Pharma-, Healthcare- und die Konsumgüter-industrie.

www.mcpersonal.de

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