Im Gespräch

Die Bildung korrigieren und verbessern

Es bewegt sich viel in der Schweizer Bildungslandschaft, und in den kommenden Jahren werden wichtige Weichen gestellt. Eine Übersicht über die bedeutendsten bildungspolitischen Aktivitäten auf nationaler Ebene.

Es würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, auf alle laufenden bildungspolitischen Aktivitäten – auch auf kantonaler Ebene – einzugehen. Folgende Auflistung beschränkt sich darum auf die Themen, die in jüngster Vergangenheit auf nationaler Ebene für Schlagzeilen sorgten.

Berufliche Grundbildung

2004 trat ein neues Berufsbildungsgesetz in Kraft. Daraufhin wurden die Reglemente über die Ausbildung und die Lehrabschlussprüfung sowie Lehrpläne für den beruflichen Unterricht in den vergangenen Jahren an die neuen Grundlagen angepasst. Die Mehrheit der Berufe hat inzwischen neue Bildungsverordnungen und Bildungspläne. Einige erhielten auch neue Bezeichnungen oder wurden komplett neu gestaltet, wie beispielsweise der Beruf des Buchbinders, der neu Printmedienverarbeiter EFZ heisst.

Die zweijährige berufliche Grundbildung konnte sich in einigen Berufsfeldern gut etablieren. Sie bietet mit dem Qualifikationsverfahren, das zu einem eidgenössischen Berufsattest (EBA) führt, die notwendige Qualifikation, um einen Beruf mit einfacheren Anforderungen auszuüben, beispielsweise Büroassis-tent/Büroassistentin EBA oder Gärtnerin/ Gärtner EBA.

Neuer Rahmenlehrplan für die Berufsmaturität

Die eidgenössische Berufsmaturitätsverordnung wurde 2009 revidiert. Das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) hat auf dieser Basis einen neuen Rahmenlehrplan für die Berufsmaturität 2012 (RLP-BM) erlassen. Als markanteste Anpassung sind die neuen Ausrichtungen zu erwähnen, die sich am erlernten Beruf und an den Studienrichtungen der Fachhochschulen orientieren:

  • Technik, Architektur, Life Sciences
  • Natur, Landschaft und Lebensmittel
  • Wirtschaft und Dienstleistungen
  • Gestaltung und Kunst
  • Gesundheit und Soziales

Ein Teil des Berufsmaturitätsunterrichts wird für den Aufbau von Kompetenzen im fächerübergreifenden Denken und Problemlösen eingesetzt.

Die Berufsfachschulen erarbeiten derzeit ihre Lehrpläne für den Berufsmaturitätsunterricht. Die ersten Lehrgänge nach neuem Lehrplan werden im Sommer 2014 starten.

Finanzierungsmodell für Prüfungen

Berufs- und höhere Fachprüfungen sind bedeutende Bil-dungs-wege, um sich weiterzuqualifizieren. In Vorbereitungskursen zu den Prüfungen erlernen und festigen die Teilnehmer die notwendigen Kompetenzen. Beispiele für Berufsprüfungen sind etwa Technischer Kaufmann oder HR-Fachfrau mit eidgenössischem Fachausweis, für die höhere Fachprüfung beispielsweise Führungsexperte mit eidgenössischem Diplom.

Die Kosten für die Vorbereitungskurse gehen oft zu Las-ten der Absolventen. Teilweise übernimmt der Arbeitgeber einen Teil, teilweise können steuerliche Abzüge geltend gemacht oder Stipendien beantragt werden. Ob und in welcher Höhe die Vorbereitungskurse subventioniert werden, unterscheidet sich von Kanton zu Kanton. Entsprechend schwierig ist es, die Systematik zu überblicken.

Der Bund hat jedoch ein Finanzierungsmodell für die Prüfungsgebühren in Kraft gesetzt, das die Prüfungsträger fi-nan-ziell entlasten soll. Dabei übernimmt der Bund 60 bis – in Ausnahmefällen bei besonders kostenintensiven Prüfungen – 80 Prozent der Gebühren. Die finanzielle Unterstützung soll dazu beitragen, die Prüfungsgebühren für die Teilnehmer zu senken, damit die eidgenössischen Prüfungen als wertvolle, arbeitsmarktorientierte Bildungsabschlüsse der höheren Berufsbildung auch in Zukunft gesichert werden können.

Nationaler Qualifikationsrahmen

Welchen Wert hat ein eidgenössisches Diplom im Bereich Marketing und Kommunikation im Ausland? Welche Kompetenzen hat ein Teilnehmer eines Bildungsgangs im Ausbildungsfeld HR, der in Deutschland absolviert wurde? Wie ist ein Schweizer Abschluss adäquat einzuordnen? Das sind typische Fragen, die sich HR-Mitarbeiter in Zeiten der Globalisierung, aber auch im Wettbewerb zwischen Berufsbildung und Hochschulbildung immer öfter stellen.

Der Bundesrat hat sich zum Ziel gesetzt, das Schweizer Bildungssystem international bekannter zu machen und die Vergleichbarkeit von Schweizer Berufsbildungsabschlüssen im Arbeitsmarkt zu verbessern. Dazu werden ein nationaler Qualifikationsrahmen für die Abschlüsse der Berufsbildung sowie Diplomzusätze erarbeitet. Der nationale Qualifikationsrahmen (NQR-CH) besteht aus einem Raster mit acht Niveaus. Jeder formale Berufsbildungsabschluss (eidgenössisches Berufsattest, Fähigkeitszeugnis, Fachausweis, Diplom) wird künftig einem dieser acht Niveaus zugeteilt. Der Diplomzusatz vereinfacht es Arbeitgebern, die fachlichen Kompetenzen der Absolventen einzuschätzen. Die Informationen im Diplomzusatz beziehen sich dabei immer auf den Abschluss und nicht darauf, welche individuellen Kompetenzen Absolventen tatsächlich mitbringen.

Glossar

Grundbildung
EBA: Eidgenössisches Berufsattest
EFZ: Eidgenössisches Fähigkeitszeugnis
BM: Berufsmaturität
FMS (DMS): Fachmittelschulen (früher 
Diplommittelschulen)

Höhere Berufsbildung
FA: Eidgenössischer Fachausweis – nach Bestehen der Berufsprüfung (BP)
Eidg. Diplom: Nach Bestehen der 
höheren Fachprüfung (HFP)
HF: Höhere Fachschule

Weiterbildung auf Hochschulstufe
FH: Fachhochschule
B. A.: Bachelor of Arts
B. Sc.: Bachelor of Science
LL. B.: Bachelor of Laws
CAS: Certificate of Advanced Studies
DAS: Diploma of Advanced Studies
MAS: Master of Advanced Studies
M. A.: Master of Arts
M. Sc.: Master of Science
LL. M.: Master of Laws
MBA: Master of Business Administration (Bereich Betriebswirtschaftslehre)
EMBA: Executive Master of Business 
Administration (Bereich Betriebswirtschaftslehre)

Internationale Positionierung

Die höhere Berufsbildung besteht aus der Berufsprüfung, der höheren Fachprüfung sowie Bildungsgängen der höheren Fachschulen. Die Abschlüsse führen Bezeichnungen wie «eidgenössischer Fachausweis …», «eidg. dipl. …», «dipl. …HF». Dieser Teil unseres Bildungssys-tems ist im Ausland kaum bekannt und kann oft nur schwer mit anderen internationalen Abschlüssen verglichen werden. Zumal die Spezialität dieser Bildungswege ist, dass sie praxisorientiert sind. Ausländische Bildungssysteme fokussieren in der Regeln nicht so stark auf die Verankerung eines starken Praxisbezugs wie in der Schweiz.

Festzustellen ist auch, dass viele Weiterbildungsinteressierte nach einem «Bachelor» oder «Masterabschluss» (Weiterbildungsmaster) streben. Dies auch in der Hoffnung, dass ein Bildungsgang an einer Hochschule bessere Karrierechancen ermöglicht.

Beide Tendenzen führten in der Vergangenheit dazu, dass die Positionierung der höheren Berufsbildung, wie wir sie in der Schweiz kennen und wie sie einem Grossteil der Wirtschaft gut ausgebildete Arbeitskräfte zuführt, etwas unter die Räder gekommen ist.

Verschiedene Akteure aus Wirtschaft, Politik, Verwaltung und Bildungsinstitutionen engagieren sich derzeit für eine verbesserte Positionierung der höheren Berufsbildung und fordern internationale Titel für die Abschlüsse.
Jedoch darf das Streben nach populären Titeln nicht zu einer Preisgabe der Alleinstellungsmerkmale (USP) der höheren Berufsbildung führen – nämlich der konsequenten Orientierung an den Bedürfnissen des Arbeitsmarkts mit seiner Vielfalt an Branchen und Berufen.

Die unterschiedlichen Eigenschaften und Ausrichtungen von Höheren Fachschulen und eidgenössischen Prüfungen (Berufs- und höhere Fachprüfungen) müssen bei der neuen Titelvergabe mitberücksichtigt werden.

Weiterbildungsgesetz

Die neuen Verfassungsbestimmungen zur Bildung von 2006 legen den Grundstein für die gesetzliche Regelung der Weiterbildung in der Schweiz: Sie werten die Weiterbildung auf und positionieren die nicht-formale Bildung1 im -Bildungsraum Schweiz. Der Bundesrat hat im November 2011 den Vorentwurf zum Bundesgesetz über die Weiterbildung (Weiterbildungsgesetz, WeBiG) zur Stellungnahme an Kantone, Parteien, Verbände und interessierte Kreise in die Vernehmlassung gegeben. Auf den ersten Blick erscheint das WeBiG als Rahmengesetz mit wohlklingenden Werten für eine künftige Weiterbildungspolitik. Doch wie so oft liegt die Tücke im Detail, denn bei genauer Betrachtung müssten in den nächsten Jahren aufgrund des Rahmengesetzes WeBiG die rund 50 tangierten Spezialgesetzgebungen angepasst werden (unter anderem das Berufsbildungsgesetz, das Ausländergesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz und das Invalidenversicherungsgesetz). Dies ist ein zum heutigen Zeitpunkt nur schwer abschätzbarer Prozess. Das WeBiG kommt 2013 ins Parlament.

Baustellen sind Chancen

Es gibt zahlreiche weitere Initiativen und Projekte, die die Schweizer Bildungspolitik zurzeit beschäftigen: Sie zeigen, dass unser Bildungssystem alles andere als starr ist und sich ständig weiterentwickelt. Die verschiedenen Baustellen zeigen auch eines deutlich: In den nächsten beiden Jahren werden grundsätzliche Weichen in unserem Bildungssystem gestellt.

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Zum besseren Verständnis: Sogenannte «nicht-formale Bildung» umfasst Kurse und Seminare, die keinen staatlich anerkannten Abschluss zum Ziel haben. 
«Formale  Bildung» findet innerhalb des nationalen Bildungssystems statt, das aus Schule, Berufsbildung und Tertiärbildung besteht. Das «informelle Lernen» umfasst sämtliche Aktivitäten, die explizit einem 
Lernziel dienen, aber ausserhalb einer Lernbeziehung stattfinden (Verwendung von Lehrmitteln, Beobachten anderer Personen, On-the-job-Lernen)
     
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Claudia Zürcher leitet das Ressort
Bildungspolitik bei 
der Kalaidos Bildungsgruppe Schweiz.

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