Digitale Brücke für Geflüchtete in den Arbeitsmarkt
«Path2Work» ist eine neuartige digitale Plattform, die Geflüchteten in der Schweiz den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern und Unternehmen beim Rekrutieren dringend benötigter Fachkräfte unterstützen soll.

«Path2Work» will das Matching zwischen geflüchteten Stellensuchenden und Unternehmen verbessern. (Bild: ChatGPT)
Vielen Unternehmen fehlen Arbeits- und Fachkräfte. Prognosen zeigen, dass sich dies in Zukunft mehr und mehr bemerkbar machen wird. Die Unternehmen stehen vor der Herausforderung, vorausschauend zu handeln, um nicht vom «Boiling Frog Syndrom» eingeholt zu werden – also einem schleichenden Problem, das lange unterschätzt wird, bis es zu spät ist. Deswegen gilt es das noch ungenutzte Arbeitskräftepotenzial im Inland besser zu berücksichtigen.
Hier rückt die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten in den Fokus – auch wegen des Kriegs in der Ukraine. Der Bundesrat hat am 28. Mai 2025 bekräftigt, dass noch mehr Personen aus der Ukraine mit Schutzstatus S einer Erwerbstätigkeit nachgehen sollen. Für jene, die seit mindestens drei Jahren in der Schweiz leben, hat er eine Erwerbstätigenquote von 50 Prozent bis Ende 2025 als Ziel festgelegt. Aber es geht nicht nur um Ukrainerinnen und Ukrainer (Ausweis S), sondern auch um andere Personen aus dem Asylbereich: anerkannte Flüchtlinge (Ausweis B) und vorläufig Aufgenommene (Ausweis F). Schätzungen zeigen, dass inzwischen mehrere zehntausend Personen im erwerbsfähigen Alter genügend Sprachkompetenzen erworben haben, um eine Erwerbsarbeit oder eine (berufliche) Ausbildung anzutreten. Diese Personen weisen vielfach Berufserfahrungen und Kompetenzen auf, die sie mit der Zeit immer besser einbringen können.
Unternehmen und Geflüchtete «matchen» oft nicht
Trotz dieses Potenzials funktioniert das «Matching» noch zu wenig gut. Informationslücken sind auf beiden Seiten verbreitet: Geflüchtete wissen oft nicht, wie und wo sie sich bewerben können, während Unternehmen unsicher sind, was rechtlich möglich und zulässig ist.
Auf Seiten der Unternehmen bestehen oft zu wenig Kenntnisse über die Anstellung und Unterschiede der verschiedenen Status. Dabei ist die Anstellung von geflüchteten Personen administrativ mittlerweile einfach geworden. Dazu kommt, dass Unternehmen gemäss Studien allgemein eher auf Lebensläufe setzen, die möglichst passend zum Stellenprofil passen. Neue Mitarbeitende sollen vom ersten Tag an einsetzbar und produktiv sein – der Weiterentwicklung der Stellen werde, so der Befund, zu wenig Gewicht gegeben. Wenn das Potenzial von Quereinsteigenden zu wenig genutzt wird, sind Zugewanderte besonders betroffen.
Geflüchtete ihrerseits berichten von vielen Absagen, obwohl sie ausgewiesene Sprachkompetenzen vorweisen können. Eine Herausforderung für die gut qualifizierten Personen ist, dass ihre Ausbildungen und Diplome im Schweizer Arbeitsmarkt nicht eins zu eins verwertbar sind. Auch fluchtbedingte Lücken im Lebenslauf bilden eine Hürde. Geflüchtete müssen sich in einem neuen, ungewohnten Arbeitsmarktsystem zurechtfinden: Welche Berufe gibt es? Was sind realistische Einstiegsmöglichkeiten? Welche Qualifikationen werden erwartet?
«Path2Work» unterstützt digital und praxisnah
Hier setzt «Path2Work» an: Die Plattform wurde entwickelt, um die Herausforderungen systematisch und praxisnah zu adressieren. Die digitale Plattform soll dazu beitragen, Orientierung zu bieten und das Matching zu vereinfachen. Sie wurde von der ETH Zürich und der Universität Lausanne in enger Abstimmung mit den Bundesbehörden konzipiert und entwickelt. Kantonale Stellen und Jobcoaches wurden informiert und einbezogen.
Stellensuchende können ein Online-Assessment ausfüllen, um ein Fähigkeitsprofil zu erstellen. Mit gezielten Fragen und Aufgaben werden berufsfeldübergreifende Fähigkeiten und Kompetenzen erhoben. Auf Basis dieser und weiterer Angaben empfiehlt «Path2Work» passende Berufe. Dabei hilft ein Algorithmus, dass auch Berufe vorgeschlagen werden, die ähnliche Skills erfordern. Über die integrierte Suchfunktion – verknüpft mit der Schweizer Stellen-Datenbank «x28» – lassen sich passende Stellen finden, insbesondere in Berufen, die von der Plattform vorgeschlagen werden. Die Bedienung ist in neun Sprachen möglich. Zudem bietet die Plattform weitere Hilfestellungen für die Stellensuchenden, zum Beispiel Bewerbungsvorlagen oder Zugang zu einem standardisierten Sprachtest (ELAO).
Auch Unternehmen profitieren von «Path2Work»
«Path2Work» unterstützt aber auch Unternehmen mit offenen Vakanzen: Das Team der Plattform identifiziert gezielt solche Betriebe und kontaktiert sie, indem es ihnen automatisierte E-Mails mit Informationen und/oder Kurzprofilen zustellt. Insbesondere für KMUs bedeutet dies eine Entlastung, da oft Zeit und Ressourcen für die Suche fehlen. «Path2Work» schafft zudem Transparenz in rechtlichen und administrativen Fragen. Informationen zu Bewilligungen, Meldepflichten und Sozialversicherungen sind kompakt aufbereitet und helfen, Unsicherheiten abzubauen.
Auch grössere Unternehmen können profitieren: Sie können «Path2Work» als spezialisier-ten Rekrutierungskanal nutzen – etwa zur Erreichung von Diversitätszielen oder zur Ergänzung bestehender Integrationsprogramme. Die Zusammenarbeit mit grösseren Unternehmen, die über standardisierte Rekrutierungsprozesse verfügen, ist in Entwicklung und im Einzelfall zu klären. Interessierte Unternehmen können sich bei «Path2Work» melden.
Enges Zusammenspiel von Behörden und Organisationen
«Path2Work» kooperiert eng mit Behörden, Arbeitsvermittlungen und zivilgesellschaftlichen Organisationen. Seit 2019 erfolgt die Integrationsförderung von Geflüchteten durch die Kantone nach schweizweit geltenden Zielsetzungen. Alle Geflüchtete bereiten sich mit Sprachförderung, branchenqualifizierenden Kursen oder Vorlehren auf den Arbeitsmarkt oder eine Ausbildung vor. Sie werden dabei von professionellen Jobcoaches begleitet. Für die Unternehmen bestehen daher klare Ansprechpartner, die ihnen bei der Rekrutierung und bei administrativen Fragen zur Hand gehen und auch bei weiteren Schritten und durch gezielte Unterstützung helfen können. Die Jobcoaches sind über «Path2Work» informiert.
Evaluieren, lernen, weiterentwickeln
«Path2Work» befindet sich zurzeit im Rollout. Gut 70 000 in der Schweiz gemeldete Geflüchtete im erwerbsfähigen Alter mit Aufenthaltsstatus B, F und S werden in vier Wellen eingeladen, die Plattform zu nutzen. Die erste Einladungswelle ist bereits abgeschlossen, weitere drei folgen ab Herbst 2025 im Abstand von jeweils sechs Monaten. Bereits heute zeigt sich, dass sich über ein Viertel der Eingeladenen registriert.
Die Plattform wird laufend technisch und inhaltlich weiterentwickelt. Geplant ist, «Path2Work» künftig auch weiteren Zielgruppen mit erschwertem Zugang zum Arbeitsmarkt zugänglich zu machen, etwa Personen aus dem Familiennachzug. Ebenso ist eine engere Anbindung an Berufsverbände und branchenspezifische Angebote vorgesehen. Darüber hinaus werden Möglichkeiten geprüft, wie interessierte Unternehmen im Sinne von Active Sourcing gezielt auf Profile stellensuchender Geflüchteter zugreifen können. Die begleitende, wissenschaftliche Evaluation erfasst unter anderem, wie viele Nutzende dank der Plattform Stellen finden, wie Unternehmen reagieren und welche Funktionen besonders gut wirken.